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RechtsbruchLand kritisiert Magdeburgs Schulentscheidung

Die Plätze an den Integrierten Gesamtschulen in Magdeburg decken nicht den Bedarf. Die Stadt leitet Schüler an Gemeinschaftsschulen um.

Von Katja Tessnow 18.06.2018, 01:01

Magdeburg l 308 Plätze für Fünftklässler bieten die beiden Magdeburger Gesamtschulen „Willy Brandt“ (Westring) und „Regine Hildebrandt“ (Pablo-Neruda-Straße) insgesamt zum neuen Schuljahr 2018/19. Die Zahl der Bewerber liegt mit 387 deutlich darüber. Auf die 112 Plätze an der Brandt-IGS gingen 210 Bewerbungen ein. 19 Bewerber konnten noch an die Hildebrandt-IGS (177 Bewerber auf 196 Plätze) umgeleitet werden.

Knapp 80 Kinder gingen in der Folge leer aus bei ihrer IGS-Bewerbung. 21 Familien wollten die Ablehnung nicht auf sich bewenden lassen und riefen die Härtefallkommission an. 13 bahnten ihren Kindern auf diesem Weg tatsächlich den nachträglichen Sprung an die gewünschte Schule. So weit.

Im Hintergrund gärt schon seit Jahren ein Streit zwischen der Stadt Magdeburg und dem Land Sachsen-Anhalt, zwischen Stadt und Elternrat, zwischen Stadt und Teilen des Stadtrates. Er dreht sich um die Frage: Haben Kinder, die von ihren Eltern nach Klasse 4 für die IGS angemeldet werden, einen Rechtsanspruch auf den Platz.

Das Bildungsministerium sagt Ja und verweist aufs Schulgesetz Sachsen-Anhalt. „Für die Wahl der Schulform gilt die Wahlfreiheit der Erziehungsberechtigten nach Paragraf 34, Absatz 1“, konstatiert Ministeriumssprecher Stefan Thurmann auf Volksstimme-Nachfrage.

Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) missachtet den Gesetzesparagrafen bewusst. „Mit Einführung der Gemeinschaftsschulen hätte er geändert werden müssen. Außerdem gibt es in Sachsen-Anhalt nur in Halle und Magdeburg Gesamtschulen. Es ist ungerecht, dass wir Plätze in einer Schulform garantieren sollen, die es auf dem Land gar nicht gibt.“

Das Landesgesetz sagt eindeutig, dass die Eltern unter den Schulformen wählen dürfen, „die zur Verfügung“ stehen. Laut § 64, so Thurmann, habe der Schulträger (hier die Stadt Magdeburg) Gesamtschulen einzurichten, soweit Bedarf dafür bestehe. Der, so der Ministeriumssprecher, sei in Magdeburg unstrittig vorhanden.

Trümpers Credo bleibt: Gemeinschaftsschulen stärken statt Gesamtschulen ausbauen. Deshalb lehnte das Stadtoberhaupt unlängst auf einer Ratsdebatte zur Schulentwicklung einen IGS-Neubau ab – obwohl seine eigene Schulverwaltung diesen vor dem Hintergrund wachsender Bewerberzahlen nahelegt und attestierte: ohne Neueröffnung keine Problemlösung. Schon seit 2010 zählen die IGS in Magdeburg mehr Bewerber als Plätze.

Gesamt- und Gemeinschaftsschule gleichen sich in einem Grundsatz: Beide wollen Schülern nach längerem gemeinsamen Lernen entweder den Weg zum Realschulabschluss (Klasse 10) oder zum Abitur ebnen. Während die beiden IGS schon in den 1990er Jahren eröffneten, sind Gemeinschaftsschulen in Sachsen-Anhalt überhaupt erst seit 2013 zugelassen. Magdeburg hat alle früheren Sekundarschulen in Gemeinschaftsschulen umgewandelt, allerdings führte bisher noch keine von ihnen Schüler selbst bis zum Abitur. Vereinzelte Anwärter müssen später eben doch ans Gymnasium oder die IGS wechseln.

Das Bildungsministerium teilt Trümpers Auffassung von der Gleichrangigkeit der beiden Schulformen nicht. „Die Gemeinschaftsschule ist eine eigenständige Schulform, die sich sowohl organisatorisch als auch vom inhaltlichen Schwerpunkt her von der Schulform Gesamtschule unterscheidet“, so Stefan Thurmann. Reichten die Kapazitäten nicht, könne die Stadt Außenstellen einrichten. Thurmann ist unbegreiflich, warum die Stadt Magdeburg dies verweigert.

Trümper bleibt hart und sagt unumwunden: „Dann muss das auf dem Rechtsweg geklärt werden.“ Auf diesem könnten Eltern ihre abgewiesenen Kinder in eine IGS hineinklagen. Mit Blick aufs Schulgesetz stehen die Chancen auf Sieg nicht schlecht.