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Wohnprojekt Inklusion heißt auch Leben in der Innenstadt

Grundsteinlegung für ein Projekt der Lebenshilfe: In Magdeburg entsteht ein Wohnhaus für Menschen mit Behinderungen sowie ein Pflegezentrum.

Von Marco Papritz 09.05.2017, 10:00

Magdeburg l „Wir möchten ein eigenes Bad, wir möchten mit Kollegen und Freunden zusammenleben. Und wir möchten, dass uns auch Freunde mit einem Rollstuhl problemlos besuchen können, und wir möchten mitten im Leben, mitten in der Stadt sein.“ So fasst Bernd Holze vom Bewohnerbeirat der Lebenshilfe die Wünsche und Hoffnungen all jener Menschen mit Behinderungen zusammen, die künftig im neuen Wohnhaus in der Leipziger Straße mit 72 barrierefreien Plätzen mit angegliedertem Bad und kleinem Balkon in gruppengegliederten Wohnbereichen und Gemeinschaftsräumen wohnen werden.

Das als Ersatzneubau für den in die Jahre gekommenen Zehngeschosser am Schrotebogen geplante Apartmenthaus soll zudem die Frage klären, wie Behinderte im Alter betreut werden. „Das ist ein großes Problem, dessen sich die Gesellschaft annehmen muss“, verwies Klaus-Dieter Pantke, Vorstandsvorsitzender des Lebenshilfe-Vereins.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es nun erstmals eine Generation von Menschen mit Behinderungen, die das Rentenalter erreicht. Fast 600 von ihnen sind in den vier Werkstätten der Lebenshilfe beschäftigt. Zwei Drittel der Mitarbeiter, deren Durchschnittsalter zwischen 40 und 50 Jahren liegt, werden von ihren Eltern betreut. Es gelte Lösungen anzubieten für den Fall, dass die Eltern versterben, so Pantke. „Man kann sie nicht wie ‚normale‘ Senioren in einem Altersheim unterbringen, denn sie sind oft mehrfach behindert und benötigen daher eine besondere Fürsorge“, so der Vorsitzende bei der Grundsteinlegung, bei der u. a. Vertreter aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik sowie des Landes und der Stadt Magdeburg begrüßt wurden.

Diese Sachlage war der Ausgangspunkt für die Planungen für das Wohnhaus und das Pflegezentrum mit 76 Plätzen, die auf einer Fläche zwischen Leipziger Straße und Halberstädter Straße entstehen. Die Stadt und der Stadtrat „haben sich mit dem Entschluss, das Gelände an die Lebenshilfe zu verkaufen, zum Projekt bekannt“, bewertete Heike Woost, Geschäftsführerin des Lebenshilfe-Werkes, den Kauf vor vier Jahren. Und: „Seitdem haben wir von ihnen viel Unterstützung für das innovative, zukunftsorientierte Bauvorhaben erfahren.“

Dies könne von der Sozialagentur in Halle nicht unbedingt gesagt werden, wie bei der Grundsteinlegung deutlich wurde. Sie ist Träger der Kosten für die Unterbringung eines behinderten Menschen, der dafür einen Rechtsanspruch hat. Dem Vorhaben, die Apartments mit einer Größe von 18 Quadratmeter und samt eigener Nasszelle bauen zu wollen, hielt die Agentur Standards entgegen, die Anfang der 1990er Jahre verfasst wurden und eine Zimmergröße von 12 Quadratmeter vorsehen. Zum Vergleich: Gefängnisinsassen stehen ebenfalls 12 Quadratmeter zu, für Hunde mit einer Größe von mindestens 65 Zentimetern sind es 10 Quadratmeter.

Diese unterschiedlichen Auffassungen führten zu Verzögerungen in der Planung. Denn: Ohne die Zustimmung der Sozialagentur kann für das Wohnhaus keine Abschreibung vorgenommen und ohne Abschreibung das Projekt nicht gestemmt werden. „Eine Odyssee“, wie Pantke sagte, der zugleich eine Anpassung der Standards forderte. Denn während die Abschreibung für das Wohnhaus eigens festgelegt werden muss, kann sie beim Schwesternbau des Pflegezentrums quasi automatisch vorgenommen werden. Sozialministerin Petra Grimm-Benne warb in ihrem Grußwort für Verständnis: „Bei der Sozialagentur hält man sich auch nur an Vorgaben, die Mitarbeiter machen eine gute Arbeit.“

Mit der Grundsteinlegung soll ein neues Kapitel in dem Großprojekt geschrieben werden. Bis Ende 2018 sollen die beiden Häuser stehen, so Architekt Ulrich Kirchner. Im Pflegezentrum ist eine Cafeteria sowie Platz für eine Hausarztpraxis vorgesehen.