DenkmalZoff um verkaufte Gieselerhalle in Magdeburg
Der Streit um die Gieselerhalle in Magdeburg hält an. Der Stadtrat will die Investoren stärker in die Pflicht nehmen, Vorgaben einzuhalten.
Magdeburg l Schon am 1. Dezember 2016 war die Tinte unterm Kaufvertrag trocken. Die Stadt verkaufte ihre geschichtsträchtige Hermann-Gieseler-Halle und ein Stück Grund dazu an private Investoren, weil sie sich selbst nicht in der Lage sah, die geschätzt 22 Millionen Euro für die Sanierung des Hallendenkmals aufzubringen. „Und nach nun viereinhalb Jahren gibt es immer weitere Diskussionen und der Stadtrat stellt immer neue Hürden für die Investoren auf“, schimpfte Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) während der Ratsdebatte am Donnerstag in Aussicht aufs Kommende: Vertagung. „Der Kaufpreis ist schon seit 2016 vollständig bezahlt und wir diskutieren immer noch. So kann man nicht mit Investoren umgehen“, legte das Stadtoberhaupt am Freitag am Telefon nach, noch immer zornig über jene, die im Rat auf die Bremse treten.
Die sitzen allerdings auch in Trümpers eigenen Reihen, der SPD-Fraktion, daneben bei Grüne/future! und in der Linken – und greifen die Sorgen von Stadtfelder Bürgern auf. Der Verein „Bürger für Stadtfeld“ hat schwer etwas gegen den geplanten Möbelhausklotz neben dem Denkmal und darüber hinaus Bedenken, was die Zukunft der Halle selbst betrifft. Mit anwaltlicher Schützenhilfe macht er gegen die aktuellen Baupläne mobil. Jürgen Canehl (Grüne) mischt selbst im Vorstand des Stadtfelder Bürgervereins mit und sagte im Stadtrat: „Der OB spricht von Hürden. Das kann man so nicht sehen. Die Voraussetzungen zur Genehmigung der Baupläne sind einfach nicht erfüllt.“ Der Anwalt habe die noch nicht vorhandene Erschließung des Areals bemängelt und noch völlig unbestimmte Nutzung der denkmalgeschützten Gieselerhalle in der Zukunft. „Da steht für sportliche, kulturelle, gesundheitliche und sonst welche Zwecke. Das ließe am Ende auch Büros oder Parkhaus zu“, so Canehl.
SPD-Fraktionsvize Falko Grube schloss sich der Kritik an und verwies darauf, dass die Investoren ihre Pläne seit dem Verkauf 2016 stark abgeändert hätten. „Damals war der Anbau kleinerer Gebäude geplant und die Nutzung der Halle selbst für den Poco-Markt. Weil dafür für Millionenaufwand ein Trafohäuschen der SWM hätte versetzt werden müssen, kam die neue Idee zum kompletten Poco-Neubau daneben auf. Dem hätte der Stadtrat schon damals niemals zugestimmt“, ist sich Grube sicher und forderte dringend die Nachverhandlung des städtebaulichen Vertrages zwischen Stadt und Investoren ein.
Zur Debatte über den Vertrag forderte Grube einen Ausschluss der Öffentlichkeit ein. Hinter verschlossenen Türen arbeitete sich der Rat dem Vernehmen nach in erster Linie an den Vertragsstrafen im sechsstelligen Bereich ab; aus Sicht vieler Räte Portokassen-Summen mit Blick aufs Millionenprojekt. Der Bauausschussvorsitzende Mirko Stage (future!) hatte schon in öffentlicher Sitzung gesagt: „Alles, was wir hier festlegen – zum Beispiel Fassaden- und Dachbegrünung für den Neubau oder die denkmalgerechte Nutzung der Gieselerhalle – werden wir nicht durchsetzen können, wenn die Strafsummen so gering sind, dass der Investor sie einfach einkalkuliert. So nicht!“
Zu Bauchschmerzen schon anlässlich des Verkaufs der Denkmal-Halle bekannte sich nachträglich Frank Schuster (CDU), selbst Chef einer Denkmalpflegefirma in Magdeburg. „Der Stadtrat hat aber so entschieden und wir haben dem Investor jetzt schon einiges abgetrotzt.“ Überziehe der Rat jetzt bei seinen Forderungen, malte Schuster schlimme Perspektiven von Weiterverkauf und Verfall der Halle an die Wand. Diese Sorge teilt das Stadtoberhaupt.
Auf andere, in Stadtfeld akut grassierende Sorgen machte im Gegenzug René Hempel (Linke) aufmerksam. „Der Einzelhandel ist in Bedrängnis, es gibt Leerstand. Ein Nutzungskonzept für die Gieselerhalle war Teil des Deals mit dem Investor, aber der hat keine Idee. Das, was der jetzt plant, das gibt es alles schon dreimal.“ Ein Rückkauf der Gieselerhalle sei die einzige reale Chance zu ihrer Rettung und ihr Erhalt als Sportstätte und Freizeiteinrichtung. Einen entsprechenden Antrag haben Linke, Grüne/future! und Tierschutzpartei/Bund für Magdeburg gemeinsam eingebracht.
Trümper verneinte finanzielle Spielräume zur Rettung der Halle aus eigener Kraft. Der als Ersatz geplante und beschlossene Neubau am Lorenzweg habe just, wenn auch mit jahrelanger Verspätung, begonnen. Auch die neue Stadtfelder Grundschule, deren Bau die Poco-Investoren durch einen Flächentausch erst ermöglicht hätten, bekommt eine neue Sporthalle.
Für die FDP mahnte Stephan Papenbreer viel mehr Unterstützung statt Hürden für Investoren an und bekam Rückenwind von Marcel Guderjahn: „Wir stehen vor einer Weltwirtschaftskrise wegen Corona!“ Für die AfD bekannte Ronny Kumpf Sympathien für das Investorenprojekt. „Die Fehler wurden früher gemacht, nämlich die Halle überhaupt abzugeben.“
Am Ende der Debatte machte Trümper eine neue Option auf: „Die Stadt nutzt die sanierte Halle gegen eine sicher hohe Miete für Sport und der Investor hat einen sicheren, langfristigen Mieter.“ Schluss und Abbruch. SPD-Mann Grube beantragte Vertagung und Nachverhandlungen. Eine Ratsmehrheit aus Grüne/future!, Linke und SPD stimmte zu.