1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Mit Empathie und auf Augenhöhe

Kindergarten Mit Empathie und auf Augenhöhe

Mit Mitte 20 wurde Birgit Arndt Leiterin eines Kindergartens. Heute koordiniert die 60-jährige mehrere Einrichtungen in der Stadt Möckern.

Von Natalie Preißler 08.03.2021, 00:00

Möckern l Ab ins kalte Wasser: So hat sich Birgit Arndt gefühlt, als sie mit Mitte 20 von der Erzieherin zur Leiterin einer Kindertagesstätte wurde. Heute, mit knapp 61 Jahren, ist sie eine erfolgreiche Business-Frau, leitet noch immer die Kita Birkenhain und koordiniert elf weitere Einrichtungen in der Stadt Möckern. Zudem ist sie seit nunmehr 20?Jahren Gleichstellungsbeauftragte. Der Volksstimme hat sie erzählt, was es brauchte, um in der Wendezeit als Frau erfolgreich durchzustarten, wie ihre Persönlichkeit mit den Aufgaben wuchs und wie die Zusammenarbeit im Berufsleben als Frau mit Verantwortung heute funktioniert.
1985: Birgit Arndt beginnt nach zweifacher Babypause in der Gärtnerstraße als Kindergärtnerin. Nur ein Jahr später wird sie zur Leiterin. „Ich war eine der Jüngsten im Team, aber von den älteren Kollegen wollte niemand den Posten übernehmen“, erinnert sich die 60-Jährige. Ein Sprung ins kalte Wasser. Nach der Wende wechselt Birgit Arndt in die Kita Birkenhain und übernimmt dort die leitende Funktion. Im Zuge vieler Gebietsreformen wächst die Stadt Möckern und auch die Zahl der Einrichtungen. So koordiniert Birgit Arndt heute elf weitere Einrichtungen und fast 100 Mitarbeiter. „Das Personalmanagement ist eine Herausforderung, aber die Zusammenarbeit mit den Teams und dem Träger funktioniert gut“, beschreibt es Arndt. Vornehmlicher Grund dafür: gemeinsame Arbeit und Wertschätzung auf Augenhöhe.
Blickt Arndt zurück auf ihre berufliche Laufbahn, sei man ihr als Frau in einer Führungsposition immer auf fachlicher Ebene und ratsuchend gegenüber ihrer Kompetenz begegnet. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich herablassend behandelt worden bin oder meine fachliche Einschätzung ungehört blieb“, sagt sie.
Ihr Arbeitstag beginnt um 7?Uhr und zieht sich bis in die frühen Abendstunden. In der Kita Birkenhain werden etwa 150 Kinder durch 24 Pädagogen betreut. Was sich in der Retrospektive in puncto Kindergärtner-Job geändert hat, ist vor allem die Zusammenarbeit mit den Eltern und der direkte Blick auf die individuelle kindliche Persönlichkeit. „Ein gutes Vertrauensverhältnis mit den Eltern ist vor allem in Konfliktsituation eine gute Arbeitsgrundlage“, sagt Arndt. Und es ist eine Strategie, die sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt hat und auch ihren Erfolg als Leiterin mit begründet.
„In der DDR wurden Quartalspläne abgearbeitet mit Punkten, die durchgeführt werden müssen“, erinnert sich die zweifache Mutter und vierfache Oma. Das sei zum Glück nach der Wende viel offener geworden.
Neben den beruflichen Herausforderungen ist Arndt auch eng verbunden mit der Stadtpolitik. Halb dienstlich, halb privat. Sie blickt auf viele Jahre im Gemeinderat zurück, war zwei Jahre als Ortsbürgermeisterin in Zeddenick bestellt. Und begleitet als Zuhörerin noch heute gern die Ortschaftsratssitzungen oder nimmt am Kulturausschuss teil. „Für mich ist es wichtig, aktuell informiert zu sein, nur so kann man Entscheidungen verstehen und bei Nachfrage begründen“, sagt Arndt.
Seit 2000 ist sie zudem Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Möckern. Eine Position, zu der sie eher zufällig kam. „Wenn ich ehrlich bin, bisher hat mich noch niemand darauf angesprochen beziehungsweise mich in dieser Funktion um Hilfe gebeten.“ Ein Zeichen dafür, dass Frauen und Männer in Möckern wohl auf beruflicher Basis gut miteinander können und sich als Gleichberechtigte und Partner verstehen.
Karriere machen bedeutet im Ländlichen für eine Frau vor allem auch, eine Familie an ihrer Seite zu haben, die unterstützt, bestärkt und zusammenhält. „Unsere Töchter sind voll auf Papa abgefahren. Er hat sie beispielsweise betreut, wenn ich einen Abendtermin hatte“, erzählt sie. Ab und zu klopfte aber doch das schlechte Gewissen an. Und auch heute wünscht sie sich eigentlich, mehr Zeit für ihre Enkelkinder zu haben, was sich nicht immer mit ihrer beruflichen Position in Einklang bringen lässt.
Eine gute Zuhörerin sein, Empathie, sich Zeit nehmen für die Sorgen des Teams, aber auch Abschalten und Probleme vor der Haustür ablegen: So fuhr Birgit Arndt bisher gut und hat einen Weg gefunden, Privat- und Berufsleben zu trennen. Blickt sie heute auf die Frauenquote in Führungspositionen im Ländlichen, ist ihr eine positive Entwicklung aufgefallen: „Klar, die Handwerksbetriebe werden im Kern noch immer von Männern geführt, aber in den meisten Fällen steht dahinter die Ehefrau, die den Laden im Hintergrund am Laufen hält“, sagt Birgit Arndt.
Und eigentlich hat der Alltag der DDR dahingehend auch etwas Positives mit sich gebracht: „Es gab nicht so stark die Trennung zwischen Kindererziehung und Familienernährer wie in Westdeutschland. Beide Elternteile waren arbeiten und haben sich die Betreuungsarbeit geteilt.“ Vielleicht ein Grund, warum Birgit Arndt die Möglichkeit und den Mut hatte, die berufliche Laufbahn, wie sie heute hinter ihr liegt, auch zu beschreiten.