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Kunstfestival Afrikanische Gefängniserfahrungen im Knast

Literatur ist ein fester Bestandteil des Festivals Sinnlichkeit im ehemaligen Gefängnis in der Halberstädter Straße 8.

Von Martin Rieß 05.07.2015, 09:38

Magdeburg l Unter dem Titel „African Prison Tales – Afrikanische Gefängniserfahrungen“ liest der Anglist und Politologe Dr. Jürgen Martini am Sonntag, 5. Juli, ab 19 Uhr, auf dem Gelände des einstigen Magdeburger Gefängnisses. Jürgen Martini sagt: „Einer meiner Forschungs- und Lehrschwerpunkte an den Universitäten Bremen, Bayreuth und Magdeburg war die post-koloniale Literatur in englischer Sprache.“ Zur Forschung gehörten dabei nicht zuletzt Besuche in Afrika, vor allem in Nigeria, und die persönliche Begegnung mit Schriftstellern.

Jürgen Martini berichtet: „Ein sehr prägendes Moment sind für mich die Erfahrungen afrikanischer Schriftsteller in den Gefängnissen ihrer Länder gewesen. Ihre Verhaftungen und Verurteilungen waren immer politisch motiviert, ohne jede rechtliche Grundlage.“ Die meisten von ihnen haben in Artikeln und Tagebüchern darüber geschrieben.

Der Wissenschaftler wird kurze Abschnitte vortragen von Wole Soyinka (Literaturnobelpreisträger aus Nigeria), Ngugi wa Thiong‘o aus Kenia, der nach seiner Freilassung ins Exil gezwungen wurde (sein damaliges „Verbrechen“ war, dass er in seiner eigenen Sprache – Gikuyu - für das Volk schrieb), und schließlich Ken Saro-Wiwa aus Nigeria, dem seine Aktivitäten für die Rechte der Nil-Delta-Bewohner in Nigeria (ökologische Verschmutzung der Region durch Shell) zum Verhängnis wurden. Er wurde trotz internationaler Proteste hingerichtet. Ein kurzer Ausblick auf die Erfahrungen schwarzer südafrikanischer Schriftsteller während der Apartheid-Zeit soll die Lesung abschließen. Jürgen Martini kannte und kennt die drei Schriftsteller aus seiner Zeit an der Universität Bayreuth.

Neben der passenden Umgebung für das Thema Haft und Verfolgung ist Jürgen Martini insgesamt vom Veranstaltungskonzept begeistert: „Mich hat von Anfang an das Projekt des Kulturankers interessiert, weil ein für andere Zwecke vorgesehener Raum in einen kulturell nutzbaren Raum verwandelt wird. Das Gebäude strahlt jetzt ein Leben aus, das dem ursprünglichen Zweck zu widersprechen scheint. Aber durch die Konfrontation mit ‚zweckentfremdender‘ Kunst komme ich zu ganz neuen Sichtweisen und Betrachtungsmöglichkeiten von Gefängnis“, sagt der ehemalige Mitarbeiter der Otto-von-Guericke-Universität. Das Kunstprojekt habe bei ihm Erfahrungen aus verschiedenen Arbeitsbereichen an den Universitäten und viele seiner langjährige Rechercheergebnisse wieder zum Leben erweckt. Zwar hat er bislang noch keine Besuche in noch aktiven Gefängnissen absolviert. „Ich werde dies aber bald im Rahmen meiner ehrenamtlichen Schöffentätigkeit am Amtsgericht Magdeburg tun können.“