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Hygiene Uni-Klinikum Magdeburg kämpft gegen Keime

Durch zügellosen Einsatz von Antibiotika entwickelten sich multiresistente Keime. Das Uni-Klinikum Magdeburg nimmt den Kampf dagegen auf.

Von Peter Ließmann 02.09.2018, 11:00

Magdeburg l Es ist 10 Uhr. Im Arztzimmer der Anästhesie-Intensivstation im Uni-Klinikum Magdeburg treffen sich Krankenhaus-Hygieniker Prof. Dr. Gernot Geginat, Klinik-Pharmakologe Dr. Uwe Tröger und der Oberarzt der Station, Dr. Torben Esser. In dem Treffen geht es nur um eines: Antibiotika.

Jeder einzelne Patient der Station wird besprochen. Ziel der wöchentlichen Beratung ist es, die Antibiotikagabe für jeden Patienten zu optimieren. So viel wie nötig, so wenig wie möglich, ist das Prinzip dabei. „Wir wollen nicht einfach nur an Antibiotika sparen, um die Kosten zu senken, sondern für jeden Patienten genau das richtige Antibiotikum finden, das ihm bei seiner Erkrankung auch wirklich hilft“, sagt Prof. Geginat, Leiter des Bereichs Krankenhaushygiene und Antibiotic Stewardship am Institut für medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Uniklinikum.

Der eigentlich segensreiche Helfer „Antibiotikum“ ist in den vergangenen Jahren in Verruf geraten. Der Grund: Zu viel und vor allem auch sinnlos verordnete Antibiotika haben dazu geführt, dass sich sogenannte „multiresistente Keime“ gebildet haben, gegen die fast kein Antibiotikum mehr hilft. Besonders auf den Intensivstationen, auf denen schwerstkranke Menschen behandelt werden, eine Horrorvorstellung.

Das Uni-Klinikum Magdeburg hat darum bereits vor einigen Jahren den Kampf gegen multiresistente Keime aufgenommen. Dabei spielen drei Strategien eine entscheidende Rolle: die Keime beim Patienten finden, ein Antibiotikum nur noch nach vorheriger genauer Diagnose gezielt verordnen und Hygienemaßnahmen.

Um die multiresistenten Keime bei den Patienten zu finden, werden alle Patienten der Intensiv- und noch einiger Spezialstationen während ihres Aufenthalts auf den Stationen in engen Abständen auf Keime untersucht. „Das passiert vor allem mit Abstrichen von der Nasenschleimhaut, im Rachenraum und im Afterbereich, da dort die Keime zu finden sind“, so Prof. Geginat.

Die Abstriche werden dann mikrobiologisch im Labor untersucht. Wird bei einem Patienten ein multiresistenter Keim nachgewiesen, wird er möglichst von anderen Patienten isoliert, und falls eine Infektion vorliegt, die behandelt werden muss, beginnt die Suche nach einem Antibiotikum, das noch wirkt.

Und es werde auch untersucht, ob der Patient den Keim schon mit ins Uni-Klinikum gebracht hat oder sich erst dort damit angesteckt hat. Wenn Letzteres der Fall sein sollte, muss möglichst rasch in Erfahrung gebracht werden, wie das passiert sein könnte, um weitere Ansteckungen zu verhindern.

Alarm ist angesagt, wenn sich zwei oder mehr Patienten auf der gleichen Station in einem kurzen Zeitraum infiziert haben. Im schlimmsten Fall muss die betroffene Station dann zeitweise für Neuaufnahmen von Patienten geschlossen werden.

Um die Entstehung und Ausbreitung von multiresistenten Keimen beim Menschen zu minimieren, findet die beschriebene genau kontrollierte Verordnung von Antibiotika statt. „Damit haben wir in den vergangenen Jahren am Uni-Klinikum schon gute Erfolge erzielt, und auch in der Ärzteschaft hat sich das Problembewusstsein dafür durchgesetzt“, sagt Prof. Geginat.

Hygiene ist die dritte Säule der Vorbeugung. Multiresistente Keime können auch, etwa durch Ärzte und Pflegepersonal, von einem Patienten zum anderen weitertransportiert werden. Das sollen klare Hygienevorschriften am Uni-Klinikum verhindern.

Dazu gehört beispielsweise die Handhygiene. Zwischen der Behandlung von zwei Patienten müssen sich Ärzte und Pflegepersonal die Hände desinfizieren. Und auch bei der Behandlung eines einzelnen Patienten gibt es spezielle Handhygienevorschriften. „Zum Beispiel sollte vor dem Entfernen eines Verbandes eine Händedesinfektion erfolgen. Zusätzlich soll aber auch noch nach der Abnahme des Verbandes, bevor an der Wunde manipuliert wird, eine Händedesinfektion erfolgen und ebenfalls am Ende der Arbeit“, so Prof. Geginat.

Die Mitarbeiter der Krankenhaus-Hygiene überwachen die Einhaltung der Handhygienevorschriften. „Wir gehen regelmäßig auf die Stationen und beobachten die Mitarbeiter, wie sie mit der Handhygiene umgehen“, berichtet Hygienefachkraft Jessica Ziegler. Anschließend findet eine Auswertung statt und wenn nötig spezielle Schulungen.

Die Krankenhaushygiene-Abteilung am Uni-Klinikum hat fünf hauptamtliche Hygienefachkräfte und drei Ärzte. Dazu kommen noch 170 Hygienebeauftragte in den Kliniken und auf den Stationen. „Das ist schon eine gute Ausgangssituation, um die Ausbreitung von multiresistenten Keimen zu bekämpfen“, meint Prof. Geginat, der auch noch ein spezielles Forschungsprojekt vorstellt.

Auf zwei Intensivstationen des Klinikums werden die Patienten mit speziellen Handschuhen gewaschen. Die Handschuhe haben eine desinfizierende Wirkung. Für jedes Körperteil wird ein eigener Waschhandschuh verwendet, insgesamt zehn. Das Waschen mit Wasser und Seife und das Abtrocknen entfallen bzw. wird nur noch bei groben Verschmutzungen durchgeführt. Anschließend werden die Handschuhe entsorgt.

Die bisherigen Rückmeldungen aus dem Pflegepersonal und auch von Patienten seien positiv. Insgesamt geht die Studie, die vom Universitätsklinikum Leipzig initiiert wurde und an der deutschlandweit mehr als 40 Kliniken teilnehmen, über drei Jahre. Während dieser Zeit werden die Patienten der Stationen auf multiresistente Keime untersucht. „Am Ende wird dann geschaut, wie sich die Keimsituation während des Versuchs verändert hat. Wir hoffen auf gute Ergebnisse“, sagt Prof. Dr. Gernot Geginat.