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Politik Spitzenkampf im Magdeburger Stadtrat

Vier Abstimmungen fürs Vorstandstrio markieren die Gräben im Magdeburger Rathaus.

Von Katja Tessnow 06.07.2019, 01:01

Magdeburg l In vier geheimen Wahlgängen besetzte der neue Stadtrat am 4. Juli 2019 seinen dreiköpfigen Vorstand. Allein die Stimmverteilung mit Blick auf die politisch sehr kontrastreiche Kandidatenschar lässt Rückschlüsse auf kommende Kämpfe um Macht und Mehrheiten zu. 

Erster Aufruf: Wahl des Stadtratsvorsitzenden. Die CDU – stärkstes Wahlergebnis, höchste Mandatszahl (10) und im Bund mit der FDP mit zwei Sitzen Vorsprung (insgesamt 13) größtes Ratslager – hat ihren Mann, den Unternehmer Michael Hoffmann, nominiert. Fraktionschef Wigbert Schwenke gibt am Rande Verschnupftheit darüber zu Protokoll, dass die nur zweitstärkste Ratsfront Grüne/future! (11 Mandate) sich erlaubt hat, einen Gegenkandidaten zu platzieren, den Mathematik-Professor Alexander Pott. Hoffmann macht mit 30 Stimmen das Rennen. Pott bekommt nur 21 Stimmen. Fünf Räte kreuzen Enthaltung an.

Weil Linke und Grüne, aber auch die Jusos schon vor der Wahl Stimmung gegen Hoffmann gemacht hatten, der seit Jahren im Internet mit teils bösen Spitzen gegen alles Linksgrüne schießt, ist davon auszugehen, dass er kaum Linke oder Grüne Stimmen auf sich vereinen konnte. Aus dem eigenen Lager kassierte er höchstwahrscheinlich alle (13) plus – auch sehr wahrscheinlich alle 8 von der AfD – macht erst 21. Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass die fünf anwesenden Mitglieder der Kleinlager Gartenpartei (2), Tierschutzallianz, Tierschutzpartei und Bund für Magdeburg (je 1) sämtlich für Hoffmann stimmten, bleiben vier noch nicht zugeordnete Stimmen – sehr wahrscheinlich kamen sie (oder noch ein paar mehr) von der SPD.

Fazit: Den Platz des Vorsitzenden nahm ein rechtskonservatives Ratslager im Durchmarsch ein. Selbst Hoffmanns eigener Fraktionschef hatte kurz nach dessen Wahl am Rande bemerkt: „Jetzt ist er gewählt und hat neutral die Sitzungen zu leiten. Dazu muss er sich selbst disziplinieren.“

Wie tief der Graben zwischen Teilen des neuen Rates schon zur ersten Sitzung verlief, machte der folgende Wahlgang zur Besetzung der 1. Stellvertreter-Position klar. Jetzt trat allein auf weiter Flur der eben noch im Streit um den Vorsitz gescheiterte Alexander Pott von den Grünen an. Er bekam 33 Stimmen, was locker zur Amtsübernahme reicht. Bemerkenswert sind aber 19 Gegenstimmen und vier Enthaltungen bei einer Wahl ohne Gegenkandidaten. Neben den acht AfD-lern – deren Gegenstimmen dürfen im Angesicht eines Grünen als sicher angenommen werden – haben ganze 15 weitere Stadträte nach dem Motto votiert: Lieber gar keinen Ratsvize als diesen von den Grünen. Vermutet werden darf, dass CDU/FDP Pott die Gegenkandidatur zu Hoffmann heimzahlten, was immerhin 13 weitere Gegenstimmen erklären würde.

Im nächsten Wahlgang traten der Linke Chris Scheunchen, der SPD-Mann Norman Belas und – ziemlich überraschend – der Gartenparteiler Marcel Guderjahn um den Posten des 2. Ratsvize an. Guderjahn kommt aus einem dreiköpfigen Mini-Ratslager. So eines hat noch nie zuvor einen Platz im Vorstand reklamiert. Vor der Wahl schritt AfD-Fraktionschef Frank Pasemann an Guderjahns Platz im Ratssaal und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sehr vermutlich etwas Unterstützung verheißendes, denn Guderjahn sahnte glatt 16 Stimmen ab. Der Linke Scheunchen bekam nur 13 und SPD-Mann Belas 24. Weil keiner der Kandidaten die erforderliche Ratsmehrheit von mindestens 29 Stimmen erreicht hatte, musste erneut votiert werden – dieses Mal sollte der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnen. SPD-Mann Belas setzte sich mit 31 Stimmen durch; Guderjahn (immernoch erstaunliche 14) und Scheunchen (nur 10) zogen den Kürzeren und bekamen keinen Vorstandsplatz ab.