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Hospizarbeit Wo letzte Wünsche wahr werden

Ein letztes Mal im Meer baden - das macht der Arbeiter-Samariter-Bund mit seinem Wünschewagen möglich, der in Magdeburg eingeweiht wurde.

Von Franziska Ellrich 09.08.2018, 17:30

Magdeburg l Tim ist vier Jahre alt. Er hat schwere Probleme mit dem Herzen und der Lunge, ist auf ganz viele Hilfsmittel angewiesen. Keiner weiß, wie lange Tim noch am Leben sein wird. Er war schon mehrmals im Kinderhospiz, wird palliativ versorgt. Der Vierjährige war noch nie im Urlaub, hat noch nie das Meer gesehen. Bis vor wenigen Wochen. Denn seit Mai 2018 gibt es in Sachsen-Anhalt den Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Und der kleine Magdeburger Tim war der erste Fahrgast.

Der Vierjährige kann nicht über einen längeren Zeitraum sitzen und muss liegend transportiert werden. Mit dem Wünschewagen – von außen ähnelt er einem Rettungswagen, von innen sieht es ganz anders aus – wurde ein Ausflug an die Nordsee jetzt möglich. Gemeinsam mit seiner Mama Viktoria Herrforth wurde der schwerkranke Tim an die Nordseeküste gefahren.

Dort haben die Beiden zehn Tage Urlaub verbracht und wurden wieder abgeholt. „Das war unglaublich toll. So konnten wir unseren einzigen und eventuell letzten Urlaub zusammen machen“, sagt Viktoria Herrforth.

Sie war am 9. August 2018 dabei, als der Wünschewagen festlich auf dem Alten Markt in Magdeburg eingeweiht wurde. In dem rund 100.000 Euro teuren Wagen gibt es bequeme Sitze, die gedreht und in Liegeposition gebracht werden können, ein Bett, einen leuchtenden Sternenhimmel, verspiegelte Panoramafenster, eine Musikanlage und sogar einen Fernsehbildschirm.

Wenn der Wünschewagen mit den totkranken Menschen an Bord unterwegs ist, sind auch immer ein Notfall- oder Rettungssanitäter sowie ehrenamtliche Begleiter dabei.

Um genau diese Unterstützung durch Ehrenamtler geht es am Donnerstag auch Ministerpräsident Rainer Haseloff. Er ist Schirmherr und macht deutlich: „In dieser Phase des Lebens müssen die Menschen zusammenstehen.“ Das Miteinander sei dann besonders wichtig. Mehr als 20 Wünschewagen gibt es bereits deutschlandweit, gebaut wurden sie alle von einer Firma in Schönebeck.

„Sterben tun wir alle“, sagt Franz Müntefering, der Präsident des ASB. Er macht deutlich: „Wir müssen uns Gedanken machen, wie die Menschen auf diesem letzten Abschnitt Lebensqualität erfahren.“

Für Oberbürgermeister Lutz Trümper können genau diese Dinge, wie eine letztes Mal ans Meer fahren, die durch den ASB-Wünschewagen wahr werden, das Richtige in der Situation sein, wenn ein Mensch stirbt. Sechs Reisen wurden mit dem Sachsen-Anhalter Wagen, der seinen Standort bei der Magdeburger ASB-Rettungswache hat, bereits unternommen.

Alles Geschichten, die unter die Haut gehen: Da ist der 18-jährige Adrian, der im Hospiz in Dessau lebt und unter Muskelschwund leidet. Er wollte noch ein letztes Mal in der Ostsee baden.

Da ist der 92-Jährige, der derzeit im Krankenhaus in Köthen liegt und noch ein letztes Mal seine Frau treffen möchte, die im Krankenhaus in Flechtingen behandelt wird. Da ist der Ausflug zum Schloss Weißenfels, das noch ein letztes Mal besichtigt werden will.

Wer so einen letzten Wunsch hat oder Angehörige davon wissen, kann sich an Koordinatorin Luisa Garthof vom ASB wenden. Sie erklärt: „Wir besuchen denjenigen dann vor Ort und sprechen mit seinen Ärzten.“ Schließlich müsse das Ganze auch medizinisch noch möglich sein. Dafür würden alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Manchmal nehme die Organisation von der Anfrage bis zur Wunscherfüllung drei Wochen in Anspruch. Allerdings: In der Regel liegt der Zeitraum bei nur einer Woche. „Wir wissen, dass es schnell gehen muss“, sagt Luisa Garthof. In den wenigen Monaten hat sie mit ihren Kollegen bereits die Erfahrung gemacht: Einige Wünsche konnten nicht mehr in die Tat umgesetzt werden.