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Heimatgeschichte Das Ravelin diente einst als Notunterkunft

Im Ravelin in Magdeburg wohnten bis Ende der 1950er-Jahre mehrere Familien in Notwohnungen.

29.08.2016, 01:01

Magdeburg l Das Ravelin an der Maybachstraße steckt voller Geschichte. Vor 140 Jahren gebaut, wurde die Festungsanlage vor allem militärisch genutzt. Dass in den Gewölben nach den verheerenden Bombenangriffen auf Magdeburg im Zweiten Weltkrieg gut 15 Jahre mehrere Familien in Notwohnungen lebten, ist in Vergessenheit geraten.

Zwei der Bewohner von einst sind Ruth Miedlig (84) und Gerhard Impe (83). Die beiden Freunde wohnten bereits in den Fachwerkhäusern an der Maybachstraße Tür an Tür. Als diese zerstört wurden, suchten ihre Familien Unterschlupf in den Kasematten des Ravelins. Auch in den Gewölben wohnten beide nebeneinander. Bis heute sind sie miteinander befreundet und treffen sich regelmäßig.

„Mit uns lebten hier vielleicht noch 15 bis 16 andere Familien“, erinnert sich Gerhard Impe. Jeder hatte damals sein eigenes kleines Gewölbe. Ein Raum pro Familie. Darin standen Betten und ein Ofen. „Wohnungen gab es damals ja nicht. Und bei den Angriffen wurde alles zerstört. Wir haben gesehen, wie unser Haus abbrannte“, sagt Gerhard Impe, der gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester im Ravelin wohnte.

Bis mindestens Ende der 1950er-Jahre wohnten Familien in der Festungsanlage. „Wir hatten ein Dach über dem Kopf und das war das Wichtigste“, sagt Ruth Miedlig. Sie nahm kürzlich an einer Führung durch das Ravelin teil. Als dann erzählte wurde, dass hier einmal Notwohnungen waren, sagte sie, dass sie selbst mal in einer gewohnt habe. „Da habe ich Gänsehaut bekommen. Auf einmal wird Geschichte real“, sagt Rüdiger Stefanek vom Sanierungsverein Ravelin 2. Er ist ständig auf der Suche nach Zeitzeugen und historischem Material. Berichte wie die von Gerhard Impe und Ruth Miedlig sind für ihn Gold wert. „Das ist Stadtgeschichte. Es ist wichtig, dass das festgehalten wird“, sagt er.

So sind es vor allem einzelne Erinnerungsstücke, die durch das Erzählen wiederkommen. Für die Bewohner gab es beispielsweise fließendes Wasser im Festungshof. Dort standen auch die Plumpsklos. „Ich kann mich auch noch gut an die vielen Flüchtlinge im Hauptbahnhof erinnern“, sagt Ruth Miedlig. Die Menschen hätten damals aufgereiht nebeneinander gelegen. „Da war man froh, selber ein Dach über dem Kopf zu haben“, sagt sie.

Ausgezogen seien sie und ihre Eltern erst, als man 1957 eine Wohnung an der Gagernstraße in Stadtfeld bekam. Ähnlich war es bei Gerhard Impe. Die Notwohnung im Ravelin verließ er, als er heiratete und mit seiner Frau eine neue Wohnung fand.

Wer heute die Kasematten besichtigt, entdeckt allerdings nur noch wenige Details, die auf die einstige Nutzung als Notunterkunft schließen lassen. In den Bögen sieht man etwa noch, wo die Räume einst voneinander getrennt waren oder wo sich die Türen befanden. Auch die Stelle, wo der Ofen stand, sieht man noch gut. Die Dielen sind allerdings nicht mehr vorhanden. „Wie die Zeit vergeht. Dass das alles schon wieder so lang her ist, kann ich gar nicht glauben“, sagt Gerhard Impe. Er und Ruth Miedlig, sie sich schon seit Kindertagen kennen, wollen wiederkommen. Für beide war das Ravelin immerhin mehr als ein Jahrzehnt ein Zuhause.