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Wirtschaft Was hat Magdeburg von Amazon?

Amazon will bei Magdeburgs 2200 Arbeitsplätze schaffen. Rainer Schweingel sprach darüber mit Wirtschaftsdezernet Rainer Nitsche (CDU).

Von Rainer Schweingel 27.10.2018, 01:01

Volksstimme: Amazon baut in Osterweddingen, nicht in Magdeburg. Ärgern Sie sich?

Rainer Nitsche: Nein. Bisher kenne ich keine offizielle Bestätigung des Projekts durch das Unternehmen. Falls Ihre Informationen zutreffen sollten, freue ich mich natürlich über ein größeres Projekt in der Region Magdeburg, das neue Arbeitsplätze in die Region bringt.

Volksstimme: Ein Standort in Magdeburg wäre aber sicher trotzdem besser gewesen aus Magdeburger Sicht.

Rainer Nitsche: Magdeburg kann derzeit nicht aus dem Stand eine solche große Fläche von 45 Hektar bieten, wie sie anscheinend benötigt wird. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Amazon kommt und sich hier vor den Toren Magdeburgs ansiedelt.

Volksstimme: Magdeburg und Osterweddingen kooperieren bei dem betreffenden Gewerbegebiet schon viel Jahre. Welche Vorteile ziehen wir als Stadt daraus?

Rainer Nitsche: Wir sind bei Ansiedlungen eingebunden und können Unternehmen etwas anbieten, was in Magdeburg nicht möglich wäre. Es gibt dazu einen Vertrag mit der Gemeinde, den wir derzeit gerade gemeinsam überarbeiten. Wir wollen dort die Vereinbarungen an die aktuellen Bedingungen anpassen. Unter anderem geht es um die Frage, welche Ansiedlungen passen besser nach Sülzetal und welche besser nach Magdeburg.

Volksstimme: Das bedeutet genau?

Rainer Nitsche: Einzelheiten kann ich nicht nennen, weil sie Gegenstand der Verhandlungen sind. Wir passen den Vertrag den aktuellen Bedingungen an und schreiben ihn fort. So ein Vertrag ist ja nicht etwas Starres. Das haben wir ja auch in anderen Fällen gesehen. Ich erinnere da nur an den Vertrag mit Barleben und der Zoobeteiligung, über die vor Gericht gestritten wurde.

Volksstimme: Noch mal nachgefragt: Wird es bessere Bedingungen für Kosten und Erlöse im Zusammenhang mit dem Gewerbegebiet für Magdeburg geben?

Rainer Nitsche: Ziel einer jeden Vertragsveränderung ist, einzelne Punkte zu verbessern. Ich glaube, wir sind da mit Sülzetal auf einem guten Weg. Es gibt viele gemeinsame Interessen: gemeinsames Standortmarketing z. B. im Ausland und Vermarktung im Einzelfall, Verwaltungsdienstleistungen und Infrastruktur, um nur einiges zu nennen.

Volksstimme: Hat Magdeburg eigentlich eine Art Vetorecht, Investitionen vor den Toren zu verhindern, um sie aufs Stadtgebiet zu ziehen?

Rainer Nitsche: Nein. Und das wäre auch nicht gut. Investoren schauen nach den besten Bedingungen. Das kann die Stadt sein. Das kann auch das Land davor sein. Wichtig ist, wenn sie überhaupt in die Region kommen. Wir wären deshalb wie gesagt sehr froh, wenn der Versandhändler kommt, hier baut und Arbeitsplätze schafft. Das hilft Magdeburg und der Region.

Volksstimme: Sie haben gesagt, Magdeburg habe derzeit nicht so große Flächen im Angebot. Als Investor würde ich sagen, ein klarer Standortnachteil. Warum haben wir nicht solche Flächen?

Rainer Nitsche: Weil wir in unseren Gewerbegebieten schon gut ausgelastet sind, der Wirtschaftsstandort Magdeburg hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung genommen. Derzeit haben wir in Rothensee zwei verfügbare Flächen von 12,5 und 14 Hektar, für die es auch schon mehrere Interessenten gibt. Wir prüfen da gerade, was am besten passt.

Volksstimme: Das ist eine gute Nachricht, beantwortet die Frage nach großen Flächen aber nicht.

Rainer Nitsche: Wir sind hier auch auf einem guten Weg. Derzeit greifen wir öffentlich längst bekannte Pläne wieder auf und schauen uns eine etwa 400 Hektar große Fläche am Eulenberg im Südosten der Stadt an. Es gibt dazu auch schon Gutachten. Dabei geht es unter anderem um Natur und Tierschutz und den Verlauf der neuen Stromtrassen, die an Magdeburg vorbei führen sollen. Beim Eulenberg handelt es sich um die Fläche, die wir vor Jahren schon mal für eine mögliche Ansiedlung von BMW ins Auge gefasst hatten, die dann aber leider nach Leipzig ging. Wir bereiten uns also weiter vor, damit wir auch große Flächen anbieten können.

Volsstimme: Dem Vernehmen nach geht es um 2200 direkte Arbeitsplätze. Haben wir die denn in Magdeburg frei, Wirtschaft und Handwerk suchen doch schon jetzt händeringend Arbeitskräfte?

Rainer Nitsche: Im Bereich der Logistik haben wir ja schon einige Unternehmen hier. Beim Bedarf von Amazon dürfte es sich um eine ganze Bandbreite handeln - vom einfachen Arbeitsplatz bis zum hochkomplexen Job. Da sind durchaus noch Reserven in Magdeburg und der Region vorhanden. Nach unseren Informationen soll es zwar schon einen akuten Mangeln an Fahrern in der Branche geben. Grundsätzlich aber sind noch Arbeitskräfte vorhanden, die diese Jobs ausfüllen könnten. Schwieriger wird es dagegen schon in Bereichen wie Maschinenbau oder im IT-Sektor, erst recht im Handwerk.

Volksstimme: Rechnen Sie mit einem positiven Effekt für geringer qualifizierte Arbeitnehmer in unteren Lohnbereichen, weil sie durch die Amazon-Ansiedlung plötzlich noch mehr gefragt und von Arbeitgebern damit noch mehr „umkämpft“ sind?

Rainer Nitsche: Solche Effekte sind möglich. Das haben wir auch schon in anderen Bereichen und auch höheren Lohnbereichen gesehen, etwa im Maschinenbau oder infolge der Ansiedlung von IBM in Magdeburg. Bei der IT gibt es einen regelrechten Kampf um Köpfe.

Volksstimme: Wenn Amazon kommt, 45 Hektar bebaut und 2200 Arbeitsplätze schafft, dann wird es auch Zulieferer und Partner für den Versandhändler geben müssen. Was erhofft sich da Magdeburg direkt?

Rainer Nitsche: Das wird so sein. In Zahlen kann ich das nicht ausdrücken. Aber genau auf diesem Feld arbeiten wir derzeit auch, um bei Großansiedlungen möglichst viel Wertschöpfung in Magdeburg zu halten oder hierher zu holen.