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Wohnen Streit um soziale Mieten in Magdeburg

Wie teuer darf ein Arbeitsloser in Magdeburg wohnen? Die Linke im Stadtrat fordert die Überprüfung der Unterkunftsrichtlinie.

Von Katja Tessnow 11.04.2018, 01:01

Magdeburg l Linke und Gartenparteiler im Stadtrat Magdeburg haben Bauchschmerzen mit Blick auf die Entwicklung des Wohnungsmarktes in Magdeburg. Die Gartenpartei fordert eine Bedarfsanalyse vor allem zur Notwendigkeit sozialen Wohnungsbaus. Die Linke fordert gleich einen Maßnahmeplan zur Schaffung von Sozialwohnungen und die Überprüfung der Magdeburger Unterkunftsrichtlinie. Sie legt fest, zu welchen Konditionen etwa Arbeitslose und deren Kinder oder Senioren mit Minirente wohnen dürfen – Menschen also, für die der Staat die Miete teilweise oder komplett übernimmt.

Die Linke will geprüft wissen, ob hier mit Blick auf steigende Mieten nicht nachjustiert werden müsste. Anlass für die genannten Ratsinitiativen sind Debatten über sozialverträgliche Mieten am Beispiel der beiden prominenten Wohnungsneubau-Projekte von Wobau und Genossenschaften in Nachbarschaft zum Dom und am Rande des Stadtparkes. Die Vorstellung davon, was sozial verträgliche Mieten in Magdeburg heute sind, gingen dabei weit auseinander und pendelten sich zwischen 6 und 8 Euro pro Quadratmeter/kalt ein.

Die Sozialbeigeordnete Simone Borris (parteilos) reagierte im Stadtrat Magdeburg ungehalten auf den Linke-Vorstoß: „Ihr Antrag geht von völlig falschen Voraussetzungen aus!“ Die Linke hatte argumentiert, dass ein Mietzins von 4,60 Euro/Quadratmeter, wie er Hartz-IV-Empfängern heute in Magdeburg zugebilligt werde, möglicherweise nicht mehr zeitgemäß sei.

Borris parierte: „Die 4,60 Euro sind schon seit 2015 nicht mehr üblich und 2018 ist eine neue Anpassung der Unterkunftsrichtlinie geplant.“ Die Initiative der Linken sei überflüssig, weil die Verwaltung dieser Aufgabe schon aus eigener Verantwortung nachkomme. Eine Auskunft zur aktuellen Höhe der maximalen Kaltmietsätze für Hartz-IV-Bezieher blieb Borris im Stadtrat schuldig.

Eine Ratsmehrheit aus SPD, Linke/future!, Grüne, Gartenpartei und Links für Magdeburg vertagte die Debatte zum sozialen Wohnen in Magdeburg in die Fachausschüsse, womit sie alles andere als vom Tisch ist.

Die Volksstimme recherchierte in den aktuellen Richtlinien zur Unterbringung und ihren Anlagen. Im Widerspruch zur Aussage der Sozialbeigeordneten im Stadtrat weisen „Angemessenheitsrichtwerte“ zur Netto-Kaltmiete je nach Personenzahl einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft Sätze zwischen 4,60 und 4,80 Euro aus, also etwa in dem Bereich, wo sie die Linke annahm. Borris rechtfertigt ihren Einwand auf Nachfrage: „Dieser Wert wird aber lange nicht mehr so stringent angesetzt, wie es einmal Praxis war.“ Er gelte für die maximal zulässige Wohnungsgröße. Betroffene könnten kleinere Wohnungen zu höheren Quadratmeterpreisen anmieten.

Eva Domass, Geschäftsführerin des Mietervereins Magdeburg e. V., hält es für schwierig, in Magdeburg Wohnungen für Quadratmeterpreise von unter 5 Euro zu finden. „Mag sein, dass es noch ein paar im Neustädter Feld oder in Olvenstedt gibt, aber wir sind hier immer schon froh, wenn wir mal einen neuen Mietvertrag mit 5 Euro oder knapp darüber sehen.“

Domass teilt die Auffassung der besorgten Ratsfraktionen: „Auch wir haben den Eindruck, dass sich in Magdeburg verstärkt dem Bau von Wohnungen für gehobene Kundschaft gewidmet wird und Kleinverdiener mit ihren Bedürfnissen vergessen werden.“ Die Miet-, aber mehr noch die Nebenkosten-Richtwerte aus der aktuellen Magdeburger Unterkunftsrichtlinie hält Domass mit Blick auf real anfallende Kosten für grenzwertig bis zu gering und fragt biblisch wie zugespitzt: „Oder sollen die Leute wie in Bethlehem in einen Stall ziehen?“