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Coronavirus Als Familie gegen Corona stemmen

Seit 100 besteht die Gastronomie Hildebrandt in Breitenrode. Doch wegen Corona kann erst mal nicht gefeiert werden.

Von Harald Schulz 05.12.2020, 00:01

Breitenrode l Die Folgen der Corona-Pandemie haben den Hotelerie- und Restaurationsbetrieb von Eyk und Andrea Hildebrandt bis ins Mark getroffen. Waren die Buchungen von Hotelzimmern und der Außer-Haus-Verkauf von Speisen während des ersten Lockdowns noch eine Einnahmequelle, so sind nunmehr mit der zweiten Corona-Welle auch die Zimmervermietungen so gut wie komplett weggebrochen.

„Die Tourismus-Gäste, auch die Monteure, die die Woche bei uns übernachten, und Personen, die mehrere Tage in Wolfsburg gebunden sind und gut schlafen und essen wollten, sind einfach nicht mehr da“, beschreibt Andrea Hildebrandt das wirtschaftliche Dilemma, das die gesamte Familie und die Mitarbeiterinnen erfasst hat. Die sind mittlerweile in Kurzarbeit oder auf Jobsuche oder in der Hoffnung, dass Hildebrandts bald wieder anrufen.

Der finanzielle Notanker in dieser hochkritischen Wirtschaftslage ist Ehemann Eyk Hildebrandt. Seine Festanstellung bei einem Wolfsburger Unternehmen garantiert derzeit das wirtschaftliche Überleben der Familie.

Im Hotel unterstützen die beiden Töchter Ronja und Sofia bei vielen Handgriffen, um Bestellungen außer Haus zu erledigen, das Hotel sauber zu halten oder auch Gläser zu putzen. „Man stemmt sich eben als Familie gegen die Corona-Pandemie“, meint Mutter Andrea.

Dass die Pandemie über kurz oder lang beendet sein wird, daran haben die Hildebrandts so ihre Zweifel. Und kritisch betrachtet das Ehepaar auch die Corona-Soforthilfen vom Bund. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Nothilfe, nach dem zweiten Lockdown beim Steuerberater eingereicht, traf der zur Unterschrift reife Antrag erst am vergangenen Freitag bei den Hildebrandts ein. „Im November sollte diese Hilfe schon zur Auszahlung kommen, so die Zusage der Politik. Wir haben den 4. Dezember und der Antrag muss erst noch zugestellt, bearbeitet und bewertet werden. Währenddessen laufen aber die fixen Kosten für den Betrieb weiter auf“, kommt es bei Andrea Hildebrandt mit Galgenhumor aus dem Bauch heraus.

Das Ehepaar Hildebrandt ist jedoch überzeugt, diese Notzeit überwinden zu können. Voraussetzung ist eine baldige Lockerung der Eindämmungsverordnung. Die Nachfrage, was den Bereich Familienfeiern und Versammlungen betrifft, ist immens, doch die räumlichen Möglichkeiten und die Kontaktbeschränkungen bremsen all das im Ansatz aus, heißt es von Andrea Hildebrandt.

Zur Historie: Seit 100 Jahren werden in dem gastlichen Haus in Breitenrode an der heutigen Straße Bauernende Gäste bewirtet. Zu Gründerzeiten war es die Poststelle mit Schankwirtschaft Lahmann. Die Ur-Großeltern von Barbara Hildebrandt, nämlich Gustav und Anna Schernikau, kauften die ehemalige Poststelle und Schankwirtschaft von der Familie Lahmann, die dieses Haus 1850 erbaut hatte. Das Posthorn, das bis heute noch in der Gaststätte als bleibende Erinnerung seinen Platz gefunden hat, ist das letzte Andenken an die einstige Poststelle.

Die wurde im Jahr 1930 aufgegeben, dafür aber die Schankwirtschaft zum Gasthof mit vier Fremdenzimmern erweitert. Das war zu damaligen Zeiten schon eine Besonderheit in der ländlichen Gastronomie.

Im Jahr 1930 übergab Gustav Schernikau den Gasthof an seine älteste Tochter Grete Großgebauer. Sie führte den Gasthof über 33 Jahre, bis ihr Sohn Kurt und ihre Schwiegertochter Gisela Großgebauer den florierenden Familienbetrieb übernahmen. Zu dieser Zeit musste die Beherbergung eingestellt werden, denn Breitenrode befand sich nahe der deutsch-deutschen Zonengrenze im damaligen Sperrgebiet.

Als bedeutende Modernisierung kann bereits im Jahr 1936 der Abriss des Mittelteils zwischen Saal und Gaststube angesehen werden. Dort entstand ein höheres Gebäude. Die Schieferfassade mit darunter befindlichen Lehmsteinen der Gaststube wurden 1960 unterfangen und zusätzlich durch eine massive Backsteinmauer neugestaltet. Im Jahr 1976 wurde die Gaststätte an die älteste Tochter von Kurt und Gisela Großgebauer übergeben. Barbara und Jürgen Hildebrandt führten den Familienbetrieb bis zum 1. Januar 2010. Während dieser Zeit im Sperrgebiet wurde der alte Fachwerksaal abgerissen, weil kaum noch Veranstaltungen nachgefragt wurden. Im Jahr 1987 dann eine feine Geschäftsidee: Das Angebot einer Eisdiele mit Softeis fand die entsprechende Resonanz im Dorf. Komplett neue Möglichkeiten für die Gastronomie ergaben sich aber erst mit Öffnung der innerdeutschen Grenze.

Die Familie beschloss, ein Hotel zu bauen, weil die Nachfrage in der Region Oebisfelde enorm war. Ende Juli 1991 erfolgte der erste Spatenstich und am 16. April 1992 wurde die Eröffnung des Hotels mit 26 Zimmern gefeiert. Außerdem entstanden ein neuer Saal und eine professionell ausgestattete Gastro-Küche sowie ein Parkplatz mit Stellplätzen. Seit Januar 2010 bewirtschaften Andrea und Eyk Hildebrandt nunmehr den Familienbetrieb.