Notmaßnahme Zoff um Abriss-Giebel

Die Stadt hat ein Privathaus in der Wittenberger Straße 24 abreißen lassen - für den Eigentümer des Nachbarhauses ein Desaster.

Von Christina Bendigs 18.11.2016, 00:01

Magdeburg l Christian Herter ist frustriert. Die Fassade seines Hauses liegt frei, seit das Nachbarhaus wegen Gefahr im Verzug abgerissen wurde. Die Hoffnung, dass ihn die Stadt bei der Sanierung seines Hauses unterstützen würde, wurde jäh enttäuscht. Denn die Stadt ist nicht in der Pflicht. Beim Eigentümer des Nachbarhauses werde nichts zu holen sein, ist sich Herter sicher. Doch er selbst hat auch nicht das Geld, die Fassade dämmen zu lassen. „Wenn sie so stehen bleibt, wird es nicht lange dauern, dann wird das Haus schimmeln“, ist er sicher. Damit würde er seine Mieter verlieren.

Eine Folge könnte sein, dass er Kredite nicht mehr bedienen kann. Die Fundamente hat Herter bereits mit einer Dämmung versehen lassen. Die liegt nun aber auch frei. Und nicht einmal eine Beratung, was er nun tun könne, habe er von der Stadt erhalten. Zwar habe ihm die mit dem Abriss des Hauses beauftragte Firma einen Kostenvoranschlag für die Sanierung unterbreitet. Doch das sei viel zu teuer, sagt Herter. In dem Haus hatte er zunächst selbst gewohnt, es in den 1990er Jahren gekauft und saniert, und nun ist es voll vermietet.

Im Nachbarhaus habe sich schon lange nichts mehr getan. Dennoch: Christian Herter wäre es lieber gewesen, das Haus wäre stehen geblieben, zumal sich der Eigentümer zuletzt noch darum bemüht habe, den Abriss zu verhindern. Doch die Stadt setzte den Abriss durch. Die beiden Nachbargebäude wurden zumindest so weit gesichert, dass sie nicht einstürzen können. Da die Häuser eine gemeinsame Giebelwand hatten, wäre rein rechtlich gesehen der Eigentümer des abgerissenen Hauses in der Pflicht. Das weiß auch Christian Herter. Er hat ihn bereits aufgefordert, die Fassade dämmen zu lassen – doch bislang hat er keine Reaktion erhalten. „Der Eigentümer wechselt doch ständig“, sagt er. Und selbst wenn er den richtigen finden würde, wäre immer noch nicht klar, ob dieser überhaupt zahlungsfähig sei. Deshalb ist er noch unschlüssig, ob er sein Recht gegebenenfalls einklagen würde. Denn selbst wenn das Gericht ihm recht geben würde, würde das nicht bedeuten, dass der Eigentümer auch zahlen würde. Schon auf die Schreiben der Stadt hatte der Eigentümer nicht reagiert, weshalb die Stadt am Ende den Abriss veranlasste. Deshalb hatte er gehofft, dass ihm die Stadt helfen könne. Herters Haus steht nicht unter Denkmalschutz, so dass kein entsprechendes Förderprogramm greifen würde. „Und auch sonst fällt das Haus in kein Förderprogramm“, sagt er. Für solche Fälle müsste es doch Förderprogramme geben, findet er. Schließlich sei er wahrscheinlich nicht der erste Hauseigentümer, der, ohne irgendetwas zu tun, in diese Lage geraten sei.

Die Stadt bedauert die Lage des Eigentümers, könne aber für die Instandsetzung nicht aufkommen. „Der von der unteren Bauaufsichtsbehörde beauftragte Prüf- ingenieur für Standsicherheit hatte vor Beginn der Abbrucharbeiten festgestellt, dass zwischen den Gebäuden 23, 24 und 25 statische Abhängigkeiten bestehen, insbesondere wegen gemeinsamer Giebel“, informierte Stadt-Pressesprecher Michael Reif. Zur Sicherung der Giebel hat die Stadt Giebelanker setzen lassen, damit die Wohnungen der angrenzenden Gebäude weiter uneingeschränkt genutzt werden können und an den Nachbargebäuden keine Schäden durch den Abriss entstehen. Zudem sei vor dem Abbruch ein umfassendes Beweissicherungsverfahren an der Nummer 23 vorgenommen worden. Dabei seien im Bereich der Kellerdecke erhebliche Schäden festgestellt worden, weshalb der Prüfstatiker eine Anschüttung mit Magerbeton veranlasste und über die gesamte Länge des Kellergeschosses ein Balken mit der vom Prüfstatiker vorgegebenen Stärke betoniert werden musste.

Maßnahmen zur vollständigen Instandsetzung der benachbarten Giebel sind jedoch keine Gefahrenabwehrmaßnahmen und dürfen durch die untere Bauaufsichtsbehörde auch nicht zu Lasten des städtischen Haushaltes veranlasst werden“, hieß es weiter. „Um sein Gebäude vollständig vor Witterungseinflüssen zu schützen, muss er selbst geeignete Maßnahmen ergreifen“, so Reif weiter. Den Vorwurf, die Stadt habe ihn nicht beraten, will Reif so nicht stehen lassen.

„Die Behörde hat Herrn Herter mehrfach auf die ihm nach dem Nachbarschaftsgesetz und dem BGB zustehenden zivilrechtlichen Möglichkeiten hingewiesen“, erklärt er. Zudem sei er zu bautechnischen Möglichkeiten der Instandsetzung der Fassade beraten worden.

Das aber hilft dem Hauseigentümer der Nr. 23 auch nicht weiter. Er ist enttäuscht. „Ich bin doch auch ein Bürger der Stadt“, sagt er. Bleibt das Haus sich selbst überlassen, wird wohl auf lange Sicht der nächste Abriss drohen.