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Schüleraustausch Die Magdeburger China-Connection

Der Magdeburger Oliver Franke will mehr chinesische Schüler nach Sachsen-Anhalt holen. Im Bildungsministerium ist man wenig begeistert.

24.04.2019, 23:01

Magdeburg l An der Großen Diesdorfer Straße in Magdeburg, ein unscheinbares Gebäude, ein wenig einladender Hinterhof. Man muss wissen, dass sich hier ein Internat für chinesische Schüler befindet. Sonst findet man es kaum. Eben deswegen ist Oliver Franke nach vorne an die Hauptstraße geeilt.

Über einen Seiteneingang führt er in die Büro- und Besprechungsräume des Internats. Dort stehen schwere Holztische und Sofas mit verzierten Kissenbezügen, chinesische Kunst und Schriftzeichen hängen an den Wänden. Das ist Frankes China-Zentrum.

Seit 2012 hat er hier Internatsräume für chinesische Schüler angemietet. Zwei waren es zuerst nur. Heute sind es zwei Dutzend. Betreut würden sie von insgesamt zwölf Personen, berichtet Franke. Es gibt einen chinesischen Koch, der chinesisches Essen für die hauseigene Mensa zubereitet. Untergebracht sind die Schüler in Zweibettzimmern. Ihre Schule: das Ökumenische Domgymnasium, eine Schule in freier Trägerschaft.

Ginge es nach Franke, würden noch mehr Schüler aus China in Magdeburg zur Schule gehen. „Die Nachfrage ist da“, sagt er.

Tatsächlich sind die Zahlen chinesischer Schüler in Magdeburg gering. Laut Bildungsministerium Sachsen-Anhalt waren zu Beginn des vergangenen Schuljahrs 17 chinesische Schüler an Magdeburger Schulen gemeldet, in ganz Sachsen-Anhalt waren es 64. Das ist wenig in einer Welt, in der beinahe jeder fünfte Mensch ein Chinese ist und China einer der wichtigsten Wirtschaftsräume.

Im Bildungsministerium ist man sich der Bedeutung Chinas als Partnerland bewusst, verweist aber auch auf ein „deutlich anderes Gesellschafts- und Staatsmodell“.

Das wird auch im Schulalltag am Domgymnasium deutlich. Für chinesische Schüler werde es schwierig bei „Fragestellungen, in denen problematisiert“ werde, sagt Schulleiter Dietrich Lührs, etwa bei Aufgabenstellungen wie: „Erörtern Sie den Text.“ Sozialkunde, Deutsch und Geschichte seien die schwersten Fächer für die chinesischen Schüler seiner Schule. Hingegen gebe es in den Naturwissenschaften keine Probleme, berichtet Lührs.

Dasselbe ist auch von Lehrern und den chinesischen Schülern selbst am Domgymnasium zu hören. Von Libei Lao etwa. Der 19-Jährige besucht die elfte Klasse des Domgymnasiums, zuvor war er in Bayern auf einer Schule. Seit etwas mehr als drei Jahren ist er in Deutschland. Er will hier das Abitur machen und studieren. Lao sagt, Deutsch, Geschichte und alle Geisteswissenschaften seien schwierig. Und Aufgabenstellungen, in denen er „erklären“ oder „interpretieren“ solle.

In China sei der Unterricht einfach ein anderer, betont Franke. „Frontalunterricht in Klassen mit 50 bis 60 Schülern ist normal in China“, sagt er. An den Schulen gebe es zudem Fahnenappelle. Das alles sei Schülern, die das deutsche Schulsystem gewohnt sind, schwierig zu vermitteln, sagt Franke. Auch deswegen sei ein klassischer Schüleraustausch für ein Jahr eher die Ausnahme.

Noch schwieriger sei es zudem für chinesische Schüler. „Wer einmal das chinesische Bildungssystem verlassen hat, bleibt draußen“, sagt Franke. In China sei kein Wiedereintritt in die Schule vorgesehen, wenn sie einmal verlassen wurde. Der einjährige Schüleraustausch sei deshalb für Chinesen nicht von Interesse, berichtet er.

Nachgefragt werde dafür ein anderes Modell, sagt Franke, ein mehrjähriges. Dabei verbringen Schüler aus China ihre letzten Schuljahre in Deutschland, machen hier ihr Abitur, um dann auch gleich hier zu studieren. Das ist der Weg, den die Schüler in Frankes Internat gehen. Seit 2012 hat er nach eigenen Angaben etwa 50 chinesische Schüler nach Sachsen-Anhalt geholt. Ihre Eltern bezahlen dafür.

Gerne würde Franke noch mehr Schüler herholen. Allerdings ist es ihm bislang nicht möglich, sie an staatlichen Schulen unterzubringen. Er sieht sich blockiert vom Bildungsministerium. Es mache ihn wütend, in der Sache nicht voranzukommen, sagt Franke.

Tatsächlich ist das Interesse, zusätzliche Schüler aus China mehrere Jahre in Sachsen-Anhalt aufzunehmen, ohne dass dafür jemand im Austausch nach China geht, im Bildungsministerium offenbar eher gering: „Der Schwerpunkt unserer Bildungspolitik liegt derzeit darauf, eine gute Unterrichtsversorgung und hohe Qualität der Bildung an den öffentlichen Schulen zu gewährleisten“, heißt es in einer Stellungnahme. Deswegen sei man bestrebt, „keine vermeidbaren zusätzlichen Aufgaben für Schulleitungen und Lehrkräfte einzuführen“.

Eine „ausreichende China-Kompetenz“ auch in Sachsen-Anhalt zu entwickeln, hält das Ministerium allerdings für „wichtig“. Was dafür zu tun ist, werde derzeit noch disktuiert, heißt es in der Stellungnahme.

Für mehr China-Kompetenz in Sachsen-Anhalt könnte auch ein Konfuzius-Institut sorgen. Ähnlich dem deutschen Goethe-Institut sollen Konfuzius-Institute die chinesische Sprache und Kultur im Ausland fördern und kulturellen Austausch ermöglichen. Sachsen-Anhalt ist eines der letzten Bundesländer, die noch kein Konfuzius-Institut haben. Das könnte sich bald ändern. Wie Magdeburgs Wirtschaftsbeigeordneter Rainer Nitsche bestätigte, gebe es derzeit Verhandlungen über die Eröffnung eines Instituts in Magdeburg. Er erwartet noch in 2019 eine Entscheidung.

Libei Lao hat sich darauf eingestellt, noch viele Jahre in Deutschland zu bleiben. Er will hier Maschinenbau studieren und danach am besten noch zwei oder drei Jahre hier arbeiten. Was er hier in Deutschland vermisst? „Chinesisches Essen“, sagt er. Ihm gebe es hier „zu viel Wurst“.