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Studienprojekt Wenn Kita-Lärm krank macht

Warum ist der Krankenstand in Kitas besonders hoch? Dieser Frage geht ein Studienprojekt der Hochschule Magdeburg-Stendal nach.

Von Peter Ließmann 29.05.2018, 01:01

Magdeburg l In den Kitas in Sachsen-Anhalt liegt der Krankenstand bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich über dem Durchschnitt. „Zum Teil liegt er rund 25 Prozent höher als in anderen Branchen“, sagt Prof. Dr. Rahim Hajji, Professor für Forschungsmethoden im Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Der Grund dafür sei in den speziellen Arbeitsbedingungen in Kitas zu suchen. „Untersuchungen haben ergeben, dass es in Kita-Gruppen zum Teil sehr laut ist. Nicht selten werden dort Spitzenlärmpegel von über 110 Dezibel erreicht“, so Prof. Hajji. Das entspreche der Lärmbelastung in einer Diskothek, ein Düsenjäger ist „nur“ 20 Dezibel lauter.

Dieser hohe Lärmpegel führe über längere Zeit bei nicht wenigen Erzieherinnen und Erziehern zu Gehörproblemen, verbunden mit Ohrenschmerzen. Auch löse Lärm Ermüdungserscheinungen aus und könne das Immunsystem negativ beeinflussen.

Diese Erkenntnisse waren die Ausgangslage für ein Projekt im Rahmen eines Masterstudienganges „Gesundheitsförderdernde Organisationsentwicklung“, das Prof. Hajji zusammen mit den Studierenden Hannah Bleier, Franziska Böhm, Loreen Ender, Jasmin Funke, Antonia Halt, Isabel Göhringer, Linda Haug, Carsten Knecht, Paulina Liebig, und Anika Siebert umgesetzt hat. Ziel des Projekts: Methoden zu entwickeln, mit denen in Kitas dem hohen Krankenstand vorgebeugt werden könnte.

Als Partner konnte dafür der Magdeburger „Internationale Bund“ gefunden werden. Der Sozial- und Bildungsträger betreibt 23 Kitas, somit standen Hajji und den Masterstudierenden 290 Kita-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter für eine Befragung zur Verfügung. „Denn das war der Anfang des Projekts; durch eine wissenschaftlich fundierte Befragung erst einmal genauer herausbekommen, wo die Probleme liegen und unter welchen psychischen und physischen Belastungen die Mitarbeiter stehen, die zu dem erhöhten Krankenstand führen“, erklärt Prof. Hajji dazu.

Von den 290 Erzieherinnen haben 199 entsprechende Fragebögen ausgefüllt. Das habe eine recht gute Datenlage ergeben.

An der Auswertung aller Fragebögen konnte dann festgestellt werden, dass nicht nur die Lärmbelastung den Erzieherinnen zusetzt, sondern dass unter anderem auch die Größe der Gruppen, die Atmosphäre im Team und der Zustand der Kita (modern oder sanierungsbedürftig) eine wichtige Rolle für die Höhe des Krankenstandes spielen.

Allerdings: Der Kurzschluss „alles schlecht, hohen Krankenstand“ und „alles gut, geringer Krankenstand“ wäre bei der Bewertung der Daten „zu kurz gesprungen“ gewesen. „Wir konnten ermitteln, dass, wenn das Team sehr gut ist, die Erzieherinnen auch viel schneller bereit waren, Belastungen länger ,auszuhalten‘, sie also an ihre körperlichen Grenzen gingen“, so Prof. Hajji. Oder, dass dort, wo der Druck am größten war, der Wille der Mitarbeiter zu Veränderungen ebenfalls am größten war.

Zusammengefasst haben Hajji und seine Studierenden festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen, wie Betriebsklima, Informationspolitik im Unternehmen, Personalmanagement, räumliche Rahmenbedingungen, Rückzugmöglichkeiten, Lärmbelastungen, Arbeitsanforderungen, Entwicklungsmöglichkeiten und Wertschätzung einen großen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit und die subjektive Gesundheitseinschätzung der Erzieherinnen haben.

Ganz nach dem Hochschul-Motto „Die wissenschaftliche Forschung entdeckt und beschreibt Probleme, wir lösen sie“ haben die Studierenden und Prof. Hajji ein Maßnahmen-Konzept erarbeitet, mit dem der Krankenstand in Kitas gesenkt werden könnte. „Dabei geht es darum, bei den Mitarbeitern und der Unternehmensführung ein Bewusstsein für die Probleme und für ein notwendiges Gesundheitsmanagement zu schaffen“, sagt Prof. Hajji.

Wichtigste Grundlage dafür sei eine angstfreie Kommunikation aller Bereiche miteinander. In den Kitas sollen sogenannte „Gesundheitslotsen“ ausgebildet werden, an die sich die Mitarbeiter mit Problemen wenden können oder die ihrerseits Probleme auffinden. Auch sind Gesundheitszirkel wichtig, in denen Probleme besprochen und Lösungen gesucht werden können. „Im kommenden Monat werden zwei Workshops stattfinden, in denen die Führungskräfte geschult werden.“

Mit dem Internationalen Bund habe man einen Projektpartner finden können, der auch tatsächlich daran interessiert sei, etwas für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun, so die Einschätzung von Prof. Hajji. „Oft machen wir die Erfahrung, dass sich Projektpartner unsere Konzepte zur Gesundheitsförderung in Unternehmen vorlegen lassen, die dann aber nicht umgesetzt werden.“

Und wie geht es weiter? „Das ist noch offen. Gut wäre es, wenn das Projekt mit Masterstudierenden weitergeführt werden könnte, um vor allem auch auswerten zu können, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen wirkungsvoll sind oder nicht“, sagt Prof. Hajji abschließend.