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Zoo Magdeburg Wenn Affen für die Wissenschaft spielen

Das Affenhaus im Zoo Magdeburg wird digital. Zumindest zeitweise. Eine Wissenschaftlerin forscht mit den Schimpansen an Touchscreens.

Von Anja Guse 09.05.2019, 11:38

Magdeburg l Angepinkelt, bespuckt, mit Kot beworfen – wer mit Schimpansen arbeitet, muss sich einiges gefallen lassen. Das weiß auch Elisa Felsche. Und trotzdem, die Arbeit mit den Menschenaffen sei für die 25-Jährige sehr aufregend, berichtet sie.

Felsche, geborene Magdeburgerin und Doktorandin an der schottischen Universität St. Andrews im Bereich Psychologie, arbeitet in dieser Woche im Menschenaffenhaus im Zoo Magdeburg. Sie will ausloten, inwieweit die zehn Schimpansen Kofi, Bangolo, Minga, Mufasa, Sambala, Sokoto, Mumin, Kananga, Ubangi und Nana für ein umfangreiches Projekt zur Erforschung der kognitiven Fähigkeiten von Primaten bereit sind. Sprich, ob die Affen motiviert sind, Aufgaben an einem Touchscreen zu lösen, und ob es sich lohnt, sie in Zukunft in entsprechende Projekte rund um die Erforschung der „Evolution des Gehirns bei Menschenaffen“ zu integrieren.

Fazit nach nur drei Tagen: Die Schimpansen sind bereit. Und der Zoo Magdeburg auch. Vielmehr wäre der Zoo sogar stolz, würde Felsche die Forschungsarbeit eines Tages – vielleicht schon 2020 – hier mit ihren Kollegen Matthias Allritz (St. Andrews) und Christoph Völter (Wien) aufnehmen. Zoochef Dr. Kai Perret – selbst Experte im Bereich Menschenaffen – sagt: „Eine Forschungsarbeit auf so hohem Level wäre ein sehr wichtiges Prestigeobjekt für uns und würde den Wissenschaftsstandort Magdeburg stärken.“

Doch zuvor also erst einmal eine Testwoche. Und die ist für Schimpansen, Zoochef, Tierpfleger und Wissenschaftlerin Felsche gleichermaßen spannend. Wie werden die Affen auf die Forschung reagieren? Machen sie mit? Wer zieht sich zurück? Fragen über Fragen.

Die Aufgabe für die Schimpansen klingt einfach: An einem Gehege ist am Gitter ein großer Bildschirm – ein Touchscreen – angebracht. Auf diesem erscheinen Bilder – erst ganz groß, später immer kleiner und an verschiedenen Positionen. Elisa Felsche hat – in sicherem Abstand außerhalb des Geheges – einen Laptop vor sich. Er ist mit dem Touchscreen verbunden. Auf ihrem Bildschirm erscheinen dieselben Bilder an derselben Position wie auf dem Touchscreen. Die Schimpansen sollen nun die Bilder berühren. Tun sie dies erfolgreich, wird der Bildschirm grün und Felsche schiebt zur Belohnung ein Leckerli in Form von Äpfeln, Weintrauben oder Erdnüssen durch das Gitter.

Es scheint, den Affen machen diese Spiele sehr viel Spaß. Insbesondere Bangolo. Immer wieder schiebt er die anderen Schimpansen beiseite, drängelt sich regelrecht vor. Kein Wunder, er kennt die Spiele schon. Für ihn gibt es komplexere Aufgaben. Felsche hatte während ihres Psychologiestudiums an der TU Dresden und während ihrer Masterarbeit mit ihm und seinem Halbbruder Kofi bereits im Zoo Leipzig gearbeitet. Beide Schimpansen kamen im Januar 2018 nach Magdeburg. Ob sie Felsche nun wiedererkannt haben? „Das weiß ich nicht“, meint sie. „Schimpansen sind sehr erhaben, sie zeigen das nicht so.“

Weil Bangolo sich immer wieder vordrängelt, kommen die anderen nicht zum Zug und damit nicht zum Leckerli. Sokoto reagiert verärgert – und pullert einfach drauflos. Auch Felsche bekommt einiges ab. Doch sie lächelt tapfer. Alles halb so schlimm. Hauptsache, die Technik wird nicht nass.

Jetzt wird das Gedrängel am Touchscreen groß. Tierpflegerin Julia Schrage versucht, die Schimpansen mit Äpfeln wegzulocken. Vor dem Bildschirm kann schließlich immer nur ein Affe sitzen.

Im nächsten Moment schafft es Sambala an den Bildschirm. Sie und Sokoto sind sehr schlau. Das bestätigte sich schon nach wenigen Stunden während des Tests. „Mufasa und seine Mutter Mumin dagegen sind davon nicht so begeistert“, erzählt Tierpflegerin Schrage. Und Zoochef Perret ergänzt: „Es ist wie bei uns Menschen. Der eine ist interessiert, der andere hat keine Lust.“

Doch wie ist das Projekt eigentlich ethisch zu bewerten? Perret hat keine Bedenken. „Alles beruht auf Freiwilligkeit. Hat ein Schimpanse keine Lust, muss er auch nicht mitmachen. Die Tür steht jederzeit offen, so dass er zurück ins große Gehege kann“, erklärt er. Zudem sei es für die Schimpansen eine hervorragende Abwechslung. „Diese Tiere brauchen aufgrund ihrer hohen Intelligenz unbedingt Beschäftigung. Da passt das sehr gut.“ Und Forscherin Felsche fügt an: „Meine Uni hat einen Ethikrat. Dort haben wir das Projekt natürlich angemeldet.“

Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, ob sie und ihre Kollegen tatsächlich in einigen Monaten mit der eigentlichen Forschungsarbeit in Magdeburg beginnen können. Damit das klappt, sollen nun Forschungsgelder besorgt und ein Forschungsantrag gestellt werden – auch für zwei Bildschirme, damit Bangolo seinen eigenen hat und die anderen Schimpansen dennoch „mitspielen“ können.

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