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Blasmusik Ständchen gegen Schnäpschen

Ernst Hoffmeister ist im Ruhestand. Doch den Original Schermcker Blasmusikanten hält er die Treue - seit 49 Jahren

Von Susann Gebbert 08.01.2017, 10:00

Schermcke l Hach, waren das schöne Zeiten. Damals, als noch Volksfeste gefeiert wurden. Damals, als die Bratwurst an einem Bindfaden aus dem Fenster abgeseilt wurde. Damals, als die Original Schermcker Blasmusikanten noch Marschmusik spielten.

Ernst Hoffmeister ist Organisatorischer Leiter der Original Schermcker Blasmusikanten und Dienstältester der Gruppe. Er nimmt Anfragen für Auftritte entgegen und kümmert sich um die Räumlichkeiten. Der 64-Jährige erinnert sich gern an die alten Zeiten. Lustig waren sie. „Am Volksfestwochenende sind wir am Sonntag um 6 Uhr in Schermcke zum Wecken ausgerückt“, erzählt Ernst Hoffmeister. „Teilweise stand unser Schlagzeuger mit seiner Trommel direkt vor dem Bett des Schlafenden.“

Natürlich haben sie nur Schermcker aus den Federn getrommelt, die Spaß verstehen. Keine Selbstverständlichkeit an einem Sonntag um 6 Uhr. Als Dank für den gewöhnungsbedürftigen Weckruf bekamen die Musikanten Schnäpschen oder Würste geschenkt. Manchmal seilten die Geweckten das wurstige Dankeschön eben auch aus dem Fenster ab.

Heute sind die Zeiten auch noch schön. Nur eben anders schön. Volksfeste sind nicht mehr üblich und die Original Schermcker Blasmusikanten so wenige, dass sie nur noch Böhmische Blasmusik, Walzer, Polka, ab und zu einen Marsch und Weihnachtslieder spielen. Ihr Steckenpferd ist aber die böhmische Musik. Als „schön weich und schwungvoll“ charakterisiert Hoffmeister diese Lieder. „Um Marschmusik zu spielen, müsste jede Stimme doppelt besetzt sein“, erklärt er. Sie sind aber nur zu Zehnt, das reicht nicht. Zu Spitzenzeiten waren sie 22 Mitglieder. Die Gruppe hat 140 Lieder im Repertoire. Ab und zu kommt ein neues hinzu, ein altes fliegt raus.

1961 wurde das Blasorchester gegründet. Hoffmeister ist sieben Jahre später eingestiegen und dabei geblieben. Er betont immer wieder, dass er nur ein Ton auf der Tonleiter ist, die Gruppe nur zusammen funktioniert. Ernst Hoffmeister ist Rentner und freut sich immer auf den Montagabend. Dann wird geprobt. Er spielt das zweite Flügelhorn. Ein Blechblasinstrument, das einer Trompete ähnelt. Seine Mitspieler sind seine Freunde. Auch wenn der eine den anderen bei Proben mal kritisiert. Sie laden sich zu runden Geburtstagen ein und veranstalten jedes Jahr ein gemeinsames Gartenfest. Es ist wichtig, dass jeder von ihnen zuverlässig ist. „Wenn jemand fehlt, können wir nicht auftreten.“

Auch die Original Schermcker Blasmusikanten haben Nachwuchssorgen. An Fans mangelt es ihnen allerdings nicht. „Die rücken immer wieder nach“, sagt Ernst Hoffmeister. Er erlebt, dass junge Leute mit der Blasmusik zunächst nicht viel anfangen können, aber mit dem Älterwerden wandelt sich ihr Musikgeschmack. Und dann finden sie doch zur Blasmusik. „Wir haben auch Fans, die uns zu Auftritten hinterher reisen“, sagt Hoffmeister. So auch ein Pärchen aus Langenweddingen. Aus Dank überraschten die Musikanten den treuen Mann mit einem Ständchen zum 80. Geburtstag.

Seit den 1970er Jahren pflegen die Blasmusikanten eine besondere Tradition: An einem Adventswochenende ziehen sie durch Schermcke, bleiben vor einigen Haustüren stehen und spielen ein, zwei Weihnachtslieder. Manchmal öffnen die Leute Fenster und Türen und freuen sich. Manchmal schenken sie ein Schnäpschen aus. Manchmal bleiben die Türen verschlossen. Dann ziehen die Schermcker Dorfmusikanten weiter zur nächsten Laterne. Nur da können sie ihre Noten erkennen.

Heute spielt die Gruppe vor allem bei Jubiläen, Kaffeenachmittagen und auf Frühschoppen. Etwa 20 Auftritte haben sie im Jahr. „Alte Kameraden“ und „Drei weiße Birken“ sind die Musikwünsche, die die Hobby-Musiker am häufigsten spielen. Ernst Hoffmeister sagt: „Es ist eine große Belohnung, wenn sich das Publikum angesprochen fühlt.“