Gedenken Trauer ohne Volk

Es zeichnet sich bereits seit Jahren ab: Die öffentliche Anteilnahme an den Kranzniederlegungen am Volkstrauertag sinkt.

Von Harald Schulz 15.11.2020, 17:55

Oebisfelde l Es war am Sonntag der 75. Volkstrauertag nach Ende des Zweiten Weltkrieges, an dem der Opfer von Krieg, Folter, Verfolgung und Vertreibung gedacht wurde. Das Beflaggen von öffentlichen Gebäuden und eine zentrale Gedenkfeier in Berlin zeugten von der öffentlichen Anteilnahme des Staates durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeyer, der Ansprache von Prinz Charles und Reden von jungen Menschen aus Europa. Aber nicht überall fanden Gedenken im sonst gewohnten großen und kleinen Rahmen statt – geschuldet der Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der zweiten Infektionswelle der Corona-Pandemie. Nicht aber im Stadtbereich von Oebisfelde.

Ortsbürgermeisterin Bogumila Jacksch hatte den Kofferraum ihres Autos mit acht Gestecken bestückt, war bereits früh auf eine Tour zu mehreren Mahnmalen aufgebrochen. Dort legte sie im Gedenken in aller Stille jeweils diese Ehrbezeugungen nieder. Gleich in Buchhorst gab es zwei stille Gedenkfeiern an Orten, die vielleicht die ganze schreckliche Fratze von Krieg, Gefangenschaft, Tod und Pein widerspiegeln. Am Ehrenmal am Feuerwehrhaus wird an die Gefallenen beider Weltkriege und die dadurch vermissten Buchhorster Männer erinnert. Jacksch wurde beim Gedenken von Stadtrat Klaus Gerike, Ortschaftsratsmitglied Marco Sobotta sowie Ulrich Grabow von der Jagdgenossenschaft und Ortswehrleiter Patrick Konkiel begleitet.

Bei dem anschließenden Gedenken auf dem neu gestalteten Ehrenfriedhof mit den Grabstellen für 53 KZ-Häftlinge, die dort ihre letzte Ruhe fanden, war die Runde noch etwas kleiner. Diese Gedenkstätte besitzt jedoch historische Brisanz: Ein mit den KZ-Häftlingen besetzter Güterzug kam im April-Monat 1945 im Bereich des Buchhorster Bahnhofs zum Stillstand. Als der Transport nach Tagen weiterfuhr, blieben 53 Tote zurück. Einwohner von Buchhorst mussten die Toten unter Zwang von Soldaten der Roten Armee und unter Aufsicht von Bewachungspersonal zunächst aus einem Massengrab ausbuddeln, waschen und dann auf den Ehrenfriedhof umbetten. Ein Szenario, das bis heute Spuren hinterlassen hat. Ortsbürgermeisterin Jacksch hält es aber für wichtig, dass am Volkstrauertag allen Opfern von Kriegsfolgen gedacht wird, wie schrecklich das einzelne Schicksal von Leidtragenden auch gewesen sein mag.

An der Gedenkstätte in Oebisfelde hatten sich kleine Abordnungen der Schützengilde, Feuerwehr, des Heimatvereins und des Ortschaftsrates versammelt, um zu gedenken. Es fehlten auch dort die jüngere Generationen. Ein ähnliches Bild für die Anteilnahme bot sich in Breitenrode, Wassensdorf, Weddendorf und Lockstedt. Für die Ortsbürgermeisterin bleibt wichtig, diesen Tag im lebendigen Gedächtnis zu behalten.