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Facharztmangel Magdeburger Notaufnahme oft überfüllt

Die Notaufnahmen der Magdeburger Kliniken sind überfüllt. Dabei ist ein Großteil der Patienten nur auf der Suche nach einem Facharzt.

Von Franziska Ellrich 21.11.2017, 00:01

Magdeburg l „Wer kein Notfall ist, erschwert die Arbeit in der Notaufnahme“, macht Oberarzt Doktor Markus Rettig deutlich. Er ist der Ärztliche Leiter in der Zentralen Notaufnahme des Magdeburger Universitätsklinikums. Seit einigen Jahren beobachtet er, wie immer mehr Patienten abends in die Notaufnahme kommen – ohne akute Beschwerden, die die eigene Gesundheit bedrohen.

Regelmäßig hören er und seine Mitarbeiter dann Begründungen wie „Mein Hausarzt hat Urlaub“ oder „Ich habe nur abends Zeit“.

Notaufnahmen würden „im Bewusstsein der Bevölkerung häufig einfach rund um die Uhr erreichbare Arztpraxen“ darstellen, sagt Heike Gabriel vom Klinikum Magdeburg. Dort machen ihre Kollegen die gleichen Erfahrungen. Die Zahl der ambulanten Patienten, die gar keiner stationären Aufnahme bedürfen, hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Ursache dafür sind Heike Gabriel zufolge auch die „langen Wartezeiten im fachärztlich niedergelassenen Bereich“.

Dabei fallen die Zahlen des aktuellen Versorgungsgrades für die Stadt Magdeburg sehr positiv aus. Bei den Kinderärzten zum Beispiel soll die Versorgung bei mehr als 160 Prozent, bei den Hautärzten bei mehr als 152 Prozent und im Fall von Augenärzten bei mehr als 130 Prozent liegen. „Mit der Einwohneranzahl und auch mit einem sogenannten Demografiefaktor wird anhand der gegebenen Einwohner-Arzt-Verhältnisse der Versorgungsgrad errechnet“, so Janine Krausnick von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA).

Doch Versorgungsgrad und Realität klaffen offensichtlich auseinander: Arzttermine sind in Magdeburg schwer zu bekommen, Wartezeiten von mehreren Monaten bereits Usus. Bernd Franke von der KVSA erklärt auf Nachfrage: „Auf den sich verschärfenden Arztmangel weisen wir bereits seit dem Jahr 2002 hin.“

Heike Gabriel wirft mit Blick auf die wachsenden Patientenzahlen in den Notaufnahmen die Frage in den Raum: „Liegt es vielleicht daran, dass in bestimmten Fachbereichen die Anzahl der Kassensitze nicht ausreichend ist?“ Und fordert: Gegebenenfalls müsste die Bedarfsplanung angepasst werden.

Die Volksstimme hat den Test gemacht und versucht in verschiedenen, zufällig ausgewählten Arztpraxen in Magdeburg einen Termin zu vereinbaren.

Hausarzt:
In zwei von drei Arztpraxen wurde erklärt: „Wir nehmen keine neuen Patienten auf.“ Allerdings: In jeder Praxis wurde angeboten, dass Notfallpatienten gleich morgens in die Praxis kommen könnten. Doch nur einmal wurde auf wiederholte Nachfrage hin in Aussicht gestellt, nach der Untersuchung in die Kartei aufgenommen werden zu können.

Kinderarzt:
22 Kinderärzte gibt es laut KVSA in Magdeburg. Die Volksstimme hat in drei Praxen angerufen und drei Mal lautete die Antwort: „Wir können leider keine neuen Kinder mehr aufnehmen.“ Das berichtet auch eine Leserin. Sie steht kurz vor der Geburt und versucht auf Rat ihrer Hebamme bereits vorab einen Kinderarzt zu finden. Doch bisher ohne Erfolg – ein Dutzend Kinderärzte hat sie kontaktiert, in einigen Praxen sei nie jemand ans Telefon gegangen, in allen anderen wurde ihr erklärt: „Wir nehmen niemanden auf.“

Hautarzt:
Einen Termin beim Hautarzt zu bekommen, stellt sich als besonders schwer heraus. Alle drei Testanrufe enden mit einem: „Bis ins nächste Jahr sind alle Termine vergeben, rufen Sie doch in drei Monaten noch mal an.“ Als eine der Mitarbeiterinnen sich nach dem Anliegen erkundigt und das Wort Allergie-Test hört, verweist sie direkt auf einen HNO-Arzt als Alternative. Das Ergebnis des Anrufes beim HNO-Arzt: Mindestens zehn Wochen Wartezeit.

Augenarzt:
Für einen normalen Vorsorgetermin beim Augenarzt müssen sich Patienten circa ein Jahr vorher anmelden. Doch wer über Probleme klagt, kann offensichtlich auch Glück haben. Beim Volksstimme-Testanruf gab es bereits für Mitte Januar 2018 einen Untersuchungstermin. Wie viel Zeit man jedoch für den Termin mitbringen muss, bleibt offen. Eine Leserin hat kürzlich für uns den Test im Wartezimmer gemacht. Trotz Termin beim Augenarzt wurde sie erst nach drei Stunden ins Behandlungszimmer gerufen.

Terminservicestelle:
Die gute Nachricht für Magdeburg: Sowohl Termine beim Zahnarzt als auch beim Frauenarzt konnten zeitnah und innerhalb von circa zwei Wochen vereinbart werden.

Wer jedoch keinen Termin bei einem Facharzt oder Psychotherapeuten bekommt, der kann sich seit Januar 2016 an die Terminservicestelle der KVSA wenden. Allerdings nur mit einem entsprechenden Code. Das bedeutet: Hält der behandelnde Arzt eine fachärztliche Untersuchung innerhalb von vier Wochen für nötig, klebt er diesen Code auf den Überweisungsschein und per Telefon wird in der Servicestelle ein Termin in diesem Zeitraum vermittelt.

Allerdings: Bis zu einer Stunde Fahrzeit zum Arzt gilt in diesen Fällen laut Kassenärztlicher Vereinigung „als zumutbar“.

Der Bedarf ist offensichtlich trotzdem da: Allein in den ersten 14 Tagen hatten fast 350 Patienten bei der Servicestelle in Sachsen-Anhalt angerufen. Da kein Anspruch besteht, zu einem bestimmten Arzt vermittelt zu werden, machen Kritiker deutlich: Wer gezwungen ist, den Service zu nutzen, verwirke damit freiwillig sein Recht auf die freie Arztwahl.