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Hilfsaktion Neue Frisur für Magdeburger Obdachlose

Ein kostenloser Haarschnitt für Obdachlose: Das gab's am 1. Juli 2018 in Magdeburg. Die Barber Angels Brotherhood war vor Ort.

Von Christina Bendigs 01.07.2018, 19:59

Magdeburg l Jonas Harms ist selig: Als ihm Friseurmeisterin Cathrin Gruhn die Haare wäscht, schließt er die Augen und genießt die damit verbundene Kopfmassage in vollen Zügen, trotz des Medienrummels um ihn herum. Er ist obdachslos, seit langer Zeit nicht mehr bei einem Friseur gewesen. „Wenn sich die Gelegenheit mal ergab, haben mir Freunde oder Bekannte mal die Haare geschnitten“, erzählt der gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte. Nun die Haare vom Profi geschnitten zu bekommen, „ist wie eine Fahrt ins Disneyland“, sagt der 33-Jährige, der im Alter von 20  Jahren einen schweren Schicksalsschlag erlitten habe, von dem er sich nie ganz erholt habe. Seit 2014 ist er obdachlos. Am schwierigsten sei für ihn, dass es keinen Rückzugsort gebe, kein Bett, und dass er oft nicht satt werde. Körperpflege sei irgendwann zweitrangig, sagt er.

Gesichter wie jenes von Jonas Harms sind der Grund, warum sich Cathrin Gruhn der Barber Angels Brotherhood angeschlossen hat. Es handelt sich dabei um einen eingetragenen Verein. Friseure schenken Obdachlosen und Bedürftigen einen Haarschnitt. Cathrin Gruhn ist es zu verdanken, dass die Initiative von Claus Niedermaier aus Biberach an der Riß erstmals in Sachsen-Anhalt zu Gast ist. „Ich bin ein gesunder Mensch, ich habe meine Arbeit, mein Auskommen, zwei gesunde Kinder, ein Enkelkind, und das zweite ist unterwegs“, erzählt sie, „und ich finde es unheimlich schön, Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und ihnen zu zeigen, dass sie nicht am Rand der Gesellschaft stehen, sondern mittendrin.“ Ihr erster Einsatz war im März als Gast-Angel – bei minus zehn Grad Celsius in Hannover. Danach stand für sie fest: „Ich will ein Barber-Angel werden.“ Das klare Ziel: die Aktion auch nach Sachsen-Anhalt zu holen. Inzwischen ist sie Centurio für Sachsen-Anhalt und leitet die hiesigen Aktionen.

Die Kluft in Schwarz und mit Lederweste soll die Hemmschwelle senken. „Wenn wir die Sachen tragen würden, die wir im Salon anhaben, würden die Menschen uns wahrscheinlich nicht so offen gegenübertreten“, vermutet sie. Oft kommt sie mit ihren Gästen auch ins Gespräch, erfährt deren Lebensgeschichte. Mit ihr sind weitere Friseure aus Braunschweig, Biberach und Hannover zu Gast. Auch Niels Kauffeld gehört zu ihnen. „Ich war selbst mal zwei Jahre obdachlos“, erzählt er aus seinem eigenen Leben. Ein Freund und Arbeitgeber gab ihm schließlich einen Job als Fahrradkurier, und von da an ging es wieder aufwärts.

Nun steht Niels Kauffeld mit Marius Sowislo zusammen. Der ehemalige Kapitän des 1.  FC Magdeburg erfuhr durch Cathrin Gruhn von der Aktion und wollte gern auch helfen. Er band sein Netzwerk ein und half mit, dass die Friseure fit am Hauptbahnhof standen. Gebrauchte, aber gut erhaltene Sachen aus dem eigenen Kleiderschrank sortierte er im Vorfeld der Aktion aus und brachte sie mit. „Wir schmeißen nie etwas weg, das noch gut erhalten ist“, erzählt er. Stattdessen gebe er es an Vereine und Organisationen ab, die anderen helfen. Dabei achtet er darauf, dass die Sachen noch gut in Ordnung sind: „So viel Respekt sollte man den Menschen auch entgegenbringen.“

Und es zeigte sich, dass nicht nur Obdachlose das Angebot in Anspruch nehmen. Andreas Zasko aus Oschersleben war auch vor Ort. Er beziehe Hartz-IV, erzählt er. Obdachlos sei er nicht. Aber sein Budget sei so eng bemessen, dass er den Friseurbesuch schon vier Monate vor sich hergeschoben habe.

Cathrin Gruhn will die Aktion im Abstand von zehn bis zwölf Wochen wiederholen und sie in Sachsen-Anhalt ausbreiten. Friseure, die sich einbringen wollen, können als Gast-Angels dabei sein und dann entscheiden, ob sie weitermachen wollen. Aber auch wer kein Friseur ist, kann helfen. Cathrin Gruhns Ehemann zum Beispiel hilft auch mit. Aber auch finanziell können Interessenten die Initiative unterstützen. Gründer Claus Niedermaier würde sich freuen, wenn er andere Berufsgruppen inspirieren könnte, auch einmal im Monat drei Stunden ihres Handwerks Menschen zur Verfügung zu stellen, die es nicht so gut haben im Leben.

Kontakt und Spendenkonto im Internet unter www.b-a-b.club