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Konzert Solange die Blutwerte stimmen

Mit einem Unplugged-Konzert hat die Ostrock-Gruppe „City“ am Sonnabend das Publikum in der Johanniskirche begeistert.

Von Christina Bendigs 16.01.2017, 00:01

Magdeburg l Seit 45 Jahren stehen sie auf der Bühne und kein Ende ist in Sicht: „Wir machen weiter, solange unsere Blutwerte stimmen und jeder von uns seine Tabletten regelmäßig nimmt“, versprach Sänger Toni Krahl am Sonnabend in der nahezu ausverkauften Johanniskirche. Gefeiert wurde jedoch nicht das 45-jährige Bestehen der Band. „Das klingt ja so nach alten Männern“, sagte Krahl, er ist Jahrgang 1949. Stattdessen gibt es einen anderen Geburtstag, einen ganz besonderen, in dessen Zeichen das City-Jahr 2017 steht. Vor 40  Jahren schaffte die Band mit „Am Fenster“ ihren musikalischen Durchbruch. Dem Erfolg dieses Liedes war es zu verdanken, dass „City“ 1978 in Hamburg spielen durfte und die Ostrocker schon lange vor der Wende den Westen eroberten. Klar, dass damals auch ein Besuch auf der Reeperbahn auf dem Programm stand – samt Lüften des Geheimnisses, was in den Hotels rund um die Meile so alles geschieht. Schlagzeuger Klaus Selmke wurde erst mal vorgeschickt. Und er erzählte, dass er zunächst Autogramme schreiben musste. Denn in allen Zimmern sei die Platte „Am Fenster“ gelaufen. Was außerdem noch geschah, bleibt Klaus Selmkes Geheimnis, kann vom Magdeburger Publikum aber zumindest erahnt werden. Denn die Erlebnisse haben die Musiker in einem reinen Instrumentalstück vertont, das sie am Sonnabend auch in Magdeburg zum Besten gaben.

Unplugged standen die Ostrocker, die als Band Höhen und Tiefen erlebt haben, auf der Bühne – mal nachdenklich, mal fröhlich, mal witzig, mal politisch korrekt, und am Ende eines gelungenen Ausfluges mit einigen Anekdoten aus der Bandgeschichte dann auch noch mal richtig laut und rockig, so dass es das Magdeburger Publikum nicht mehr auf den Stühlen hielt.

Die Band sei ein Spiegel der Zeitgeschichte, hat Toni Krahl einmal gesagt. Und so präsentierte sie ein Lied mit Gänsehautstimmung, das angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage vor allem eines zum Ausdruck brachte: den Wunsch nach Frieden. Nicht einen Tag seit der Geburt Jesu Christi habe es gegeben, an dem Frieden in der Welt herrschte, sagte Krahl. Daher stimmten die Musiker „die Mutter aller Friedenslieder“ an: „Sag mir wo die Blumen sind“, mit einem Gruß an Bob Dylan zum Abschluss – „Die Antwort bringt der Wind“.

Vor allem der erste Teil des Konzertes war eher gediegen. Krahl und seine Kollegen machten es sich auf Hockern fast gemütlich auf der Bühne. Warum auch nicht – denn so schufen die Musiker trotz Hunderter Besucher im Saal eine intime Atmosphäre. Nach „Sind so kleine Hände“, einem Song der Liedermacherin Bettina Wegner, wurde es dann aber etwas lockerer und Krahl ließ seinem Humor freien Lauf. Anhand eines Frühstückseis erklärte er die Probleme zwischen Männern und Frauen und wie das Ei als Indikator für den jeweiligen Beziehungsstatus genutzt werden kann. „Lieben und lieben lassen“ ist Krahls Devise. Und: „Der Trend geht zur Drittehe.“ Als „Realitätsverweigerer“, wie Krahl sich bezeichnete, wird er über so manches wohl hinwegsehen können. Und ob nun Tief Egon Deutschland in ein weißes Winterland verwandelt oder nicht, für City heißt es 365 Tage im Jahr: „Es ist immer noch Sommer“. Ein bisschen sommerliche Wärme brachten die Musiker der 1972 gegründeten Band mit ihrer Musik auch in die Johanniskirche. Etwas „unterhopft“ verabschiedeten sie sich dann aber erst einmal in die Pause, ehe Selmke, Krahl, Teufelsgeiger Georgi Gogow, Keyboarder Manfred Hennig, mit Mitte 60 das „Bandküken“, und Gitarrist Fritz Puppel zurückkehrten: mit Hits vom Album Casablanca, dem David-Bowie-Song „Helden“ und anderen mehr.

Wer erwartet hatte, dass der City-Song schlechthin bereits nach der Hamburger Reeperbahn-Geschichte erklingen würde, musste sich lange gedulden. Denn das Beste hoben sich die Musiker für die Zugabe auf. Erst da nahmen sie Georgi Gogow mit seiner fast schon betörenden Geige in ihre Mitte und gaben „Am Fenster“ zum Besten – in der Hoffnung auf ein Wiedersehen bei der nächsten Gelegenheit. Das Magdeburger Publikum dankte mit Standing Ovations und so mancher holte sich für das frisch erworbene Buch „Rocklegenden“ von Toni Krahl oder fürs CD-Booklet noch Autogramme, die die Musiker geduldig schrieben, und sie ließen sich mit ihren Fans fotografieren. Beim Magdeburger Publikum bleibt ein Wunsch zurück: Kommt bald mal wieder!