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Tagesmutter Wie einen Sack Flöhe hüten

Die zweifache Mutter Merle Micknaß aus Oebisfelde hat sich ganz bewusst für die Arbeit als Tagesmutter entschieden.

Von Harald Schulz 12.11.2017, 02:00

Oebisfelde l Seit acht Jahren betreut sie Kinder aus dem Raum Wolfsburg und aus der Oebisfelder Region. Über die Freude, aber auch über Probleme erzählt die 31-Jährige. In diesen Novembertagen benötigt die freiberufliche Tagesmutter Merle Micknaß schon des Öfteren Nerven wie Drahtseile und eine Engelsgeduld, wenn sie versucht, ihre beiden eigenen Kinder und sechs zu betreuenden Schützlinge „unter einen Hut zu bringen“.

Jason, Tim, Alessandro, Emilia, Lenn, Joline und die Zwillinge Noah und Luca fordern von ihr „die ganze Frau“ – und dass beginnt mit dem Aufwachen ihrer eigenen beiden Söhne. Schnupfen, Husten, Heiserkeit sind aktuell die ständigen Begleiter für die Rasselbande. „Manchmal komme ich mir vor, als wenn ich einen Sack Flöhe hüten muss“, sagt die Tagesmutter schmunzelnd, die von den Kindern nur „Merle“ gerufen wird.

Der Arbeitstag beginnt für Merle Micknaß irgendwann frühmorgens, wenn es an der Haustür klingelt und die ersten Schützlinge in ihre Obhut gegeben werden. Während sich ihr großer Sohn Jason im Badezimmer mehr oder minder selbstständig den Schlaf aus dem Gesicht wäscht und die Zähne putzt, kommt das Frühstück auf den Tisch. Nach dem gemeinsamen Mahl gibt die Tagesmutter das Kommando zum Anziehen. Aber ohne ihre Hilfe würde die Meute nicht vor Mittag aus dem Haus gelangen. Gemeinsam macht sie sich mit den Kindern auf den Weg, um Jason zur Grundschule zu begleiten. Die gleiche Prozedur folgt um die Mittagszeit nach Schulschluss.

Zwischenzeitlich unternimmt „Merle“ mit den Kindern per Kleinbus Ausflüge zum eigenen Pferdehof in Gehrendorf, oder es wird gewandert oder im hauseigenen Tobeland-Zimmer gespielt. Es folgt nach dem gemeinsamen Mittagsessen eine Runde Schlaf für alle Kinder, um nachmittags wieder fit für unterschiedlichste Unternehmungen zu sein. Für Zeiten mit schlechtem Wetter wurde im Haus ein zusätzlicher Spiele- und Beschäftigungsraum eingerichtet. Die Zeit vergeht meist aber wie im Fluge, sagt Tagesmutter „Merle“. Dann klingelt es meist schon wieder an der eigenen Haustür.

Die verheiratete Tagesmutter kommt selbst aus einer Großfamilie. Sie hat nach ihrem Abitur schnell den Weg zur Kinderbetreuung gefunden. Dafür absolvierte sie als Mutter mit Säugling in Wolfsburg den erforderlichen Kurs, der über ein Jahr in Anspruch nahm.

„Tagesmütter sind bei festangestellten Erzieherinnen oft nicht besonders beliebt, was ich bei den Fortbildungen immer wieder zu spüren bekomme“, berichtet Mickmaß aus dem persönlichen Nähkästchen. „Wir werden wohl allzu häufig als zweite Wahl wahrgenommen, wobei doch unsere Verantwortungsschwelle ebenso so hoch wie die vom Kita-Personal ist“, meint die Oebisfelderin. Was allerdings bei Weitem nicht so üppig ausfällt, ist die Bezahlung. Merle Micknaß wird je nach Herkunft der Eltern, die ihre Kinder zur Betreuung abgeben, zu den Sätzen der jeweiligen Kommune bezahlt. Dabei gelten jedoch noch Unterschiede bei den Betreuungszeiten.

Eine immer wiederkehrende Diskussion mit den Eltern gibt es, wenn bei ihnen liebgewordene Rituale in der Obhut der Oebisfelder Tagesmutter gekippt werden. So achtet „Merle“ stets darauf, dass beispielsweise nach dem Zähneputzen eben keine Süßigkeiten mehr genascht werden. „Dagegen wird dann bei Mami und Papi schon gemeckert“, erzählt die Tagesmutter. „Doch gesunde Zähne und unnötige Kalorien, die angesammelt statt beim Spielen aufgebraucht werden, gibt es bei mir nicht.“

Der Kontakt zu den Interessenten kommt bei ihr fast ausschließlich durch Mundpropaganda zustande. Einen Riesenbedarf gibt es aktuell in Stadt und den Neubaugebieten im Speckgürtel von Wolfsburg sowie im Raum Gifhorn. Dass der Job anstrengend und fordernd ist, kann auch daran abgelesen werden, dass im Landkreis Börde aktuell lediglich 14 freiberufliche Tagesmütter registriert sind.