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Prototyp Magdeburger Tanzrollator im Einsatz

Der Tanzrollator der Otto-von-Guericke-Universität macht Fortschritte. Frühestens im März soll das endgültige Modell vorgestellt werden.

Von Christina Bendigs 16.02.2019, 00:01

Magdeburg l Fröhliche Volksmusik ertönt aus den Lautsprecherboxen. Auf Stühlen sitzen Senioren, von denen einige schon mitsingen. Aber ums Singen geht es eigentlich nicht. Die von Demenz betroffenen Frauen absolvieren ein Training mit dem Tanzrollator. Nach der Erwärmung auf den Stühlen geht es auch schon in den Prototyp des Tanzrollators. Der ermöglicht es den Teilnehmerinnen, sich freier im Raum zu bewegen. Zurzeit befinden sie sich noch ganz am Anfang, lernen in den ersten vier Wochen zunächst den Umgang mit dem Gerät. Später sollen Tanzschritte folgen. Zweimal pro Woche trainieren sie. Und wie die Ergotherapeutin Hedda Meilicke berichtet, sei eine Veränderung sehr schnell spürbar gewesen. Mehr als die Hälfte erinnern sich an die Trainingseinheiten – und sie freuen sich darauf.

Dass die Uni Magdeburg sich für die Weiterentwicklung des Tanzrollators gerade das Vitanas-Demenz-Centrum als Partner ausgesucht hat, überrascht nicht. Schließlich soll die Endversion gerade auch jenen Senioren dienen, die unter Demenz leiden. Während die Prototypen rein mechanisch funktionieren und die Teilnehmer die Bewegungsabläufe auf Zuruf einer Trainerin absolvieren, soll die Endversion des Sportgerätes mit einer Sensorik ausgestattet werden. Die Senioren erhalten dann Licht- oder Vibrationsimpulse, um zu wissen, in welche Richtung sie sich bewegen müssen. Und auch hinsichtlich der Antriebstechnik soll noch weitergearbeitet werden. Ziel ist ein aktives Bremssystem. Dieses erkennt, wenn sich Senioren zu schnell bewegen, sich also ein Sturz andeutet, und bremst den Tanzrollator ab. Das funktioniert in alle Richtungen, berichtet Prof. Dr. Anita Hökelmann vom Institut für Sportwissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität. Gemeinsam mit Doktoranden arbeitet sie seit Jahren daran, ihre Idee eines Tanzrollators marktfähig zu machen. Auch ein Sitz soll noch integriert werden, damit die Senioren das Training besser absolvieren können und kurze Pausen gleich im Gerät möglich sind.

Zahlreiche Studien hat die Sportwissenschaftlerin schon durchgeführt. Immer ging es dabei auch darum, wie Tanzen auf das Gedächtnis und die körperlichen Fähigkeiten wirkt. Inzwischen konnte sie bereits nachweisen, dass es Veränderungen im Gehirn gibt und die Probanden sich kognitiv verbesserten. Das Gehirnvolumen nehme zu, ebenso die Konzentration, die Koordinationsfähigkeit. Jede Bewegung sei wichtig für Körper und Geist, denn durch die Aktivität würden Körper und Gehirn besser durchblutet. Aber durch die Schrittfolgen, die sich die Teilnehmer fürs Tanzen einprägen müssen, wirke dieser Sport besser auf die Gedächtnisleistung, so Hökelmann.

Und genau an dieser Theorie setzt der Tanzrollator an. Das Training damit soll helfen, dass die Demenz bei Betroffenen nicht weiter fortschreitet oder sich gar verbessert.

Mit dem Bau des Endproduktes ist eine Firma aus der Region beauftragt worden, die aktuell noch an den Feinheiten arbeitet. Die Nachfrage sei auf jeden Fall da, berichtet Anita Hökelmann. Immer wieder bekomme sie Anfragen, auch aus dem Ausland, weil sich Heime und Kliniken für das Gerät interessieren. Denn auch in der Therapie für jüngere Patienten könnte das Gerät Anwendung finden.

Ein Gespräch mit Pflegedienstleiterin Ute Zacher vom Demenzzentrum bestätigt dies. Seit dem 7.  Januar ist die Uni mit dem Projekt in der Einrichtung zu Gast. Untersucht wird „Der Einfluss von musikbasierten Bewegungstherapien auf motorische und kognitive Fähigkeiten sowie die Lebensqualität von Senioren mit und ohne Demenz“. Nicht zum ersten Mal nimmt die Einrichtung an einer Studie teil. „Das Training fördert die Lebensqualität und die Beweglichkeit im Alltag“, sagt sie. Es fördere das Balancegefühl und sei daher auch gut für die Sturzprävention.

Die Zusammenarbeit mit der Uni sei aber auch für das Personal gut. „Wir bekommen immer wieder neuen Input und entwickeln daraus auch eigene kreative Ideen“, sagt sie. Sie würde sich wünschen, dass die Projekte nicht nur über die Zeiträume der Studien im Haus blieben, sondern auch darüber hinaus. Das Haus sei generell sehr bewegungsorientiert. Sie würde sich wünschen, dass noch mehr Angebote für Menschen erforscht und entwickelt werden, bei denen die Demenz bereits fortgeschritten ist. Vielleicht eine neue Aufgabe für die Uni Magdeburg? Prof. Dr. Anita Hökelmann hofft, dass der Tanzrollator Ende des Jahres in Produktion gehen kann. Damit hätte sie neben den zahlreichen Studien dann auch ein Produkt entwickelt und zur Marktreife gebracht. Ein schönes Gefühl.