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Corona-Krise Leere Kassen in Magdeburger Reisebüros

Viele Reisebüros in Magdeburg bangen um ihre Existenz. Die Corona-Krise bringt ihnen viel Arbeit, doch kaum Einkünfte.

Von Karolin Aertel 04.08.2020, 01:01

Magdeburg l Die Sonne brennt und mit ihr nicht minder das Fernweh. Nach Wochen und Monaten der Corona-Einschränkungen sehnen sich die Menschen nach einem Tapetenwechsel, nach Unbeschwertheit und Urlaub. Doch trotz Corona-Lockerungen setzte statt des ersehnten Buchungsbooms eine Stornierungswelle in der Reisebranche ein.

Rund 80 Prozent der bereits gebuchten Reisen sind storniert worden, weiß Reisebürochefin Kathleen Meyer-Wolff. Von der Anzahl Buchungen, die normalerweise zu dieser Zeit eingehen, verzeichne sie gerade einmal 10, maximal 20 Prozent. Auch der Deutsche Reiseverband informiert in seiner Pressemitteilung, dass die Buchungen zu diesem Zeitpunkt gerade mal ein Drittel der Vorjahresumsätze ausmachen. "Das Niveau der Neubuchungen fängt die Verluste durch das Stornoaufkommen aufgrund der Reisewarnungen zurzeit noch bei weitem nicht auf“, sagt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes. Er bezeichnet die Situation der Reisewirtschaft als „überaus dramatisch“. „Eine Katastrophe für die Branche“, nennt sie Kathleen Meyer, die Geschäftsführerin der „Meyer Reisen GmbH“. Vier Filialen betreibt sie in Magdeburg – und überall das gleiche Bild. Da sieht es auch bei Kollegen nicht viel anders aus.

Ihre Mitarbeiter sind vor allem damit beschäftigt, Stornierungen zu bearbeiten oder aber die Reisen jener, die nicht zurückgetreten sind, umzubuchen. „Nichts ist mehr wie vor Corona. Flüge, die man gebucht hat, gibt es nicht mehr, Hotels sind geschlossen.“

Ihre Angestellten, noch immer in Kurzarbeit, führen Kundengespräche, bewältigen in der knapp bemessenen Zeit unzählige Fragen zu Rückabwicklungen und senden Anfragen an Reiseveranstalter. Der Arbeitsaufwand sei enorm, die Einnahmen sind beinah komplett eingebrochen. „Ich ziehe vor meinen Mitarbeitern wirklich den Hut“, sagt sie.

Dennoch habe sie Verständnis für die Reiseabbrecher. „Man muss die Ängste der Menschen respektieren.“ Auch, wenn sie selbst derzeit andere Erfahrungen macht. In ihrem Urlaub auf Mallorca beobachte sie ein diszipliniertes Verhalten der Touristen. Zwar geht’s mit Maske zum Strand, wo die Liegen auch zwei Meter auseinandergerückt stehen, trotzdem setze das Urlaubsgefühl ein und man vergesse manchmal sogar die Krise für einen Moment. Von Krawallen oder „Maskenpolizei“ keine Spur. „Das ist eine Diskrepanz zwischen dem, was ich lese und höre, und dem, was ich erlebe.“ Ähnliche Erfahrungen habe ein befreundetes Paar jetzt auf Kreta gemacht.

Doch obgleich Reisewarnungen teilweise aufgehoben wurden, ist das Buchungsverhalten „mehr als verhalten“. „Die Menschen wollen starten, haben aber große Vorbehalte“, weiß die Reiseexpertin. „Der Wunsch, risikofrei zu reisen, ist da, jedoch nicht einmal in Deutschland möglich – nicht ohne Risiko ist nicht mal der Schritt vor die Haustür.“

Dennoch sind Reisen innerhalb der Bundesrepublik beliebter denn je. Wer jetzt noch nicht gebucht hat, braucht allerdings ein wenig Glück – und Geld. „Reisen in Deutschland ist teuer geworden“, sagt Kathleen Meyer-Wolff. Zudem sei kaum noch etwas frei; an der See so gut wie nichts mehr. „Man kann schon noch etwas in Deutschland bekommen, allerdings mit viel Wenn und Aber.“

Wer dagegen denkt, dass Urlaubsreisen ins Ausland wegen der Corona-Krise nun ganz besonders günstig sind, der irrt. „Die Preise sind nicht signifikant gesunken.“ Dies liege daran, dass Flüge gestrichen wurden und entsprechend der Nachfrage angepasst; also zusammengelegt. Auch sind einige Hotels noch immer geschlossen oder nehmen deutlich weniger Touristen auf, um Hygiene- und Abstandsregeln einhalten zu können.

Laut Deutschem Reiseverband liegen Reisen ans Mittelmeer vor allem nach Spanien und Griechenland in diesem Sommer vorn. Auch die Kreuzfahrtbranche, die in den vergangenen Jahren an Beliebtheit gewonnen hatte, nehme allmählich wieder Fahrt auf. Nachdem die ersten Testfahrten gänzlich ohne Landgang durchgeführt worden sind, starten die ersten Veranstalter wieder Touren mit Landgang.

Von Normalität ist die Reisebranche also noch weit entfernt. Die Zukunft vieler Reisebüros scheint ungewiss. Deutschlandweit ist von Insolvenzen in der Branche zu lesen. Kathleen Meyer-Wolff versucht optimistisch zu bleiben, schließlich habe die Branche in den vergangenen Jahren schon so einiges mitgemacht. Vor welche Herausforderungen sie Corona stellt, sei jedoch einmalig.