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Grundschule Streit ums Rad bleibt Thema in Magdeburg

Der Radfahrstreit an der Grundschule "Am Grenzweg" bleibt Thema in Magdeburg. Der Schulausschuss diskutierte erneut darüber.

Von Ivar Lüthe 16.01.2020, 00:01

Magdeburg l In den vergangenen Tagen berichtete die Magdeburger Volksstimme über die dringende Empfehlung aus der Grundschule Am Grenzweg, dass Erstklässler nicht mehr mit dem Fahrrad zur Schule kommen sollten. Nachdem das Thema inzwischen bundesweit und unter anderem auch in Österreich medial aufgegriffen worden war, war es am 14. Januar 2020 erneut Thema im Ausschuss für Bildung, Schule und Sport des Magdeburger Stadtrats.

Ausschussvorsitzender Christian Hausmann (SPD) hatte dabei deutlich gemacht, dass er die von Jürgen Canehl (Bündnis 90/Die Grünen) durch dessen Äußerungen im vorherigen Ausschuss verursachte überregionale Aufmerksamkeit für unglücklich hält: „Magdeburg wird damit wieder einmal in ein schlechtes Licht gerückt.“

Jürgen Canehl seinerseits verwies darauf, dass der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) zurzeit rotiert: An einigen Stellen sei der falsche Eindruck vermittelt worden, dass er die Entscheidung der Schule unterstütze. Und dabei sei eher das Gegenteil der Fall: Gerade das begleitete Fahren mit dem Fahrrad, wie es auch in der ersten Klasse denkbar sei, bringe die Kinder in Sachen Fahrsicherheit voran. Daher müsse man eher überlegen, das Gelände um die Grundschule mit einem Fahrverbot für die Zeiten kurz vor Schulbeginn zu belegen, um die Elterntaxis auszubremsen.

In einem Brief hatte sich der Vater von Kindern an der Schule an Jürgen Canehl gewandt. In diesem Brief wird die Vermutung geäußert, dass es in Wirklichkeit bei der Entscheidung gar nicht um die Sicherheit der Kinder gegangen sei, sondern darum, dass Schüler mit Fahrrädern Fahrzeuge auf Stellplätzen auf dem Schulhof beschädigt hätten. Die Schulleitung hatte bereits zum ersten Bericht der Volksstimme einen solchen Zusammenhang zurückgewiesen.

Christian Hausmann zeigte sich derweil weniger überzeugt von einfachen Lösungen: „Wir haben immer wieder versucht, Elterntaxis einzudämmen.“ Und zwar auch vor anderen Schulen und oft nur mit begrenztem Erfolg. Auf jeden Fall müsse man Verständnis für die Schulleitung aufbringen.

Das sieht auch Dennis Jannack (Die Linke) so: „Im Internet gibt es inzwischen Angriffe auf die Schulleitung, die absolut zurückzuweisen sind.“ Und: An anderen Schulen gebe es ähnliche Empfehlungen. Und wenn es Empfehlungen von Verkehrswacht und Unfallkasse gebe, dann seien die ernst zu nehmen. Und was die Grundschule Am Grenzweg angehe, so gehe die Schule positiv an das Thema heran: Ab der 2. Klasse ist es mit Einwilligung der Eltern dort ja erlaubt, dass Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Sinnvoll sei es vielleicht, eine Kampagne auf den Weg zu bringen, in der Familien darüber informiert werden, welche Vorteile es für ihr Kind bringt, nicht mit dem Auto zur Schule gebracht zu werden.

Einige Mitglieder des Schulausschusses möchten das Thema weiterverfolgen. Unter anderem einige Stadträte möchten sich jetzt vor der Schule morgens ein Bild von der Situation machen. Auch in der Arbeitsgruppe Gemeinwesenarbeit soll das Thema aufgegriffen werden. Grundsätzlich, so der Hinweis von Jürgen Canehl, könne eine Schule übrigens die Fahrt mit dem Fahrrad nicht verbieten. Es gehe um eine Empfehlung.

