1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. TV-Anwalt liest für herzkranke Magdeburger

Gesellschaft TV-Anwalt liest für herzkranke Magdeburger

Warum TV-Schauspieler Ingo Lenßen bei einer Lesung die Geschichte einer heute 14-jährigen Magdeburgerin vorlas.

Von Janette Beck 14.06.2019, 01:01

Magdeburg l „Leo war schon als Löwenbaby am Herz operiert worden, oft krank und auch schwächer als die anderen Löwenkinder. Er konnte zwar viel besser zeichnen und singen als sie, aber wenn sie um die Wette rannten, wurde der kleine Leo immer Letzter. Auch er spürte, dass er anders war. Und grübelte: Warum habe ausgerechnet ich so ein blödes Herz und bin immer der Langsamste?“

Die Geschichte von „Leo Fontano“, vorgelesen von TV-Staranwalt Ingo Lenßen, geht buchstäblich ans Herz. Geschrieben wurde sie in dunklen und schlaflosen Stunden. Aus Verzweiflung. In Todesangst und mit Tränen auf dem Papier. Und Steffi Sänger wünscht sich manchmal nur eines: Sie könnte das von ihr und Carmen Krickau geschriebene und von Oana Boca illustrierte kleine Ausmalbuch als Außenstehende, Nichtbeteiligte oder zumindest mit etwas mehr Unbeschwertheit betrachten – oder wie im konkreten Fall vorlesen lassen.

Doch das Schicksal hat einen anderen Plan für die Magdeburgerin und ihre Tochter vorgesehen: Lara, heute 14, ist mit nur einem halben Herzen auf die Welt gekommen.

Es ist der schwerste Herzfehler, den es überhaupt gibt, und die betroffenen Kinder können nur durch eine komplizierte Operation überleben. Dabei wird ein künstlicher Lungenkreislauf geschaffen. Mit dem Fontankreislauf, benannt nach dessen „Erfinder“, dem französischen Herzchirurgen François M. F. Fontan, leben etwa 5000 Menschen in Deutschland. Das schwere Schicksal, dass die junge Magdeburgerin tapfer trägt, war dem durch die Sat.1-Serie „Richter Alexander Hold“ bekannt gewordenen Lenßen bis vor kurzem völlig fremd: „Dass es Kinder gibt, die mit halben Herzen geboren werden, wusste ich gar nicht.“

Bis der Jurist mit dem markanten Schnurrbart Ende Mai bei Thüringens größtem Benefizgolfturnier - die „Thüringer Charity Open“ in Erfurt – mit Steffi Sänger in einem Team zusammen spielte. „Am Loch zwei machten wir uns bekannt und ich erfuhr von Steffis Tochter und was es mit dem Fontanherzen auf sich hat“, erzählt der 58-Jährige, wie sich das Kennenlernen zugetragen hat. „Am Loch zehn hatte Steffi meine Zusage, dass ich meinen Besuch in Magdeburg, bei dem ich mein neues Buch vorstelle („Ungerechtigkeit im Namen des Volkes“/d. Red.), auch dazu nutze, um aus ihrem Büchlein vorzulesen.“

Gesagt, getan: In einem familiären Kreis aus Betroffenen sowie Mitgliedern und Unterstützern des Vereins Fontanherzen, umrahmt vom Ziegelstein-Gewölbe des Culinaria unterhalb des Domfelsens, gab Lenßen dem Buchhelden „Leo Fontano“ - und damit den vielen Fontanherz-Kindern im Land, (s)eine Stimme. Und das tat der beliebte Fernseh-Anwalt, eindringlich, gefühlvoll und mit viel Empathie. „Ich habe selber einen 19-jährigen Sohn. Dass er gesund und munter ist, weiß man in solchen Momenten erst wieder richtig zu schätzen. Und es wird einem vor Augen geführt, wie trivial zum Beispiel schlechte Noten sind.“

Von Anfang bis Ende der Kurzgeschichte hingen die großen und kleinen Zuhören an Lenßens Lippen - allen voran die beiden herzkranken Kinder. Neben Lara war nämlich auch Klara Wolff ganz Ohr. Die Fünfjährige aus Gersdorf war mit ihren Eltern, der großen Schwester sowie den Großeltern zur Lesung gekommen. Und so erfuhr der prominente Fachanwalt für Strafrecht, den viele Fragen zum Thema umtrieben, aus erster Hand von den Sorgen und Nöten, die der Alltag von Menschen mit einem Fontanherzen mit sich bringt. Und wie wichtig es ist, dass in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit für eine seltene Erkrankung geweckt wird.

„Das Unverständnis ist groß. Oft hören wir, dass wir mal nicht so übertreiben sollen. Dass Problem ist aber, dass die Narben und das Leid, die unsere Kinder tragen, unsichtbar sind. Man sieht es ihnen auf dem ersten Blick einfach nicht an, wie schwer krank sie tatsächlich sind“, schüttet Karas Mutter, Beate Wolff, ihr Herz aus.

Das lebenslange Handicap bleibe auch nach der lebensbringenden OP des Herzens: „Die Kinder und später auch die Erwachsenen sind nicht voll leistungsfähig.“ Und alles, was mit der Problematik halbes Herz zusammenhänge, bringe auch die gesamte Familie an die Grenzen. Mal ganz abgesehen von den Kosten. „Jede Reha, jede Kostenübernahme, jede Erleichterung des Alltags - alles ist ein harter Kampf.“

Steffi Sänger, die als 1. Vorsitzende des Fontanherzen-Vereins auch unermüdlich für die Herz-Forschung kämpft, ergänzt: „Es ist einfach noch sehr viel Aufklärungsarbeit nötig, damit die Menschen begreifen, dass es eben nicht mit der eigentlichen Operation getan ist.“ Die Probleme, die ein Leben mit dem Fontankreislauf mit sich bringt, seien komplex. „Herz, Lymphsystem, Lunge, Leber - da hängt vieles zusammen. Deshalb wäre eine intensivierte Forschung auf dem Gebiet Fontanherzen auch so sinnvoll, denn Investitionen in Studien und Projekte kämen am Ende allen zugute.“

In Ingo Lenßen haben Lara, Klara und all die anderen kleinen Kämpfer mit Löwenherz einen neuen Freund und Unterstützer dazugewonnen: „Jedes Kind und erst recht solche mit einem so schweren Herzfehler, sind es wert, dass man sich für sie stark macht.“