1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oschersleben
  6. >
  7. Leere Häuser als Sorgenkinder

Dorfentwicklung Leere Häuser als Sorgenkinder

Wie ist es um Oscherslebens Ortsteile bestellt? Ortsbürgermeister Donald Dölle aus Groß Germersleben stellt den Ort vor.

Von André Ziegenmeyer 08.08.2020, 01:01

Groß Germersleben l Während Donald Dölle durch die Straße geht, weist er vor allem auf leerstehende Häuser hin. 26 davon hat er vor Kurzem gezählt. „Nach der Wende hatte Groß Germersleben mehr als 1000 Einwohner. Heute sind es etwa 435“, berichtet der Ortsbürgermeister. Dieser Rückgang hat Spuren hinterlassen.

Zu den leerstehenden Objekten zählen große Höfe. Manchmal spielt auch der Denkmalschutz eine Rolle. Eine solche Sanierung kostet Kraft und Geld. „Wir müssen die Ortskerne in Ordnung halten“, betont Donald Dölle. „Wir müssen Leute dabei unterstützen, solche Objekte zu übernehmen und instand zu setzen.“ Allerdings brauche es auch Flexibilität seitens der Behörden, wenn Eigentümer ihre Grundstücke gestalten wollen.

Aller Voraussicht nach werde das Problem in Zukunft nicht kleiner, so Donald Dölle: „Wir haben viele ältere, alleinstehende Menschen, die in solchen Häusern wohnen.“ Junge Leute würden dagegen oft wegen der Ausbildung oder der Arbeit weggehen. Außerdem gebe es noch Grundstückseigentümer, die nicht ortsansässig seien und sich kaum um die Flächen kümmerten.

Dabei habe Groß Germersleben nach der Wende einen guten Start hingelegt. „Wir haben damals schon mit den Straßenausbauten begonnen“, blickt der Ortsbürgermeister zurück. Die Leitungen für Gas, Wasser, Abwasser sowie Telefon seien gleich mit verlegt worden. „Dadurch kam Groß Germersleben schnell in einen guten Zustand. Wir können von Glück reden, denn in manchen Orten ist das bis heute nicht der Fall“, betont Donald Dölle. Es gebe heute vier aktive Landwirte im Ort sowie mehrere Gewerke. Der Windpark beschere der Stadt Einnahmen in nicht geringer Höhe. Als Besonderheit sei auch das Kompetenzzentrum für Orgel und Harmonium hervorzuheben. Es locke sogar Besucher aus dem Ausland nach Groß Germersleben.

Doch in anderer Hinsicht habe der Ort Einschnitte hinnehmen müssen. Ein schwerer Schlag sei der Brand des Schlosses im Jahr 1999 gewesen. Doch es geht Donald Dölle auch um andere Dinge: Früher habe es in Groß Germersleben eine Post, einen Friseur, einen Fleischer und einen Bäcker gegeben. Heute seien alle diese Geschäfte verschwunden. Das bedeute vor allem für ältere Leute ein Problem. Die Busse nach Oschersleben würden nicht so oft fahren. Außerdem seien die Einkaufsmöglichkeiten auch ein Ort des sozialen Miteinanders gewesen. Gerade dieses Leben im Dorf scheint Donald Dölle wichtig zu sein. Manchmal habe er das Gefühl, Groß Germersleben sei eine reine „Wohnstätte“ geworden.

Die Aktivitäten vieler Vereine seien zurückgegangen. Eine löbliche Ausnahme sei allerdings der Heimatverein. Er organisiere unter anderem Veranstaltungen wie Lesungen, die Grünkohlwanderung, die Walpurgisfeier oder das Erntefest. Letzteres sei 2019 gut angekommen.

Doch wie Donald Dölle erklärt, gibt es in Groß Germersleben keinen richtigen Ort zum Feiern. Das Dorfgemeinschaftshaus biete Platz für 40 Leute. Beim letzten Grünkohlessen sei die Nachfrage deutlich größer gewesen. An Tanzveranstaltungen sei gar nicht zu denken. Früher habe es dagegen eine schöne Gaststätte mit Saal gegeben.

Aus Sicht des Ortschaftsrates sei jedoch eine Alternative denkbar: Die Sportstätte biete schöne, große Räumlichkeiten. Sie werde derzeit nur wenig genutzt. Das Gebäude sei voll erschlossen, die Lage am Ortsrand sei günstig. Auch Parkplätze gäbe es genug. „Eventuell könnte die Sportstätte im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes umgebaut und neu gestaltet werden“, überlegt Donald Dölle.

Ein heikles Thema ist die freiwillige Feuerwehr. Nach den Plänen der Stadtverwaltung soll sie in Zukunft ein gemeinsames Gerätehaus mit der Nachbarwehr aus Klein Oschersleben bekommen. Die vorhandenen Domizile seien in beiden Ortschaften in die Jahre gekommen. Zwei separate Neubauten seien wegen der räumlichen Nähe wirtschaftlich nicht vertretbar. Aber für Donald Dölle ist dieses Vorhaben ein Problem. Denn in seinen Augen ist die räumliche Zusammenlegung nur ein erster Schritt. Letztlich werde sie in einer kompletten Fusion münden. Aber: „Von der Feuerwehr gehen viele Impulse für den Ort aus. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt für das kulturelle und soziale Leben“, bekräftigt der Ortsbürgermeister. Mit 18 Kameraden sei sie sehr aktiv. Doch bei einer Zusammenlegung würden viele Feuerwehrleute ihren Dienst quittieren. Wehrleiter Sven Borchert hatte vor dem Stadtrat bereits eine Auflösung der Mannschaft in Aussicht gestellt. „Ich als Bürgermeister sehe die geplante Zusammenlegung sehr kritisch“, betont Donald Dölle.

Erst beim letzten Unwetter habe sich wieder gezeigt, welch gute Arbeit die Feuerwehr leiste. Schon im Vorfeld habe sie beispielsweise die Gullys kontrolliert, ob es irgendwo Verstopfungen gibt und Überschwemmungen drohen.

Laut Donald Dölle ist es ein bisschen wie mit den Gemeindearbeitern, die früher direkt in den Orten präsent waren. Natürlich würden die Mitarbeiter des Stadthofes ihren Job machen und Probleme beseitigen. Aber ein direkter Ansprechpartner im Ort, der selbstständig Missstände sehe und behebe, sei etwas anderes als jemand, den man erst anrufen müsse.

Allgemein wünsche er sich eine reibungslosere Zusammenarbeit mit der Stadt, so Donald Dölle. Dabei denke er zum Beispiel auch an die Beseitigung von Straßenschäden. Vom letzten Starkregen gebe es noch immer Ausspülungen in einigen Schotterwegen. Sie könnten beispielsweise Radfahrer zu Fall bringen. Auch der Weg zur Kirche müsse saniert werden. Wie der Ortsbürgermeister berichtet, liegen die Sandsteinplatten uneben. Im Herbst würden sie oft rutschig, wenn Blätter auf ihnen lägen. Am letzten Weihnachtsfest sei dort eine ältere Dame gestürzt. Auch die Besucher des Kompetenzzentrums für Orgel und Harmonium müssten diesen Weg nehmen.

„Wir wissen auch, dass vieles nicht einfach ist, und wir erwarten keine Wunder. Aber die Ortschaften dürfen nicht ganz vergessen werden. Viele Dinge dauern sehr lange und das fördert Unmut“, so Donald Dölle.