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Personalnot Enorm hoher Krankenstand in Kitas

Wegen Personalnot hat eine Kita in Magdeburg Kinder von Eltern ohne Job von der Betreuung ausgeschlossen. Der Fall wird heftig diskutiert.

Von Katja Tessnow 23.11.2016, 00:01

Magdeburg l Von „ein absolut falsches Zeichen in die falsche Richtung“ bis „völlig in Ornung“ reichen die Meinungen von Magdeburger Eltern zum Umgang der kommunalen Kita Moosmutzel (Kleine Schulstraße) mit dem zu Monatsbeginn extrem hohen Krankenstand unter Erzieherinnen. Der Linke Dennis Jannack hatte in der Vorwoche im Stadtrat öffentlich gemacht, dass die Kita die Eltern kurzfristig per Aushang an der Tür darüber informierte, dass über vier Tage (8. bis 11. November) nur noch Kinder von berufstätigen Eltern betreut und die Öffnungszeiten um eine Stunde gekürzt würden.

Die Sozialbeigeordnete Simone Borris und Oberbürgermeister Lutz Trümper verteidigten das Vorgehen der Kita-Leitung; Trümper nannte es vor dem Hintergrund eines nahezu 50-prozentigen Krankenstandes sogar „völlig normal“. Von 21 am Haus beschäftigten Pädagogen waren zum Zeitpunkt nur noch 12 im Dienst.

Dennoch beging ausgerechnet eine der drei erst 2014 neu eröffneten kommunalen Kitas – die anderen Häuser werden von freien Trägern bewirtschaftet – mit der Einschränkung von eigentlich rechtlich und vertraglich gesicherten Leistungen einen Tabubruch. Personalnot in Kitas oder auch im Pflegebereich ist ein weitreichendes Problem. Müssen sich die Magdeburger künftig regelmäßig auf ähnliche Einschränkungen einstellen?

„Nein“, sagt Heinz Ulrich, Leiter des Eigenbetriebes Kommunales Gebäudemanagement Magdeburg (KGM). Sein Unternehmen bewirtschaftet die drei städtischen Kitas und ist auch für deren Ausstattung mit Personal zuständig. „In jeder der drei Einrichtungen beschäftigen wir 20 bis 22 Erzieherinnen.“ Alle Stellen seien besetzt, so Ulrich auf Nachfrage. „Dieses Personal hat allerdings einen enorm hohen Krankenstand, der deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt liegt.“

Die konkrete Kranken-Quote will Ulrich nicht öffentlich benennen, „um die Erzieherinnen nicht einer Stigmatisierung auszuliefern“. Allerdings verhehlt Ulrich nicht, dass die regelmäßig hohen Krankenstände beim Kita-Personal auch regelmäßig Probleme bereiten. „Wir können nicht von heute auf morgen die ausgefallenen Erzieherinnen ersetzen, schon weil sie mindestens für sechs Wochen Krankengeld beziehen, das wir von den Pro-Kopf-Zuweisungen an Erziehungsgeld bezahlen müssen.“ Heißt: Der Betrieb bekommt – wie übrigens auch jeder freie Kita-Träger – nur so viel Personal bezahlt, wie es der landesgesetzlich definierte Betreuungsschlüssel vorsieht.

Aktuell hat in Sachsen-Anhalt eine Erzieherin 6,3 Krippenkinder (0 bis 3 Jahre) oder 11,3 Kindergartenkinder (3 bis 7 Jahre) zu betreuen. Empfehlungen der EU legen nahe, dass eine Erzieherin höchstens für drei Krippen- bzw. acht Kindergartenkinder zuständig sein sollte. Dass Sachsen-Anhalt davon weit entfernt ist, gehört zu den Ursachen dafür, dass die Lage sich schnell extrem zuspitzt, wenn Kollegen unerwartet ausfallen oder etwa in die Elternzeit gehen. Das ist Alltag an allen Einrichtungen im Land.

„Wir tun grundsätzlich alles, um solche Situationen wie kürzlich in der Kita Moosmutzel zu vermeiden“, gelobt Ulrich. Ausschließen kann er einen Wiederholungsfall und erneut eingeschränkte Leistungen bis hin zur Notschließung allerdings nicht. Ulrich fragt aber auch: „Was ist besser? Die Eltern zu bitten, ihre Kinder vorübergehend wenn möglich zu Hause zu betreuen oder die Gruppen vollzustopfen und die verbliebenen Erzieherinnen weiter zu überfordern?“

Manche Eltern erachten es als legitim, notfalls nichtberufstätige Eltern zu verdonnern, ihre Kinder zeitweise aus der Kita zu nehmen. Wieder andere empfinden genau das als nicht legitime Stigmatisierung und ein Signal in die völlig falsche Richtung. Sie fordern schlicht mehr Personal in den Einrichtungen – zugunsten aller Kinder und deren frühen Bildungschancen.

Die Lesermeinungen bewegen sich damit exakt entlang der Linien, die auch die politische Debatte kennzeichnen. Das Land zahlt jährlich 275 Millionen Euro für die Kita-Betreuung an die Kommunen bzw. die Kita-Träger aus.

2002 hatte die damalige CDU-FDP-Regierung den Anspruch auf ganztägige Betreuung für Kinder nicht berufstätiger Eltern generell abgeschafft – aus Kostengründen. 2013 reformierte die CDU-SPD-Regierung die Reform und kehrte zum Anspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kita-Kinder zurück, vor allem um gerade den Nachwuchs sozial schwacher Familien nicht noch mehr zu benachteiligen. Aktuell fordern Vertreter der CDU eine zweite Rolle rückwärts und die neue Beschneidung der Ansprüche von Kindern mit Eltern ohne Job.

Zurück nach Magdeburg und in die Kita Moosmutzel. Betriebsleiter Heinz Ulrich hat just eine lange Stellungnahme für den Stadtrat verfassen müssen, wie es zur Lage in der Kita kam und wie zu den Konsequenzen bis zum Betreuungsstopp für einen Teil der Kinder. „Die Stellungnahme erreicht voraussichtlich im Dezember oder Januar den Stadtrat und ist noch nicht öffentlich. Ich möchte dem nicht vorgreifen“, so Ulrich.

So viel sagt Ulrich aber schon: „Wenn die Stadträte so etwas nicht mehr wünschen, sollen sie uns sagen, wie wir das machen sollen. Wenn uns der Stadtrat beauftragt, neues Personal einzustellen, muss er sagen, woher das Geld dafür kommen soll.“