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Magdeburgs Mitte Stadt lässt Architekten freie Hand

Stadtrat Marcel Guderjahn wünscht sich "schönere Fassaden". Das Baudezernat will privaten Bauherren aber keine Vorschriften machen.

Von Katja Tessnow 27.10.2015, 00:01

Magdeburg l „Schnellstmöglich“ und „dringend“ verlangt Guderjahn (parteilos/Linke) die Festlegung von Kriterien, „die einer wachsenden Beliebigkeit innerstädtischer Architektur entgegenwirken“. Historische Baulinien und Fassadensprache im jeweiligen Umfeld sollten aus seiner Sicht dabei zum Tragen kommen. Mit Blick auf viel Schimpf und Schande für die Entwürfe zur Neubebauung im Südabschnitt des Breiten Weges und am Standort „Blauer Bock“ dürfte Guderjahns Forderung in Teilen der Öffentlichkeit auf Verständnis treffen. Im jüngsten Stadtrat erntete sie Kopfschütteln.

SPD-Mann Denny Hitzeroth stößt sich erheblich am Vorwurf der „Beliebigkeit“. Er empfindet die Vielfalt der gerade in der Innenstadt zu Tage tretenden Stile als ein Pfund, mit dem die Stadt wuchern könne. „Ich sehe es als ein Plus an. Wir sollten den Architekten freie Hand lassen.“

Der Grüne Alfred Westphal fragt rhetorisch, ob Guderjahn so etwas vorschwebe, wie eine Plattenbau-Silhouette von Rothensee bis Westerhüsen, alles schön einheitlich, um dann einzulenken: „Eine spezielle Magdeburger Note wünschte ich mir schon, wie etwa in der Gründerzeit. Vor deren Fassaden, zum Beispiel am Hasselbachplatz, stehen wir bis heute und sagen, oh, schön.“ Eine Gestaltungssatzung lehnen die Grünen aber ebenso vehement ab wie die SPD-Fraktion. Für CDU/FDP/BfM räumt der Fraktionsvorsitzende Wigbert Schwenke ein: „Eine Diskussion über das Thema ist gut. Wir hoffen zum Beispiel, dass über die Neubebauung am Blauen Bock noch einmal diskutiert werden wird.“ Für diesen Einwurf erntet Schwenke zustimmenden Beifall von Teilen des Stadtrates, allerdings auch eine Retourkutsche vom Oberbürgermeister.

Lutz Trümper nennt die Debatte über das Antlitz des Neubaus am Bock-Platz „abgeschlossen“: „Die Jury hat entschieden, der Gestaltungsbeirat hat zugestimmt.“ Der oben abgebildete Entwurf der Weimarer Architekten Junk und Reich, siegreich im Wettstreit, wird umgesetzt. Unkenrufen zum Trotz.

Den Todesstoß versetzt der Baubeigeordnete Dieter Scheidemann dem Antrag von Guderjahn mit einer rein formalen Feststellung: „Um eine solche Gestaltungssatzung zu erlassen, bräuchten wir eine Ermächtigungsgrundlage. Die haben wir nicht.“ Nach Änderung der Bauordnung, erlaube deren Paragraf 85 höchstens eine Regelung für historisch geprägte Stadtbereiche, aber nicht für die gesamte Stadt. Heißt: Eine Gestaltungssatzung für den Hasselbachplatz samt gründerzeitlichem Umfeld könnte die Kommunalpolitik, wenn sie denn wollte, schon zum Thema machen.

Derweil soll der im Oktober 2014 installierte Gestaltungsbeirat als beratendes Gremium sozusagen das Schlimmste verhindern. Dessen Vorsitzender, der Potsdamer Architekt Carl Schagemann, war gestern nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Überliefert ist allerdings, dass ihm der öffentlich viel debattierte Junk-und-Reich-Entwurf für den Standort „Blauer Bock“ recht gut gefällt.

Guderjahns Forderung nach einer Fassadengestaltungssatzung erlebte bei nur sieben Ja-Stimmen und einer Enthaltung eine kräftige Abfuhr im Stadtrat.