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Stammzellenspende Einmal Leben retten, bitte!

Ohne Stefanie Ulbrich wäre Lieselotte Erikmen vielleicht nicht mehr am Leben. Spenderin und Patientin trafen sich in Magdeburg.

Von Franziska Ellrich 19.06.2017, 01:01

Magdeburg l Erst schrieben Stefanie Ulbrich und Lieselotte Erikmen sich einen Brief. Dann telefonierten die beiden Frauen regelmäßig und schickten sich gegenseitig Fotos. Jetzt trafen sie sich zum ersten Mal persönlich, saßen einen ganzen Tag lang Seite an Seite und konnten sich in die Augen schauen. Die Deutsche Stammzellenspenderdatei hatte am 16. Juni 2017 in den Herrenkrug eingeladen und dabei Spender-Empfänger-Paare an einen Tisch gebracht.

Stefanie Ulbrich wird diese erste Begegnung in Magdeburg als „sehr herzlich und offen“ in Erinnerung bleiben. Die 34-Jährige aus Zarrentin in Mecklenburg-Vorpommern und die 65-jährige Lieselotte Erikmen aus Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen sind „genetische Zwillinge“. Und nur deswegen konnte Stefanie Ulbrich mit ihrer Stammzellenspende das Leben von Lieselotte Erikmen retten. Die Wahrscheinlichkeit für einen erkrankten Menschen seinen „genetischen Zwilling“ zu finden, liegt weltweit zwischen eins zu 600 und eins zu einer Billion.

Als Lieselotte Erikmen vor drei Jahren von einem Arzt die Diagnose MDS (Myelodysplastisches Syndrom) gestellt bekommt, sei für sie eine Welt zusammengebrochen. Ihr Knochenmark war nicht mehr in der Lage, aus den Stammzellen vollständig funktionstüchtige Blutzellen zu bilden. Die Mönchengladbacherin spricht von einem Blutabnahme-Marathon, von Krankenhausaufenthalten und der Chemotherapie. „Die Angst war riesengroß“, sagt Lieselotte Erikmen.

Während die heute 65-Jährige diese Tortour durchmacht, erhält Stefanie Ulbrich im 500 Kilometer entfernten Zarrentin ein kleines Paket – mit einem Röhrchen und einem Brief dazu. Darin steht, dass ihre Stammzellen dringend gebraucht werden. Die 34-Jährige hat sich vor mehr als zehn Jahren bei einem Blutspende-Termin typisieren lassen. Noch nicht wie heute mit einem Abstrich, der aus dem Mund genommen wird, sondern damals wurde ihr Blut abgenommen, um die Gewebemerkmale zu analysieren.

Als dann eine Patientin, deren entscheidene Gene mit denen von Stefanie Ulbrich übereinstimmen, ihre Hilfe braucht, zögert die Mutter eines Sohnes keinen Moment. Sie weiß, wie dringend Blutkrebs-Patienten nach einer harten Chemotherapie die neuen Stammzellen brauchen – um zu überleben. Vier Stunden hat die Abnahme gedauert, ähnlich einer Blutspende. Doch die Menge der Stammzellen reicht beim ersten Mal nicht aus. Stefanie Ulbrich spendet gleich noch ein weiteres Mal. Für wen, das weiß sie damals noch nicht. Deswegen lässt sie nach der Spende eine Postkarte mit der Anrede, liebe Unbekannte, an die Empfängerin weiterleiten. Dazu packt Stefanie Ulbrich einen kleinen Schutzengel, mit dem sie der Patientin Kraft und Mut senden will.

Diesen Engel besitzt Lieselotte Erikmen auch noch drei Jahre danach, trägt ihn immer bei sich. Heute geht es ihr wesentlich besser. Lieselotte Erikmen, von allen nur Lotti genannt, kann sich noch gut daran erinnern, wie sie in der Klinik die Post von ihrer Spenderin öffnete: „Ich war fix und fertig, die Emotionen haben mich überwältigt.“ Lieselotte Erikmen sei einfach nur dankbar gewesen. Und das macht sie in einem Antwortbrief deutlich. Den holt Stefanie Ulbrich ein paar Wochen nach der Spende aus ihrem Briefkasten. Darin steht: „Sie haben mir sehr geholfen und ein neues Leben ermöglicht. Danke für dieses einmalige Geschenk. Lotti.“

Zwei Jahre lang müssen Spender und Empfänger anonym bleiben, nur die Vornamen dürfen bei beiderseitigem Einverständnis ausgetauscht werden. Dass die beiden Frauen sich jetzt nach langen Telefonaten, einmal in den Arm nehmen können, ist für Lieselotte Erikmen ein „Gefühl der Vervollständigung“. Sie sei so dankbar, dass es Menschen wie Stefanie Ulbrich gibt. „Ohne solche Spender könnte der Arzt noch so gut sein und es würde alles nichts helfen“, erklärt die 65-Jährige. Und drückt fest die Hand ihrer Lebensretterin.