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Deutschlandkritik Politische Parolen in Magdeburger Taxi

In einem Magdeburger Taxi werden die Fahrgäste mit extremer Kritik an Deutschland konfrontiert. Für die Taxi-Genossenschaft ein Tabu.

Von Franziska Ellrich 20.12.2017, 00:01

Magdeburg l Wer in Magdeburg ins Taxi von Hans-Joachim Schmidt einsteigt, der wird unweigerlich mit der politischen Meinung des Magdeburgers konfrontiert. In großen Buchstaben steht rot auf weiß im Innenraum geschrieben: Die „versklavte deutsche Bevölkerung wird ab 1990 immer schonungsloser ausgebeutet und in späterer Folge ethnisch vernichtet“. Genau wie: „Wegen des Verkehrschaos – beschweren Sie sich beim Bürgermeister. Ich habe ihn nicht gewählt.“

Regelmäßig steht Hans-Joachim Schmidt mit seinem Taxi vor dem Magdeburger Hauptbahnhof und bringt die Reisenden an ihr Ziel. Einer davon war jetzt Marcus Riemann. Er hielt die aufgeklebten Parolen per Handy-Foto fest.

Das Bild kursiert nun im Netz. Es wurde auf dem Nachrichtendienst Twitter öffentlich geteilt. Mit dem Satz: „Bei manchen Magdeburger Taxifahrern kann man offenbar noch in Reichsmark zahlen …“ Dutzende Internet-Nutzer haben das Foto kommentiert und weiter verbreitet.

Angesprochen auf diese Aufmerksamkeit im Netz, erklärt Hans-Joachim Schmidt gegenüber der Volksstimme: „Bisher habe ich nur Zuspruch erhalten.“ Regelmäßig würden Fahrgäste ihm beipflichten. „Ich habe nur das aufgeschrieben, was ein Großteil der Bevölkerung so empfindet“, sagt Hans-Joachim Schmidt.

Der 33-jährige Marcus Riemann jedoch sei bei seiner Ankunft in Magdeburg überrascht gewesen, „mit welchem ersten Eindruck sich die Elbestadt dank dieses Taxis ihren Gästen präsentiert“.

Auch für Frank Tempel von der Taxi-Genossenschaft Magdeburg sind diese Aufkleber unmöglich. Solche politischen Äußerungen hätten in einem Taxi nichts zu suchen. „Bei uns gibt es so etwas nicht“, sagt Frank Tempel. Allerdings: Hans-Joachim Schmidt, beziehungsweise seine Frau, die das Taxi-Unternehmen leitet, gehört nicht zur Magdeburger Genossenschaft.

Besonders brisant sind diese Meinungsäußerungen, weil Taxen ein fester Bestandteil des Öffentlichen Personennahverkehrs sind und einen flächendeckenden Versorgungsauftrag haben. Die Lizenzen werden von der Stadt Magdeburg vergeben. Von der Stadtverwaltung gab es bis Redaktionsschluss am 19. Dezember 2017 keine Stellungnahme.

Ob Sätze in einem Taxi wie – „Falls Sie in einem Land leben, in dem Sie für das Fischen ohne Anglerschein bestraft werden, jedoch nicht für den illegalen Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass, dann haben Sie das volle Recht zu sagen, dieses Land wird von Idioten regiert“ – eine Ordnungswidrigkeit sind, müssten die Mitarbeiter des Magdeburger Ordnungsamtes entscheiden.

In der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr heißt es unter Paragraf 26 zumindest: „Politische und religiöse Werbung an Taxen ist unzulässig.“ Aus Polizeisicht geben die Aushänge in dem Taxi keinen Anlass für rechtliche Schritte, erklärt Polizeisprecher Marc Becher. Er verweist auf die freie Meinungsäußerung und dass sich in den Aussagen keine Straftaten erkennen ließen.

Gegenüber der Volksstimme betont Taxifahrer Schmidt: „Alles, was ich geschrieben habe, ist rechtens.“ Großteils handele es sich um Zitate. Zudem räumt er ein: Er wisse, was er sagen dürfe. „Ich spreche oft öffentlich zu solchen Themen.“ Näher ins Detail geht Hans-Joachim Schmidt dabei nicht. Laut dem Magdeburger Bündnis gegen Rechts soll er zum Beispiel Redner bei den Kundgebungen von Magida gewesen sein, dem Magdeburger Ableger der Anti-Islam-Bewegung Pegida.

Auf die Frage, ob der Taxifahrer denn jeden in seinem Wagen mitnimmt, stellt Hans-Joachim Schmidt klar: „Jeder, der sich ordentlich benimmt, darf selbstverständlich einsteigen.“ Angesprochen auf das Thema Flüchtlinge betont er: „Es geht mir überhaupt nicht um Flüchtlinge, ich würde nie gegen sie hetzen.“ Schließlich könnten sie nichts dafür, dass sie in Deutschland seien. Er sieht das Versagen im Handeln der Bundesrepublik. „Ich kämpfe für echte Demokratie.“ Darüber könne gern jeder Fahrgast mit ihm diskutieren.

Für Marcus Riemann war das keine Option. Er ist der Auffassung: „Es wäre ein echter Alptraum, wenn sich jetzt mehr Personen im öffentlichen Raum anschlössen und jeder Taxifahrer, Bäcker oder Arzt jeden Mitbürger mit seiner privaten politischen Meinung konfrontieren würde.“