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Enercon-Krise Magdeburg verliert weitere Arbeitsplätze

Die Enercon-Krise kostet in Magdeburger Zulieferbetrieben weitere Jobs. Von bis zu 300 zum Jahresende ist derzeit die Rede.

Von Ivar Lüthe 03.09.2020, 01:01

Magdeburg l Gerade erst sorgte die Nachricht über die Schließung des Enercon-Zulieferers Eletrotechnikfertigung Magdeburg (Elma) zum Jahresende und damit der Verlust des Arbeitsplatzes für 149 Menschen für einen Schock. Doch die schlechten Nachrichten gehen weiter. Der durch die Krise auf dem deutschen Windradmarkt arg in Bedrängnis geratene Windradhersteller Enercon reduziert seine Produktionsaufträge bei seinen Zulieferern teils drastisch. Das kostet weitere Arbeitsplätze in Magdeburg.

Der Windradhersteller arbeitet derzeit an einer Restrukturierung. Diese beinhaltet, dass am Stammsitz in Aurich ein Kompetenzzentrum Mechatronic für die Fertigung von Maschinenhäusern, Rotornaben und E-Komponenten sowie ein Kompetenzzentrum Generator in Magdeburg für die Herstellung von fremderregten und Permanentmagnet-Generatoren entstehen sollen. „Mit diesem Schritt sollen beide Produktionsstandorte zukunftsfähig neu aufgestellt und gestärkt werden, so dass sie auch im internationalen Geschäft wettbewerbsfähig sind“, erklärte Enercon-Sprecher Felix Rehwald.

Kern des Kompetenzzentrums Generator soll die Windgeneratorenfertigung Magdeburg GmbH (GEMA) werden. Aus diesem Unternehmen werde Enercons künftiges Generator-Leitwerk entstehen, das die zur Fertigung der Hauptkomponente Generator benötigten Fachkenntnisse und Fertigungsprozesse konzentrieren werde. Die Integration weiterer Produktionspartner sei ebenfalls geplant. Im Zuge dessen sei außerdem eine gesellschaftsrechtliche Integration der betreffenden, bislang eigenständigen Produktionspartner in die Enercon-Gruppe vorgesehen, um die Produktion künftig als eigene Funktionen zu führen, so der Unternehmenssprecher.

„Derzeit führen wir mit allen Produktionspartnern und deren Gesellschaftern Gespräche über dieses Vorhaben – auch mit den in Magdeburg ansässigen Unternehmen. Dabei geht es zum einen um die gemeinsame Umsetzung des Zielbilds, zum andern um eine notwendige Anpassung der bei Produktionspartnern verbleibenden Produktionsaufträge“, so Rehwald.

Heißt: Bisherige Zulieferer werden teils drastisch Aufträge verlieren. Unter ihnen ist die Sket GmbH. Rehwald bestätigte auf Nachfrage: „Auch die Sket GmbH ist von der Reorganisation unseres Produktionsnetzwerkes betroffen. Als Produktionspartner für den Bereich Nachbearbeitung von Guss- und Stahlkomponenten ist Sket nicht Bestandteil der Kompetenzzentren-Planungen. Sket wird jedoch weiterhin von Enercon beauftragt, aber in geringerem Umfang. Aufgrund unserer geringeren Auftragslage müssen wir aktuell bei allen Produktionspartnern entsprechend das Volumen der Produktionsaufträge anpassen.“

Da nicht absehbar sei, dass sich die Rahmenbedingungen ändern werden, rechne Enercon mittelfristig nicht damit, wieder mehr Aufträge vergeben zu können. „Wir gehen vielmehr von einem vorerst dauerhaft niedrigen Auftragsniveau aus. Das ist die Prognose, auf die wir uns in unserem Heimatmarkt im Kerngeschäft leider generell einstellen müssen“, so Rehwald.

Die schlechten Nachrichten bekamen die Sket-Mitarbeiter am Dienstag, 1. September 2020, auf zwei Belegschaftssitzungen überbracht. Laut Sket-Geschäftsführer Dirk Pollak ist ein Stellenabbau von 80 bis 100 Mitarbeitern vorgesehen. „Sket ist durch die Reduktion von Auftragseingängen in der Situation, Kapazitätsanpassungen vorzunehmen. Diese haben im Windbereich vor allem den Hintergrund, dass der deutsche Markt massiv eingebrochen ist und unser Auftraggeber Enercon sein Auftragsvolumen an Sket erheblich reduzieren musste. Weiterhin trägt zu diesem Sachverhalt ein rückläufiger Drittgeschäftsmarkt durch Covid 19 bei“, erläuterte Pollak auf Nachfrage. Der Zeitpunkt der Entlassungen sei Bestandteil der beginnenden Verhandlungen mit dem Betriebsrat.

Sket ist seit der Privatisierung 1998 für Enercon tätig. Zu den Leistungen für Enercon zählen praktisch sämtlich zu bearbeitende mechanische Bauteile, vor allem Großbauteile, inklusive teilweiser Montage und kompletter Konservierung.

Neben Sket trifft es auch die Maschinen- und Anlagenbau Magdeburg (MAM) GmbH. Auch hier sind die Mitarbeiter am Dienstag darüber informiert worden, dass Enercon die Produktionsaufträge drastisch zurückfährt. MAM produziert im Auftrag von Enercon Stahlbauteile für Generatoren von Windenergieanlagen.

MAM-Geschäftsführer Maximilian Irps bestätigte auf Nachfrage: „Es ist richtig, dass Enercon das Auftragsvolumen bei MAM reduziert hat. Dies hat zur Folge, dass uns nach den jetzt vorliegenden Informationen etwa 90 bis 110 unserer derzeit 213 Mitarbeiter verlassen müssen. Der Stellenabbau muss aufgrund des reduzierten Auftragsvolumens kurzfristig erfolgen und spätestens zum Jahresende umgesetzt sein.“ Aus Mitarbeiterkreisen heißt es, dass nur noch ein Bruchteil an Enercon-Aufträgen übrig geblieben sei. In der Belegschaft gehe die Angst um, dass der jetzt angekündigte Stellenabbau nur der Anfang sei.

Ebenso von einem Auftragsrückgang betroffen ist die Stahlturm- und Apparatebau Magdeburg (SAM) GmbH. Aus der Geschäftsführung hieß es: „SAM ist davon unmittelbar betroffen, da das Unternehmen in den vergangenen Jahren einen maßgeblichen Teil des Umsatzes mit Aufträgen für Enercon erwirtschaftet hat. Daher ist eine Neuaufstellung aus Sicht der Geschäftsführung unausweichlich. Wir müssen uns verkleinern und gleichzeitig das vorhandene Geschäft mit Kunden außerhalb der Windindustrie weiter intensivieren.“ Wie viele Mitarbeiter bei SAM gehen müssen, ließ die Geschäftsführung unbeantwortet. Nur so viel: „Im Zuge der Restrukturierung wird bei SAM ein signifikanter Anteil an Stellen abgebaut werden müssen.“ Nach Unternehmensangaben sind dort derzeit 370 Mitarbeiter beschäftigt. Unbestätigten Informationen nach soll es auch hier einen Stellenabbau in ähnlicher Größe wie bei Sket und MAM geben.