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Kritik Magdeburger Fahrradstraße als Papiertiger

Knapp ein Jahr nach Eröffnung der Goethestraße in Magdeburg als Fahrradstraße ist die Unzufriedenheit unter Radfahrern groß.

Von Christina Bendigs 16.09.2020, 01:01

Magdeburg l Ist die Fahrradstraße in der Goethestraße gescheitert? Diese Frage dürfte sich so mancher stellen, der dort mit dem Fahrrad unterwegs ist. Zwar nutzen viele Radfahrer die schnelle Verbindung von Magdeburg-Stadtfeld oder Diesdorf in Richtung Innenstadt. Doch nach wie vor dominiert der Autoverkehr das Straßengeschehen. Und so beklagte einer der 15  Besucher des Bürgerdialogs im Baudezernat am Montagnachmittag: „Die Fahrradstraße ist ein Papiertiger. Abgesehen von Schildern und Piktogrammen auf der Fahrbahn hat sich nicht viel verändert.“

Vor knapp einem Jahr, am 18.  September 2019, wurde die Magdeburger Fahrradstraße eröffnet. Die großen Transparente, die an den Zufahrten zur Straße aufgestellt worden waren, wurden aber schnell zerstört – und offenbar ebenso die Träume von Radfahrbegeisterten, die sich eine Verbesserung erhofft hatten.

Während die Verwaltung bei der Versammlung am Montag appellierte, dass sich Autofahrer erst an die mit der Fahrradstraße verbundenen Regeln gewöhnen müssten, fühlen sich Radfahrer nicht ernst genommen, wie sich während der Versammlung, die auch von Vertretern des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs und der Radkultur Magdeburg genutzt wurde, herausstellte. Wenn Radfahrer auf der engen Fahrbahn nach wie vor von Autos überholt werden würden, obwohl für das Überholen von Radfahrern inzwischen ein Mindestabstand von eineinhalb Metern gilt, sollte man nicht mehr über Fahrradstraßen, sondern über autofreie Zonen sprechen, sagte einer der Anwesenden.

Auszuweichen, wenn Autofahrer mit aufheulendem Motor einem Radfahrer folgen würden, wie es der Leiter des städtischen Bauamtes, Matthias Lerm, beschrieb, sei nicht die richtige Lösung. „Das ist eine Drohung, das ist Gewalt“, sagte ein Besucher. Der Staat sei in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass niemand mit solchen Gefahren leben müsse.

Beklagt wurde zudem, dass die Verwaltung zu wenig Kontrollen durchführe. Vor allem Kinder seien gefährdet. Kreuzungen seien zugeparkt, so dass die Straßen schlecht einsehbar seien, Anlieger-Beschränkungen würden nicht eingehalten werden, hieß es von den Vertretern der Radfahrer. Und die Ordnungshüter würden untätig bleiben. Die Radfahrer forderten daher auch, dass die Rechts-vor-links-Regelung aufgehoben werde und den Radfahrern durchgängig die Vorfahrt zu gewähren.

Verwaltung und Polizei sehen die Probleme hinsichtlich der Kontrollen in personellen Möglichkeiten. „Hier müssen wir schauen, wie wir Kapazitäten frei kriegen“, sagte Dieter Scheidemann als Baubeigeordneter. Verkehrszählungen habe es aufgrund der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr nicht gegeben. Die nächsten Zählungen solle es im Herbst geben. Erst dann werde es genaue Zahlen geben.

Allerdings erklärte die Polizei auch, dass es auf der Goethestraße nur sechs Unfälle mit Radfahrer-Beteiligung gegeben habe. Und diese seien nur in einem Fall von einem Autofahrer verschuldet worden. Die Vertreter im Publikumsraum hielten dagegen, dass es aber zahlreiche Fast-Unfälle gebe, die jedoch in keiner Untersuchung aufgegriffen würden. Auch die Verwaltung gab an, eine Studie zu Beinahe-Unfällen nicht auf den Weg gebracht zu haben.

Angeregt wurden von den Besuchern auch Fahrradzonen. „Stadtfeld mit seinen engen Straßen wäre dafür prädestiniert“, fand etwa Thorsten Giefers.

Ein Vertreter des ADAC, der von der Verwaltung eingeladen worden war, berichtete, er habe sich die Fahrradstraße angesehen und diese nicht als Fahrradstraße wahrgenommen. Allein durch die zahlreichen geparkten Fahrzeuge, die an der Goethestraße abgestellt werden, ergebe sich der Eindruck einer von Autos dominierten Straße. Die Auswertung der Erkenntnisse aus der Goethestraße sollte daher ergebnisoffen erfolgen, lautete seine Empfehlung. Die Verkehrsströme müssten ganzheitlich betrachtet werden. Hauptverkehrsrouten für Radfahrer könnten als Nebennetze ausgebaut werden, empfahl er, und betonte, dass er nicht gegen Fahrradstraßen sei.

Ob es Pläne der Verwaltung gebe, die Fahrradstraße wieder zurückzunehmen, wollten die anwesenden Bürger wissen. „Nein“, lautete die Antwort von Dieter Scheidemann. Dennoch müsse die Auswertung abgewartet werden. Einigkeit bestand zumindest darin, dass die Bestrebungen einer Fahrradstraße grundsätzlich gut seien. Die Versammlung endete damit, dass die Magdeburger Radkultur der Verwaltung visualisierte Vorschläge mitgab, wie die Kreuzungen im Bereich der Goethestraße aus Radfahrer- und Fußgängersicht besser gestaltet werden könnten.