Dies unterstreicht auch das Landesschulamt. An der Grundschule „Am Grenzweg“ gebe es kein Fahrradfahrverbot, Verstöße dagegen wären auch nicht sanktionierbar, erläuterte Thomas Redlich, Referatsleiter Grund- und Förderschulen des Landesschulamtes. Es stehe in der individuellen Verantwortung der Eltern, ob sie es zulassen, dass ihre Kinder mit dem Fahrrad den Schulweg bewältigen.

„Es gibt allerdings eine dringende Empfehlung aus der Grundschule heraus, Kinder der ersten Klasse möglichst den Schulweg nicht mit dem Fahrrad zurücklegen zu lassen. Diese dringende Empfehlung wurde mit der Gesamtkonferenz der Grundschule erarbeitet. In der Gesamtkonferenz sitzen Schulleitung, Lehrer und Elternvertreter“, so Thomas Redlich. Der Referatsleiter stellt sich hinter die Entscheidung der Schulleitung: Die Empfehlung der Grundschule „Am Grenzweg“ sei in Betrachtung der konkreten örtlichen Bedingungen getroffen worden, um etwaige, vor allem körperliche Schädigungen der Erstklässler abzuwenden.

Redlich verweist in seiner Stellungnahme auf die Verkehrssituation im Grenzweg, die Hauptzufahrtstraße besitze keinen Fußweg, auf dem die Kinder gegebenenfalls mit dem Fahrrad fahren könnten. „Von Anwohnern wird hier beidseitig geparkt und gleichrangige Straßen sind hier eingerichtet. Kinder sind oft noch nicht so souverän im Verkehr unterwegs, dass sie Verkehrsregeln, wie rechts vor links, sicher beherrschen und sich auf durch parkende Fahrzeuge verengten Straßen absolut sicher bewegen können“, so der Referatsleiter.

Eltern sollten sich dabei nicht täuschen lassen von den Fähigkeiten, die ihre Kinder auf dem Fahrrad, im Freizeitbereich oder bei begleiteten Familienausflügen, zeigen. Es komme auf die individuelle Entwicklung des Kindes zur Selbstständigkeit an. Nicht umsonst sehe der Lehrplan im Fach Sachunterricht die theoretische und praktische Fahrradprüfung in Klassenstufe 3/4 vor.

„Für uns steht die Sorge um die Schulkinder im Vordergrund. Da wir gegenwärtig die straßenbaulichen und straßenverkehrsrechtlichen Herausforderungen durch die Schule und das Landesschulamt nicht lösen können, regen wir an, dass die Eltern den Empfehlungen aus der Schule heraus folgen“, so Redlich. Wie andere Schulen mit der Problematik umgehen, darüber gebe es beim Landesschulamt keine statistische Erfassung. „Vielmehr vertrauen wir, dass Schulen hier unter Einbeziehung aller schulischen Gremien verantwortungsvoll im Interesse der ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler entscheiden“, erklärte der Referatsleiter.

Von der Stadtverwaltung Magdeburg hieß es zu der Problematik, dass man als Schulträger keinen Einfluss auf inhaltliche Ansagen – das sei Sache des Landesschulamtes – und auch auf verkehrsrechtliche Anordnungen, die der oberen Straßenverkehrsbehörde vorbehalten sind, habe. „Die Landeshauptstadt kann lediglich an die Eltern und die Schulleitung appellieren, gegenseitige Rücksichtnahme zu praktizieren und bittet, dass alle Seiten darauf achten, dass auf dem Schulweg niemand behindert wird – weder die Kinder, die zu Fuß beziehungsweise mit dem Rad kommen, noch diejenigen, die mit dem elterlichen Pkw gebracht werden“, hieß es aus dem Rathaus.

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Magdeburg fordert unterdessen, langfristig für alle Schulen in der Stadt sichere Schulwegskonzepte zu entwickeln, mit denen gewährleistet wird, dass alle Kinder ihre Schule sicher mit dem Rad oder zu Fuß erreichen können. „Besonders vor dem Hintergrund des bedrohlichen Bewegungsmangels bei Kindern, der positiven Effekte des Radfahrens auf die schulischen Leistungen, aber auch der Gestaltung einer klimaneutralen und sicheren Stadt, sollte es das Ziel sein, dass so viele Kinder wie möglich zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen können“, so Norman Dreimann, Vorsitzender des ADFC Magdeburg.