Käferplage Alternative zur Säge

Die Bekämpfung des Asiatischen Laubholzbockkäfers in Magdeburg mittels Säge ist nicht alternativlos.

Von Katja Tessnow 10.09.2016, 01:01

Magdeburg l „Soll Rothensee ein Stadtteil ohne Bäume werden?“ Diese Frage brachte die Anwohnerin Brigitte Kuhnert im August im Stadtrat vor. Die Frau war den Tränen nahe und sie sprach im Namen Tausender Rothenseer.

Sie lebten traditionell neben Industrieanlagen. Sie seien bis heute schwer flutgeschädigt, zum Beispiel durch den eingeschränkten Straßenbahnbetrieb. Nun fielen auch noch Tausende gesunder Bäume, weil der Asiatische Laubholzbockkäfer (ALB) nur hier und da auftauche, aber die EU eine „Rasur“ im 100-Meter-Radius befehle. „100 Meter, Sie müssen sich das mal vorstellen“, stöhnte Kuhnert ins Ratsmikrofon und fragte, ob es nicht doch Alternativen gebe.

Fast 7000 überwiegend gesunde Bäume in Rothensee und im Wiesenpark des Herrenkrugs sind bisher der Käferbekämpfung in Magdeburg zum Opfer gefallen. Weitere Fällungen sind angekündigt. Die Zahl der tatsächlichen Käferfunde beläuft sich seit 2014 auf 37.

Oberbürgermeister Lutz Trümper gab im Stadtrat zu Protokoll, die Wut der Rothenseer zu verstehen, sogar zu teilen, im Weiteren aber machtlos zu sein: „Die Stadt entscheidet hier nicht, sondern eine Landesbehörde.“ Unwidersprochen blieb aber auch ein Statement von Oliver Wendenkampf, future-Stadtrat und Landesgeschäftsführer des BUND. Er konstatierte, dass es sehr wohl mit EU-Recht vereinbar sei, nur Bäume mit Käferbefall zu vernichten. Für Bäume im Umfeld sei Überwachung die Alternative. Im Stadtrat schwieg die Verwaltungsspitze kopfschüttelnd zur Aussage und betonte einmal mehr, dass sie nicht zuständig sei.

Die Volksstimme fragte bei der mit der Käferbekämpfung befassten Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Bernburg nach und wartete zunächst wochenlang auf Antwort. Auf mehrfaches Nachbohren erreichte die Redaktion eine Stellungnahme des Abteilungsleiters Ulrich von Wulffen. Er verweist auf einen Anhang zum Durchführungsbeschluss der EU-Kommission zum Umgang mit der Käferplage.

Als Maßnahme der Wahl werde dort die „Fällung aller spezifizierten Pflanzen innerhalb eines Umkreises von 100 Meter Radius um befallene Pflanzen“ angeordnet. So ist es aktuell Praxis in Magdeburg. Allerdings lässt der EU-Beschluss auch das Absehen von Fällungen zu. Von Wulffen beschreibt, welche Schritte dazu nötig sind. „Bevor man in einer Fällzone einzelne Bäume stehen lässt, muss – in der Regel durch den Flächeneigentümer (d. h. im Regelfall die Stadt Magdeburg) – der besondere Wert eines Baumes festgestellt werden.“

Tatsächlich müsste also die Stadt aktiv werden und kann nicht allein aufs Land verweisen, wollte sie Fällungen abwenden. Aus dem EU-Beschluss lässt sich ableiten, dass ein „besonderer Wert“ nicht nur Baumdenkmalen wie denen im Herrenkrug bescheinigt werden kann, sondern auch Bäumen, deren Erhalt aus „gesellschaftlichen“ Gründen geboten ist.

Jedoch, so von Wulffen, sei sehr aufwendig, was im Fall der Nicht-Fällung zu tun ist. „Diese Einzelbäume müssen engmaschig im 14- bis 28-tägigen Rhythmus detailliert beschaut werden. Bei höheren Bäumen ist dies nur noch mit Hilfe von Hubsteigern oder Seilkletterern möglich.“ Im Durchschnitt fielen pro Baum Kosten von 1500 bis 3000 Euro pro Jahr an.

Für den Herrenkrugpark ziehe die Stadt den Schutz von Einzelbäumen mittels solcher Maßnahmen in Betracht und erarbeite einen entsprechenden Plan. In Gesprächen mit der Stadt sei aber auch klar geworden, so von Wulffen, dass eine flächendeckende Anwendung der Ausnahme-Regel „nicht darstellbar ist“, soll heißen, nicht finanzierbar.

Auch von Wulffen selbst schließt einen massenhaften Baumschutz per Monitoring aus: „Auch wenn Stadt und Land unbegrenzt Gelder zur Verfügung hätten, scheitert eine flächenhafte Anwendung schon daran, dass hierfür in Sachsen-Anhalt nicht genügend Personal (Seilkletterer) verfügbar ist.“