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Musiktheater Zwischen Macht und Manipulation

Jugendliche, irakische Schauspieler sowie professionelle Musiker präsentieren ein besonderes Stück im Schauspielhaus in Magdeburg.

Von Christina Bendigs 22.10.2017, 06:20

Magdeburg l Ein bisschen geschafft wirken Asala Thayer Naji und Mohammad Ayad Radhi beim Interviewtermin mit der Volksstimme. Kein Wunder. Eine längere Probenzeit in Deutschland liegt hinter den zwei jungen Leuten aus Bagdad. Mit ihrer Reise sind viele „erste Male“ verbunden, wie sich im Gespräch herausstellt. Für den 20-jährigen Mohammad Ayad Radhi ist es sein erster Besuch in Europa, seine erste Mitwirkung in einem Musiktheater, sein erstes Projekt mit Menschen aus so vielen unterschiedlichen Nationen, seine erste Rolle, in der er einen Menschen spielt, der sich von Terroristen manipulieren lässt, aber am Ende doch den richtigen Weg wählt, und es ist auch das erste Mal, dass er auf einer so guten Bühne steht. Während Mohammad Ayad Radhi ausgebildeter Schauspieler ist, ist es für die 21-jährige Asala Thayer Naji das erste Mal, dass sie als Schauspielerin und Sängerin auf der Bühne agiert. Eigentlich ist sie Cellistin. Dass sie jemals nach Deutschland kommen würden, davon hätten die beiden kaum zu träumen gewagt. Denn ohne weiteres können sie den Irak nicht verlassen. Ein Visum ist notwendig, außerdem eine offizielle Einladung. Es zeigt, wie schwierig die Lage dort noch immer ist. Und Angst sei ein ständiger Begleiter der beiden.

Aber es sei nicht so sehr die Angst vor dem Tod, sagt Asala Thayer Naji. An diese Angst habe sie sich gewöhnt. Aber die Ausbildungsmöglichkeiten seien schlecht. Und selbst wenn man sein Fach viele Jahre intensiv studiert habe, sei es nicht sicher, dass man auch Arbeit findet. Vor allem Frauen hätten es schwer. Für Mohammad Ayad Radhi ist sein Aufenthalt in Deutschland vor allem ein Aufenthalt ohne Angst und mit Sicherheit.

In die Welt jener Ängste und Sorgen führt aber das Musiktheater „Sandgames“, das am nächsten Dienstag, 24. Oktober, in Magdeburg gezeigt wird. „Sandgames“ thematisiert Machtspiele heutiger Gotteskrieger und zieht historische Parallelen zur Franco-Diktatur der 1930er Jahre. Immer geht es um Fremde, Ausgrenzung, aber auch die Macht der Fantasie.

Die Hauptrolle in dieser Inszenierung übernimmt Julie Martin du Theil aus dem Opern- ensemble des Theaters Magdeburg. Seit Mitte September haben die Beteiligten daran geprobt, zunächst in Halle, wo das Stück mehrfach gespielt wurde. Das Besondere an dieser Inszenierung: Das Stück wird in vier Sprachen erzählt – Englisch, Arabisch, Spanisch und Deutsch. Teilweise wurde es untertitelt, aber Autorin und Regisseurin Astrid Vehstedt hat bewusst darauf verzichtet, das Stück komplett zu übersetzen.

Auch wenn Asala Thayer Naji froh ist, bei diesem Projekt im Rahmen des Impuls-Festivals dabei zu sein, ist es doch ein Stück, das sie weniger mag. „Ehrlich gesagt, es ist genau das, womit ich mich nicht so gern beschäftige“, sagt sie, „ich hasse Nachrichten“.

Umso mehr freut sich die junge Frau auf den zweiten Teil. Denn es wird das Märchen „Erstarrt zu schwarzem Stein“ erzählt. Man stelle sich vor, man begegnet einer wunderschönen Frau. Sie lädt einen ein in einen Palast. Und dann sieht man seltsame Dinge und hört eigenartige Geschichten. Arabische und deutsche Jugendliche erzählen einander in diesem Märchen aus 1001 Nacht, unterstützt von Neuer Musik und Film, nicht nur die Geschichte, sondern kommentieren auch die aktuelle politische Lage im Irak und Syrien und führen das Publikum auch zurück nach Magdeburg, in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Auch in diesem Stück stehen die verblüffenden Wiederholungen von Geschichte im Mittelpunkt. Es wird am 25.  Oktober, 11 Uhr, im Schauspielhaus gezeigt.

Der Titel des zweitägigen Projektes „Die Spur der Ishtar“ bezieht sich auf Ishtar, eine Urgöttin der Mesopotamier, die sowohl als Göttin des Krieges als auch des sexuellen Begehrens verehrt wurde und damit für Schöpfung und Zerstörung stand. Texte und Regie liegen in den Händen der Hamburger Schriftstellerin und Regisseurin Astrid Vehstedt. In „Sandgames“ stellt sich Festival-Intendant Hans Rotman beim Impuls-Festival auch erstmals als Komponist vor.

Die beiden jungen Leute aus Bagdad, unterstützt vom „Tarkib Bagdad Institut für zeitgenössische Kunst“, hoffen, dass sie vielleicht in der Zukunft wieder einmal für ein Projekt in Deutschland gecastet werden oder ein ähnliches Projekt in ihrer Heimat gestartet wird. Nach den Aufführungen kehren sie am 26. Oktober zurück – nicht nur mit vielen Eindrücken, sondern auch mit neuen Bekannten aus aller Welt. Musiker und Schauspieler aus neun Nationen wirken an dem Projekt mit.

Das Impuls-Festival möchte mit dem Musiktheater „Die Spur der Ishtar“ auf das konfliktreiche Thema „Okzident-Orient“ und die Auseinandersetzung mit aktuellen populistischen Strömungen in Europa und der patriarchalen Gewalt im Mittleren Osten fokussieren. Vergangenheit und Gegenwart sind dabei miteinander verbunden, denn Geschichte wiederholt sich.

Karten für die Vorstellungen „Sandgames“ am Dienstag, 24. Oktober, 19.30 Uhr, und für „Erstarrt zu schwarzem Stein“ am Mittwoch, 25. Oktober, 11 Uhr, gibt es an der Theaterkasse.