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CoronavirusMagdeburger Schausteller mit Riesenproblem

Die Schausteller in Magdeburg versuchen, die Corona-Krise irgendwie zu überstehen und melden sich mit Mini-Karussell zurück.

Von Rainer Schweingel 31.05.2020, 01:01

Magdeburg l Nicht in Vergessenheit geraten und nicht den Mut verlieren. Das ist das Credo der Schausteller um Karl Welte. Der Vorsitzende des Magdeburger Schaustellervereins der Markt- und Messereisenden VSG muss tief durchatmen, wenn er über die Folgen der Corona-Krise erzählen soll. „Unsere Kollegen haben keinerlei Einnahmen“, sagt er, der selber betroffen und mit seiner Familie in vierter Generation Schausteller ist.

Normalerweise hätten in den vergangenen Wochen Jahrmärkte wie das Gildefest in Aschersleben oder das Baumblütenfest in Werder auf dem Tourenplan gestanden. Doch diese fielen der Krise ebenso zum Opfer wie die beliebte und traditionelle Frühjahrsmesse auf dem Max-Wille-Platz.

Der Namensgeber des Platzes neben der Sternbrücke war übrigens 1885 Gründungsvater des Schaustellervereins und hätten sich wohl nicht träumen lassen, dass Generationen nach ihm in solche Schwierigkeiten kommen könnten. Dennoch: „Wir sagen ganz klar. Wir haben Verständnis für die Schutzmaßnahmen, stehen doch auch für uns die Gesundheit unserer Gäste und der Schausteller ganz oben“, sagt Welte weiter.

Doch die Schausteller, die gute wie schlechte Zeiten immer irgendwie gemeistert haben, wollen auch bei dieser harten Krise den Kopf nicht in den Sand stecken. Als kleines Zeichen des Überlebenswillens stellten sie vor ein paar Tagen auf dem Messeplatz ein Mini-Riesenrad auf und verweisen schon mal auf Partys wie die Oktoberfestmesse, von der sie hoffen, dass sie stattfinden darf. „Wir versuchen, das irgendwie zu überstehen. Aber es geht bei uns allen an die Substanz“, beschreibt Welte die Lage unter den 64 Betrieben, die dem Verein angehören. Insolvenz habe noch keiner anmelden müssen, aber die Situation sei äußerst schwierig.

Das bestätigt auch Olaf Haase vom zweiten großen Schaustellerverein mit 25 Mitgliedsbetrieben. „Wir hoffen auf den Herbst. Aber auch da gibt es leider schon erste Absagen. Wir sind dankbar für jeden Termin, denn alles ist besser als nichts“, beschreibt er die Situation.

Aus lauter Verzweiflung versuchten manche Schausteller sogar, einen Miniverkauf vom eigenen Grundstück aus zu organisieren, um wenigstens ein paar Euro an Einnahmen zu erzielen.

Andere mussten private Vorsorgegelder für die Rente zur aktuellen Kostendeckung einsetzen. Soforthilfe sei zwar auch für einige geflossen. Das sei gut. Aber sie könne die Kosten für Kredite und anderes nicht vollständig auffangen, berichtet Welte. Es gebe aber auch andere positive Signale. So habe die Stadt Magdeburg mit Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) und Finanzdezernent Klaus Zimmernann (CDU) als Vermieter des Max-Wille-Platzes ein großes Herz für die Schausteller bewiesen und die Pachtgebühren zumindest gestundet. Ein Antrag auf Erlass laufe außerdem.

Rund 42.000 Euro müssen die Schausteller als Pacht im Jahr aufbringen. In normalen Jahren klappt das ganz gut, weil sie mit der eigenen Frühjahrs- und Herbstmesse oder durch die Vermietung an Partner wie Zirkusse Einnahmen erzielen können. Das Verpachtungsgeschäft ist aber ebenfalls über Corona in sich zusammengefallen.

Dafür sprang jetzt ein Autokino-Betreiber in die Bresche und nutzt den Platz als Freiluft-Filmsaal. Immerhin: Ein paar Einnahmen fließen dadurch.

Zudem nutzen die Schausteller den Zuspruch für Werbung in eigener Sache und bauten ein kleines Riesenrad am Platz auf. Zusätzlich läuft im Vorprogramm im Autokino ein Imagefilm über die Schausteller und deren Qualitäten beim Aufbau von Fahrgeschäften. „Wir hoffen, so im Gedächtnis der Magdeburger und Gäste zu bleiben, damit für die Zeit, in der wir wieder unsere Fahrgeschäfte und Schaubuden aufbauen können, die Gäste kommen“, so Welte. Der Weihnachtsmarkt sei dafür enorm wichtig. Er sei der wirtschaftlich wichtigste Termin im ganzen Jahr. Geplant ist der Markt längst unter dem Dach der Weihnachtsmarkt GmbH - aber wird er stattfinden können?

Zu wünschen ist es den Schaustellern. Denn deren Geschäft gehört neben der Existenzsicherung für sich selbst auch zum Kulturgut seit Jahrhunderten - gerade in Magdeburg mit einer der ältesten Messen Deutschlands.