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UniklinikKlinik-Scheu wegen Corona kann sich rächen

Aus Angst vor Ansteckungen meiden momentan viele Menschen einen Besuch im Krankenhaus. Davor warnen die Magdeburger Ärzte.

Von Steffen Honig 24.02.2021, 15:00

Magdeburg l Dass Patienten aus Angst vor Ansteckung um Krankenhäuser lieber einen Bogen machen, ist eine prägende Corona-Erfahrung. Deutschlandweit gab es in der Pandemie nach Angaben des Chirurgie-Berufsverbandes 30 bis 40 Prozent weniger Operationen. Für Sachsen-Anhalt sollen es demnach über 30 Prozent gewesen sein. Für die Magdeburger Uniklinik gibt es keine Gesamterhebung. Wohl aber einen Wert bei der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie. „In meiner Klinik hatten wir einen Rückgang der Operationen von ungefähr vier Prozent“, sagt Klinikchef Prof. Roland Croner. Als Gründe nennt er eine ganz klare Klassifikation nach Notwendigkeit der onkologischen Eingriffe, die gute Abstimmung mit dem Klinikums-Vorstand und das tägliche Gespräch aller Beteiligten.
In der Neurochirurgie-Klinik, geleitet von Prof. Erol Sandalcioglu, werden u. a. Hirntumore, Fehlbildungen der Gefäße und Wirbelsäulenerkrankungen behandelt. Sandalcioglu sagt: „Im Frühjahr 2020 herrschte eine unheimliche Panik in der Bevölkerung. Es gab Patienten, die gestürzt sind und sich die Halswirbelsäule gebrochen haben und zu Hause geblieben sind. Weil sie Angst hatten, dass sie sich, wenn sie in ein Krankenhaus gehen, so infizieren, dass sie nicht mehr lebend rauskommen.“ Nach deutlich rückläufigen Patientenzahlen im März und April hätte die Klinik im Sommer wieder weitgehend normal gearbeitet. In der zweiten Corona-Welle seien die Zahlen wieder etwa zurückgegangen, aber nicht so stark wie zuvor.
„Wir müssen die Patineten, die einer Behandlung bedürfen auch behandeln“, sagt Sandalcioglu und verweist etwa auf Hirntumore. Chirurgie-Chef Croner nennt Lebertransplantationen als Beispiel. Es gebe Patienten, die keinen Aufschub duldeten, weil sonst der Tumor möglicherweise nicht mehr operabel sei. Die Eingriffe erfolgten immer in enger Absprache mit den Intensivmedizinern, denn diese brauchten die Betten auch für die Corona-Patienten.
Was hat sich verändert in der Klinik? Croner erläutert: „Einmal die Kommunikation zwischen den Kollegen. Wir können keine gemeinsamen Besprechungen abhalten. Das läuft jetzt dezentral mit Kameras in den Arztzimmern. Das macht die Sache zwar nicht einfacher, fördert aber die Digitalisierung.“ Digitalisiert worden seien auch die „Tumorboards“, die Konferenzen des Expertengremiums von Radiologen, Pathologen, Onkologen, Chirurgen und anderen, die die Behandlung des Tumorpatienten festlegen. Croner wertet es als positiven Aspekt, dass diese Dinge vorangetrieben wurden. „Das funktioniert mittlerweile wirklich toll.“
Die Digitalisierungs-Plattformen würden gewiss beibehalten. Ohne Corona hätte es sie in der Kürze der Zeit wohl nicht gegeben. Sandalcioglu meint: „Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir in kürzester Zeit auf Zoom-Konferenzen umschalten musste, das hat auch etwas Gutes.“
An die Patienten appellieren beide Experten, bei Symptomen das Krankenhaus nicht zu scheuen. „Ich glaube die Patienten sind im Moment nirgendwo sicherer als im Krankenhaus“, sagt Neurochirurg Sandalcioglu. Alle Patienten würden getestet: „Sollte jemand tatsächlich positiv sein, läuft hier ein Algorithmus ab, der unvergleichlich ist.“ Chirurgie-Direktor Croner erklärt: „In unserem Sekretariat ist immer jemand erreichbar. Jeder bekommt eine Rückmeldung.“ Auch den direkten Weg ins Uniklinikum müsse niemand scheuen: „Es ist abgesichert wie Fort Knox. Die Hygienemaßnahmen sind strikt. Im OP-Saal operieren wir wie die Astronauten.“