1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Magdeburg ruft Klimakrise aus

EIL

StadtratMagdeburg ruft Klimakrise aus

Der Stadtrat hat für Magdeburg die Klimakrise festgestellt. Eine Deklaration soll laut Ratsmehrheit weitreichende Folgen haben.

Von Katja Tessnow 21.09.2019, 01:01

Magdeburg l „Für uns ist es wichtig klarzustellen, dass wir bisher zu wenig getan haben“, erklärte Linksfraktionschefin Jenny Schulz die Motivation ihrer Reihen für eine Ratsinitiative bereits im Mai. „Ausrufung des Klimanotstands“ war der Antrag überschrieben und in den vergangenen Monaten kontrovers in den Ratsausschüssen diskutiert worden. Am Donnerstag stand das Finale im Stadtrat an: die Abstimmung.

Ziel der Initiative nach dem Beispiel zahlreicher Bekenntnisse in anderen Kommunen ist die Beschleunigung kommunaler Klimaschutz-Projekte über bloße Lippenbekenntnisse hinaus. Am Begriff des Klimanotstands scheiden sich im Rat die Geister. „Kraftmeierei“ nennt der Umweltbeigeordnete Holger Platz (SPD) das Ringen um die besonders drastische Wortwahl. FDP-Frau Lydia Hüsken erachtet sie sogar als schädlich: „Wir solltem dem Bürger nicht vormachen, dass wir in Magdeburg das Weltklima retten. Ich bin sehr für Umweltschutz, aber mit solchen Begriffen wie Klimanotstand befördern wir den Bürgerfrust und dass Bürger mit der Politik fremdeln.“

Per Änderungsantrag der SPD war der Klimanotstand ohnedies schon zur Klimakrise abgeschmolzen worden. „Es geht uns um die gemeinsame Sache des Klimaschutzes“, sagte Christian Hausmann (SPD) einlenkend und ja – bis 2035.

Damit sprach Hausmann eine entscheidende inhaltliche Marke des Antrages an. Gemäß des Anfang 2018 verabschiedeten „Masterplans 100 % Klimaschutz“ hat sich Magdeburg verpflichtet, bis 2050 eine fast klimaneutrale Stadt zu sein, also den Ausstoß von Treibhausgasen um 95 Prozent zu senken und den Energieverbrauch zu halbieren. Linke, Grüne, future! und schließlich auch die SPD versammeln sich nun hinter dem Ziel der Beschleunigung. Neue Marke: ein klimaneutrales Magdeburg bis 2035. Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) schüttelt über die Zeitmarke – nicht über das Ziel an sich – den Kopf: „2035 bin ich 80. Ich werde genau hingucken. Ich sage Ihnen, das ist nicht zu schaffen.“ Mirko Stage (future!) konterte: „Wir können auch 2080 reinschreiben. Kann aber sein, dass es dann schon zu spät ist.“

Das räumte mit Blick aufs Weltklima auch der Umweltbeigeordnete Holger Platz (SPD) ein. Er hielt einen Abriss auf den wissenschaftlichen Konsens und dass – wird die Erderwärmung nicht eingedämmt – ein Umkehrpunkt überschritten ist, mit dramatischen Folgen für die Menschheit. „Deshalb ist es für folgende Generationen wichtig, dass wir alle etwas tun.“

Hauptverursacher für den CO2-Ausstoß in Magdeburg, so Platz, ist der Verkehr. „Wollen wir null Ausstoß bis 2035, müssen wir jetzt die radikale Verkehrswende einläuten.“ Magdeburgs Klimaschutz-Masterplan sieht eine klare Bevorrechtigung von Fußgängern, Radfahrern und dem Öffentlichen Personennahverkehr gegenüber dem Auto vor.

Wigbert Schwenke, Fraktionschef von CDU/FDP, fühlte sich an DDR-Zeiten erinnert. „Da hieß es auch immer, du bis doch auch für den Frieden.“ Für plakative Initiativen sei seine Fraktion nicht zu haben. Schwenkes Fraktionskollege Stern erklärte, dass Magdeburgs Anteil am Klimawandel verschwindend sei und wies mit dem Finger auf China, USA und Russland. „Das sei ein „ganz falscher Ansatz“ scholt der Oberbürgermeister Stern. Er selbst, so Trümper, gehöre nicht der Riege alter Männer an, die der Klimaschutz nicht interessiere. „Im Gegenteil. Je älter ich werde, desto mehr Sorgen mache ich mir um meine Kinder und Enkel.“

Hoch- und Niedrigrekordmarken des Elbpegels zitierte Trümper als Symptome des Klimawandels vor der Haustür. „Das hat es so nie gegeben, auch nicht in Ottos Magdeburg.“ Die Entwicklung sei eindeutig, „das bezweifelt heute auch niemand mehr ernsthaft – oder doch (in Richtung AfD – d. Red.) ein paar noch“. Richtig sei, dass jeder, auch jeder Magdeburger, etwas tun müsse. Im Detail sieht Trümper Probleme bei der Umsetzung. „Wenn es konkret wird, wie bei der Biogasanlage, sitzen wieder alle unter ihren Bänken und sagen, bei mir nicht.“

Am Ende versammelten sich Grüne/future!, Linke und SPD hinter dem Wunsch nach einer härteren Gangart in Sachen Klimaschutz in Magdeburg; CDU/FDP und AfD lehnten ab.