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Heimatstube Von Platt, Tänzen und Trachten

In der Heimatstube in Hadmersleben wird gewuselt. Grund sind die Vorbereitungen der Ausstellung „Tänze, Trachten, Mundartpflege“.

Von Sebastian Pötzsch 22.04.2016, 01:01

Hadmersleben l Hinter der Schau steht Christel Richter aus Egeln. Seit über 45 Jahren pflegt die rüstige Rentnerin ein lebendiges Börde-Brauchtum. Sie näht und präsentiert Trachten des 19. Jahrhunderts, war in Volkstanzgruppen aktiv und setzt sich für den Erhalt der Mundart ein, spricht selbst auch plattdeutsch.

Nun plant sie ihre bereits 4. Ausstellung. Gemeinsam mit der Leiterin der Hadmersleber Heimtatstube, Eva Oschim, bereitet sie derzeit die Ausstellung „Tänze, Trachten, Mundartpflege“ vor. Schürzen werden geordnet, Büsten verschoben und über die richtigen Beschreibungen der einzelnen Ausstellungsobjekte beraten.

Begonnen hat Christel Richters Leidenschaft für das Brauchtum schon früh. Seit 1970 mit Beginn der Volkstanzgruppe des VEB Orbiplast schneiderte sie neben Miedern auch Kostüme beispielsweise für Karnevalsvereine und Modekleidung, wie zahlreiche Fotos aus alten Zeiten belegen.

Ein Besuch der Libori-Festwoche im Jahr 1990 in Paderborn, eines der ältesten Volksfeste in Deutschland, sei letztendlich ausschlaggebend gewesen, auch alte Kleidung der Börde zu nähen.

„Meine Trachten sind zwar keine Originale. Doch ich habe sie nach originalen Vorlagen wie alten Schnittmustern oder Trachten, die die Zeit überstanden haben, genäht“, erzählt die Brauchtumspflegerin. Fündig geworden sei sie vor allem im Bördemusem Ummendorf. Schon ein Besuch vor vielen Jahren habe sie inspiriert, irgendwann einmal historische Kleidung nachzunähen.

In Zusammenarbeit mit der „BQI Beschäftigungsförderungs-, Qualifizierungs- und Innovationsgesellschaft“ Schönebeck seien seit dem Jahr 2003 allein über 20 Trachten entstanden. Die Stoffe dafür hat sie seit jeher zumeist von spendenfreudigen Bürgern geschenkt bekommen. Nur Hüte kämen nicht von ihr, sondern von einer Modistin aus Staßfurt.

In der Schau sollen mehr als ein Dutzend Festtagstrachten sowie vier Kindertrachten zu sehen sein. Getragen wurden sie von Angehörigen der höheren Bevölkerungsschichten, also der reichen Leute, zu besonderen Anlässen wie den sonntäglichen Kirchgängen, Hochzeiten oder anderen Feiertagen. „Die Stoffe, Schnitte und Applikationen waren um ein Vielfaches aufwendiger als die Kleidung der armen Landbevölkerung“, erklärt Christel Richter. Deutlich wird das an einer Bauerntracht, die ebenfalls ausgestellt wird. Sie besteht unter anderem aus einer sogenannten kurzen Warbschürze. „Die konnten die Frauen auf dem Feld mit den Händen zu einem Beutel binden, um zum Beispiel Kartoffeln zu transportieren“, macht Christel Richter vor.

Ein Großteil der Ausstellungsstücke kommt von der Liebhaberin aus Egeln selbst. Als Beispiele nennt sie die „Schwarze Braut“, die „Rote Braut“ und die „Bunte Braut“. „Das waren die Trachten der reichen Bördebewohner. Wenn geheiratet wurde, dann ging das oft über drei Wochenenden, wobei die ‚Schwarze Braut‘ am letzten Wochenende getragen wurde“, beschreibt Christel Richter.

Weitere Kleider des 19. Jahrhunderts werden die Oschersleberin Heike Heiland, der Chor Klein Oschersleben sowie die Stadt Oschersleben aus ihrem Fundus beitragen. Dabei handele es sich vor allem um Tanztrachten. „Die sind leichter und erlaubten mehr Bewegungsfreiheit“, weiß die Kennerin zu berichten.

Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich die Brauchtumspflegerin einen beachtlichen Wissensschatz angeeignet. Für ihr Engagement in Sachen Volkskunst ist sie daher mehrfach geehrt worden. Im Jahr 1981 beispielsweise wurden sie und ihre Mitstreiter als „Hervorragendes Volkskunstkollektiv“ ausgezeichnet. Immer wieder seien ihre volkstümlichen Tanzgruppen auf Straßen- und Stadtfesten, bei Hochzeiten, Geburtstagen und anderen Jubiläen aufgetreten – nach der politischen Wende 1989 sogar in ganz Deutschland.

Heutzutage sei das Interesse an Brauchtum bei jungen Leuten nur wenig vorhanden. Deshalb macht Christel Richter ganz uneigennützig Werbung. „Wer Interesse hat und in einer Tanzgruppe mitmacht, kann auf meine Erfahrungen und mein historisches Tanz- und Musikrepertoire zurückgreifen und sich bei mir melden“, betont sie und ergänzt: „Man muss eben mit Herzblut dabei sein.“

Im nächsten Jahr feiert Richter ihren 70. Geburtstag. „Deshalb mache ich bald Schluss“, sagt die Brauchtumsliebhaberin. Die vielen Trachten sollen dann an die Grundschule Westeregeln übergehen. Doch zuvor will sie einen Teil davon in der Ausstellung in Hadmersleben zeigen. „Ich bekam einen Anruf von Christel Richter und war sofort begeistert von ihrer Idee, die Schau hier bei uns auf die Beine zu stellen“, sagt Eva Oschim, Leiterin der Heimatstube. Dankbar sei sie der Liebhaberin von historischen Bördetrachten, die mit ihrem Wirken dafür sorge, Abwechslung in den Veranstaltungskalender zu bringen.

Seit 2001 sind in der Heimatstube 25 Ausstellungen organisiert worden. Die nächste Schau über die Tänze, die Trachten und die Mundart der Börde wird durch Fotos, Burschenschaftshauben und weitere Accessoires bereichert. Auch Texte in plattdeutsch werden zu lesen sein.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 8. Mai, im Heimatmuseum Hadmersleben eröffnet und kann danach dienstags und donnerstags jeweils von 9 bis 12 sowie von 13 bis 16 Uhr besucht werden. Außerhalb der Öffnungszeiten sind Voranmeldungen unter möglich: 039408/50 71 oder 039408/53 44.