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Stadtrat Magdeburg Linksfraktion spaltet sich

Die Linksfraktion im Magdeburger Stadtrat verliert ihren Fraktionschef sowie zwei weitere Mitglieder. Sie wollen eine neue Fraktion gründen.

07.09.2016, 14:37

Magdeburg l Die Auseinandersetzungen in den Reihen der Linken im Stadtrat – zuletzt in Streitigkeiten über Kleidungsfragen kulminiert – haben am Mittwoch einen Höhepunkt erreicht. Der nunmehr Ex-Fraktionsvorsitzende Frank Theile sowie die Eheleute Helga und Hugo Boeck, langjährige Fraktionsmitglieder schon in früheren Wahlperioden, haben ihren Austritt aus der Stadtratsfraktion Die Linke erklärt.

Der Ratsvorsitzende Andreas Schumann (CDU) bestätigte entsprechende Volksstimme-Informationen. Das abtrünnige Linke-Trio will eine eigene Fraktion gründen, der Partei selbst aber die Treue halten. Theile erklärte zum Austritt u. a., er werde eine öffentliche Diskreditierung seiner Person „niemals hinnehmen“. Für eine weitere Zusammenarbeit innerhalb einer Fraktion sehe er keinerlei Vertrauensbasis mehr.

„Die Volksstimme hat anlässlich des Streits über die Kleiderordnung ausführlich über die Auseinandersetzungen in der Fraktion berichtet. Dem ist nicht viel hinzuzufügen“, sagen Helga und Hugo Boeck. Der Austritt aus der Fraktion fiele ihnen nicht leicht, aber „die Atmosphäre hat sich so entwickelt, dass eine kontinuierliche Arbeit nicht mehr gegeben war“, so Helga Boeck.

Thema mehrerer Volksstimme-Beiträge waren Auseinandersetzungen zwischen jüngeren Fraktionsmitgliedern mit dem Fraktionsvorstand. Hinter der Fassade von Differenzen über die Kleiderordnung im Stadtrat ging es dabei um grundverschiedene Auffassungen zwischen jüngeren und älteren Fraktionsmitgliedern über linke Politik. Theile wurde eine inhaltsarme und zu angepasste Arbeit im Stadtrat attestiert. Wortführer der Theile-kritischen Jungen, die sich eine weniger angepasste Linkspolitik im Rat wünschen, ist der 37-jährige René Hempel, Büroleiter der linken Bundestagsabgeordneten Rosemarie Hein.

Nach der Kommunalwahl 2014 besetzte die Fraktion Linke/Gartenpartei 14 Sitze im Stadtrat. Bereits zu Jahresbeginn hatten der Parteilose Marcel Guderjahn und der Gartenpartei-Rat Roland Zander die Fraktion verlassen. Mit dem Austritt von Theile, Boeck und Boeck schrumpft die Fraktion auf 9 Mandate. Noch nicht absehbar ist, ob weitere Linke in die neue, noch namenlose Linksfraktion Nummer zwei wechseln.

Der Linke-Vizefraktionschef Oliver Müller sagte zum Schritt von Theile und den Boecks: „Wir respektieren die Entscheidung und bedauern außerordentlich, dass es im Vorhinein keine Kommunikation zu dieser Entscheidung in die gesamte Fraktion hinein gegeben hat.“ Für die Fraktion stehe nun die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit im Mittelpunkt.

Beifall für das neue Lager Theile kommt ausgerechnet aus der CDU. Deren Landtagsabgeordneter Tobias Krull nennt auf seiner Facebookseite den Austritt der drei Genossen mit Blick auf die anhaltenden Debatten in der Linksfraktion „nur konsequent“.

Austrittserklärung im Wortlaut
Die Gründe für seinen Austritt erläuterte Theile in einem längeren Schreiben an die Volksstimme, das hier im Wortlaut wiedergegeben wird:

"Zu meinem Austritt aus der Stadtratsfraktion DIE LINKE im Stadtrat der Landeshauptstadt Magdeburg erkläre ich:

1. Zu  Vorgängen in der Stadtratsfraktion Die LINKE in den zurückliegenden Wochen und Monaten und zum öffentlichen Auftreten eines Faktionsmitgliedes dieser Fraktion hat sich  in meiner Abwesenheit der Vorstand der Fraktion DIE LINKE in Form einer Pressemitteilung am 18.08.2016 klar und deutlich artikuliert. Den in vg. Pressemitteilung getroffenen Feststellungen, die bedauerlicher weise nur auszugweise  und unter Entfall von aus meiner Sicht wesentlichen Feststellungen bzw. Details, in lokalen Printmedien veröffentlicht wurden, habe ich nichts hinzuzufügen.

Ich distanziere mich in aller Form von den, in der Pressemitteilung des Vorstandes der Stadtrats-fraktion DIE LINKE vom 18.09.2016 beschriebenen Verhaltensweisen und dem öffentlichen Auftreten des dort namentlich genannten Fraktionsmitgliedes.

Für eine weitere Zusammenarbeit mit dem betreffenden Fraktionsmitglied  innerhalb einer Fraktion sehe ich keinerlei Vertrauensbasis mehr.

2. Ich bedanke mich ausdrücklich bei all jenen Mitgliedern des Stadtverbandes Magdeburg der Partei DIE LINKE und besonders bei den Wählerinnen und Wählern meines Wahlkreises Magdeburg-Nord, die mich unterstützten und förderten und die mir damit meine bisherige politische Entwicklung und mein Wirken im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger ermöglichten. Ich danke insbesondere auch all Denjenigen die mich mit sachlichen Kritiken und qualifizierten Ratschlägen auf meinen Entwicklungs-weg in der Partei, der Fraktion und der Kommunalpolitik begleitet und besonders in schwierigen Situationen und bei schwierigen Entscheidungen solidarisch unterstützt haben.

Ich erwarte von Denjenigen die nun von meinem Schritt entsetzt, empört oder in sonstiger Weise enttäuscht sind, ganz einfach zu akzeptieren, dass ich eine öffentliche Diskreditierung meiner Person,  meiner politischen und beruflichen Vergangenheit und meiner Meinung, nicht hinnehme und niemals hinnehmen werde.

Ich wünsche der Partei DIE LINKE, die Kraft,  den Mut, die Ehrlichkeit und den ganz langen Atem, der   im Hinblick auf heutige (auch innerparteiliche) Entwicklungen zwingender denn je nötig erscheint, um die richtigen und vor allem Bürger_innen/Wähler/innen überzeugenden Schlussfolgerungen aus Wahlniederlagen der vergangenen Jahre und Monate, zu finden. – und Socken (nicht mal die Roten) mögen sie  auch noch so cool und lustig im Ansehen mancher Pseudoparteistrategen erscheinen, habe sich bisher hierfür als wirklich geeignete Instrumente erwiesen."