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Reha-Werkstatt Neuanfang im Job nach Schicksalsschlägen

Die Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg ermöglichen Betroffenen nach Unfällen wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt.

Von Dana Micke 02.04.2019, 14:57

Magdeburg l Der 14. März 2019 war für Max Schneider ein ganz besonderer Tag. An diesem Tag wurde der junge Mann von der Biolounge Magdeburg nach seiner Ausbildung übernommen. „Das macht mir hier richtig Spaß. Alles ist perfekt, die Kollegen, die Arbeit … Ich packe Waren aus, sortiere sie in die Regale ein. Ich darf auch mal an die Kasse“, berichtet Max Schneider begeistert. 28 ist er und eigentlich gelernter Zerspanungsmechaniker.

Mit 22 wurde er in Magdeburg fast zu Tode geprügelt und erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. „Als ich aus dem Koma erwachte, habe ich meine Eltern nicht wiedererkannt. Ich konnte nicht sprechen. Und ich musste bei null anfangen“, so schildert er sein Schicksal. Das sei ein harter Kampf gewesen.

Geblieben sind die Narben am Kopf, seelische Schäden und neurologische Funktionseinschränkungen. So kam er 2017 in die Reha-Werkstatt der Pfeifferschen Stiftungen nach Cracau. Das Ziel: berufliche Neuorientierung und Sicherung einer Anschlussperspektive.

In Pfeiffers Reha-Werkstatt, kurz PRW, und nicht zu verwechseln mit der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM ) werden Menschen mit seelischer Beeinträchtigung oder Behinderung „engagiert, professionell unterstützt und begleitet“, berichtet Janet Engel-Fesca vom Sozialen Dienst, Teamleitung Aufnahme/Berufsbildung.

Die Reha-Werkstatt bietet Erwachsenen ab 18 Jahren an, ihren Neigungen und ihrem Leistungsvermögen entsprechend Tätigkeiten zu erlernen, zu vervollkommnen und eigenverantwortlich auszuüben. Zum Beispiel im Garten- und Landschaftsbau, in der Montage und der Konfektionierung, in der Hauswirtschaft oder im Kreativhandwerk.

Eine Chance für Max Schneider. „Ich hatte keine Vorstellungen, als ich herkam, probierte mich einfach aus“, sagt er. Nach einigen Praktika entschied er sich für das Berufsbild des internen Einzelhandelsassistenten.

Janet Engel-Fesca erzählt: „Max Schneiders Durchhaltevermögen, seine handwerklichen und sozialen Fähigkeiten haben ihm zu einer betrieblichen Berufsbildung in der Biolounge Magdeburg, einem Bio-Supermarkt in der Cracauer Straße 66, verholfen.“

Das ist neu: Bereits die Berufsausbildung findet für einen Beschäftigten der Reha-Werkstatt in einem Betrieb auf dem ersten Arbeitsmarkt statt. In dieser Zeit wurde Max Schneider von einem Jobtrainer der Rehabilitationswerkstatt begleitet. Mit Erfolg. Die Biolounge übernahm ihn ganz offiziell und schafft damit einen ausgelagerten Arbeitsplatz für einen Beschäftigten aus Pfeiffers Reha-Werkstatt.

Warum macht da die Biolounge mit? Das Team der Biolounge habe es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Menschen mit guten, nachhaltig erzeugten Lebensmitteln zu versorgen und dabei anderen Menschen, die diese Lebensmittel verkaufen, ebenso eine sinnstiftende Tätigkeit zu ermöglichen, betont Geschäftsführer Peter von Pokrzywnicki. „Ins Konzept des sinnvollen Tuns reiht sich die Unterstützung von Menschen nahtlos ein, die in dem von Konkurrenz geprägten Arbeitsmarkt keine Chance haben“, so der Geschäftsführer.

Wie hat sich Max Schneider hier eingelebt? Man spreche sich bereits mit Vornamen an, erklärt von Pokrzywnicki. Das zeige, dass der 28-Jährige schon ein festes Mitglied des Teams sei. Immer pünktlich und zuvorkommend, sei er eine echte Bereicherung für das Team. Schön sei auch, dass die Möglichkeit des Außenarbeitsplatzes es dem Arbeitgeber erlaube, dem jungen Mann die Zeit zu geben, die er benötige. „Dafür bekommen wir weit mehr zurück als nur eine sehr gute Arbeitsleistung“, sagt der Chef. Die Chemie stimmt offenbar.

Pfeiffers Reha-Werkstatt konnte von ihren 150 Beschäftigten bisher 18 in Außenarbeitsplätze vermitteln. Das sei Sisyphusarbeit, meint Janet Engel-Fesca. Sie berichtet von Barrieren für psychisch Erkrankte, „die wir nicht sehen und deshalb schwer erkennen, so Kontakt- und Kommunikationsprobleme“. Bei potenziellen Arbeitgebern seien es oft Unsicherheiten: Wie richtig miteinander umgehen? Wie kann die Finanzierung eines solchen Außenarbeitsplatzes aussehen?

„Wir helfen, Barrieren abzubauen, sind für den Beschäftigungsgeber da und unterstützen unsere Teilnehmer sozial-therapeutisch“, erzählt Teamleiterin Engel-Fesca. Die Mitarbeiter der Reha-Werkstatt fungieren demnach auch als Vermittler. Individuelle Betreuung und Förderung, die positive und freundliche Atmosphäre, die Arbeit im Team – all dies steigere das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Beschäftigten der Reha-Werkstatt.

Ihre soziale Wertschöpfung lasse sich nicht in Zahlen messen, glaubt Engel-Fesca. Während die Pfeifferschen Stiftungen ein geschützter „Raum” mit Förderung und Zuwendung seien, sei das draußen in der freien Marktwirtschaft in der Regel nicht mehr so. Aber in der Biolounge findet Max eine Nische. „Ich komme gern zur Arbeit. Es läuft super. Hier möchte ich lange bleiben.” Sagt er und strahlt.