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Politik Blumen und Ermittlungen

Ab dem 1. Mai 2021 steht Jörg Rehbaum (SPD) an der Spitze des Magdeburger Baudezernats - trotz laufender Ermittlungen gegen ihn.

Von Katja Tessnow 24.01.2021, 12:55

Magdeburg l Novum: Noch nie sah sich der Magdeburger Stadtrat vor der Besetzung eines so wichtigen Postens an der Rathausspitze mit einem vergleichbaren Konflikt konfrontiert. Ein als fachlich geeignet geltender Kandidat mit verwalterischer Führungserfahrung in Magdeburg und Burg ist parallel zum laufenden Auswahlverfahren und zum Wahltermin polizeilichen Ermittlungen ausgesetzt. Der bei der Polizei im Jerichower Land am Vorjahresende gegen den Burger Bürgermeister Jörg Rehbaum anonym vorgebrachte Vorwurf lautet auf sexuelle Belästigung Minderjähriger im Internet. Dazu kursiert ein im Dezember vom AfD-Kreisvorsitzenden im Jerichower Land öffentlich in Umlauf gebrachter Chat-Verlauf, angeblich von Rehbaum verfasst, mit schlüpfrigen Fotos, die ihn selbst zeigen sollen und dem Versuch der Anbahnung eines Treffens mit einer Minderjährigen. Real? Fake? Intrige?

Ein Polizeisprecher bestätigt der Volksstimme noch am 22. Januar, dem Tag nach Rehbaums Wahl in Magdeburg, auf Nachfrage, dass die Ermittlungen gegen ihn andauerten. Rehbaum beteuert seit Wochen seine Unschuld und dass er nichts mit besagtem Chat zu tun habe. Er hat seinerseits Anzeige gegen die unbekannten Urheber des Chats erstattet. Auf Nachfrage will er sich auch nach seiner Wahl zum Baubeigeordneten nicht weiter zu Details wie der Herkunft oder Echtheit der im Chat von ihm veröffentlichten Fotos äußern. „Nur die Ermittlungsbehörden können jetzt meine Unschuld zweifelsfrei beweisen. Ich will ihre Arbeit nicht gefährden und werde alles beitragen, was ich kann, dass die Ermittlungen zu einem zügigen Ende kommen. Darauf hoffe ich natürlich sehr.“

Im Vorfeld der Wahl im Stadtrat hatten die Ermittlungen gegen Rehbaum eine Rolle gespielt. Eine Vertagung der Wahl war im Gespräch. Oberbürgermeister Lutz Trümper lehnte einen Rückzug des Tagesordnungspunktes schon aus Termingründen – der amtierende Baubeigeordnete Dieter Scheidemann geht Ende April 2021 in den Ruhestand –, vor allem aber wegen einer aus seiner Sicht falschen Außenwirkung ab. „Wenn wir die Wahl jetzt verschieben, erweckt das den Anschein, als dächten wir, an den Vorwürfen ist etwas dran. Das wäre ein ganz falsches Signal. Da könnte ja jeder kommen und einem Bewerber schnell noch anonym etwas anheften.“

Für Trümper galt und gilt die Unschuldsvermutung und offenbar auch für den Großteil des Stadtrates, abgesehen von der AfD. Nachdem deren Kreisverband im Jerichower Land die Vorwürfe gegen Rehbaum erst öffentlich gemacht hatte, forderte der Magdeburger AfD-Fraktionschef Frank Pasemann am Donnerstag im Stadtrat die Neuausschreibung der Baubeigeordnetenstelle. Auf Rehbaum gemünzt sagte er: „Es gibt für uns nur einen geeigneten Kandidaten unter den Bewerbern, aber gegen den gibt es schwere Vorwürfe, die nicht ausgeräumt sind. Deshalb ist auch er aus unserer Sicht heute nicht wählbar.“

Dass Rehbaum – Diplomingenieur für Landentwicklung/Bodenordnung, Master of Science in „Urban Management“, von 2004 bis 2009 Sachgebietschef Bauleitplanung im Magdeburger Stadtplanungsamt und seit 2010 Bürgermeister in Burg – dennoch einen Durchmarsch hinlegte und gleich im ersten Wahlgang die erforderliche einfache Mehrheit (30 von 53 Stimmen) hinter sich vereinen konnte, hatte dem Vernehmen nach neben seiner Qualifikation und der Unschuldsvermutung auch mit dem folgenden Tagesordnungspunkt zu tun. Jetzt sollte Klaus Zimmermann (CDU) im Amt des Finanzbeigeordneten weiterbestellt werden – er trat konkurrenzlos an. Für den Fall eines Scheiterns von Rehbaum, soll die SPD damit gedroht haben, Zimmermann die Stimmen zu verweigern.

Da Beigeordnetenwahlen bei geheimer Stimmabgabe abgehalten werden, lassen sich die 20 Gegenstimmen, die Zimmermann im Folgenden dennoch kassierte, nicht zuordnen. Bekannt ist, dass Grüne und Linke den fachlich untadligen Stadtfinanzchef ob seiner konservativen Prägung nicht zu ihren politischen Freunden zählen. Am Ende reichten dem 57-Jährigen, der neben dem Beigeordnetenamt auch das des Trümper-Vizes als Bürgermeister bekleidet, 31 Ja-Stimmen zur siebenjährigen Verlängerung im Amt. Zimmermann ist als Stadtfinanzchef seit 2007 im Amt und bereits 2014 konkurrenzlos weiterbestellt worden.