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Dorfleben Tante-Emma-Laden ist unverzichtbar

Der Tante-Emma-Laden von Rosemarie Große ist in Krottorf Versorger und Treffpunkt für die Einwohner zugleich.

Von Christian Besecke 10.01.2018, 00:01

Krottorf l Im Krottorfer SG Nahkauf herrscht nahezu ein ständiges Kommen und Gehen. Die Einwohner halten gern einen Plausch mit der hier seit elf Jahren tätigen Rosemarie Große. Manchmal bilden sich auch kleine Diskussionrunden und es werden aktuelle Neuigkeiten besprochen oder gehörig ausgewertet.

„Das ist normal“, sagt die gelernte Verkäuferin. „In Krottorf gibt es ja sonst keine öffentlichen Treffpunkte.“ Der kleine Laden ist somit der feste Ortsmittelpunkt. Früher war in den Räumen der Konsum zu finden. „Hier gab es sogar eine Fleisch- theke und dort hinten stand die Kühltruhe“, wirft der Krottorfer Wolfgang Ihsecke ein.

Einen Nahversorger gab es an dieser Stelle schon immer. Die 60-jährige Rosemarie Große führt die Geschäfte mindestens noch vier Jahre fort. „Danach will ich eigentlich meine Rente genießen“, verrät sie. Sie stammt aus dem benachbarten Hordorf und wohnt heute in Beckendorf. Die Ladenfläche ist gemietet. „Die ersten beiden Buchstaben im Geschäftsnamen sind übrigens die Initialen meines Sohnes Steffen Große“, sagt sie.

Die engagierte Frau geht in ihrer Rolle auf. Einst führte sie den Konsum in Beckendorf, bis er aufgelöst wurde, dann arbeitete sie für eine Supermarktkette in Schöningen. „Als ich 50 Jahre alt geworden bin, hat mich mein damaliger Arbeitgeber entlassen“, erzählt sie. „Da habe ich mich kurzentschlossen selbständig gemacht und das Geschäft in Krottorf übernommen.“ Die Einrichtung und die Renovierung haben die Großes selber gestemmt. „Dafür wurde ich von niemandem gefördert, auch nicht vom Arbeitsamt“, fügt sie hinzu.

Große Sprünge kann sie von dem Erlös nicht machen. „Ich komme so in etwa auf Hartz IV-Niveau“, schätzt sie ein. „Aber was soll ich zu Hause rumsitzen, weil mich keiner mehr anstellt? Das ist nicht meine Sache. Bis zur Rente kann ich dieses Geschäft führen und den Leuten im Dorf noch diesen Service bieten.“

Angst vor der Aufgabe hatte sie von Beginn an nicht. „Ich war als Verkaufsstellen-Leiterin und Kassenaufsicht tätig, daher weiß ich wie der Hase im Einzelhandel läuft“, sagt sie augenzwinkernd. In diesem Moment ärgert sie sich allerdings darüber, dass bei der gerade erfolgten Lieferung das Obst und Gemüse nicht dabei war. Im Nu hat sich der Fakt bei der Kundschaft herumgesprochen. Frische Ware in diesem Segment trifft erst wieder am Donnerstag ein.

Die Tür öffnet sich und Rentnerin Marianne Lorbeer betritt den Laden. Sie sucht sich ein Toastbrot aus. Das verschwindet erst einmal unter dem Ladentisch. „Ich komme heute Nachmittag noch einmal wieder zum Einkaufen“, sagt sie. Die Eigenheiten der Kunden sind Rosemarie Große bekannt. Manchen Besuchern liest sie die Wünsche geradezu von den Augen ab. „Es ist ein großes Glück, dass es die Verkaufsstelle hier bei uns noch gibt“, befindet Marianne Lorbeer. „Ich kommen hier regelmäßig her und decke mich ein. Natürlich gehört ein Gespräch über die neuesten Geschehnisse dazu.“

Die Verkäuferin ist zugleich Ratgeber, Psychologe und Kummerkasten. Selbst über Familiengeschehnisse wird sie schon einmal auf dem Laufenden gehalten. Auch ihr Mann Günter kommt in den Verkaufsraum und begrüßt die Besucher. Er ist 64 Jahre alt und bezieht seit zwei Jahren eine Berufsunfähigkeitsrente. Zuvor war er lange Zeit als Handwerker tätig. „Ein einziges Mal sind wir in den Urlaub gefahren“, sagt seine Frau. „Ansonsten haben wir nur gearbeitet, uns um Haus, Hof und Tiere gekümmert.“

Die Anwesenden nicken und sprechen über die alten Zeiten. Von denen ist nur noch dieser Laden übrig geblieben. „Wir hatten in Krottorf mal acht Gaststätten“, bringt Wolfgang Ihsecke vor. „Da gab es hier knapp 900 Einwohner, heute sind es wieder etwa 450. Die Tendenz geht ganz langsam wieder nach oben. Das macht sich auch im Kindergarten bemerkbar.“ Eine Gastwirtschaft gibt es dagegen schon lange nicht mehr.

In diesem Moment kommt Stammkunde Heinz Krause herein. Er gehört zu einem ganz elitären Kreis. „Hier steht ein Sparschwein, welches wir immer einmal füttern“, verrät er. „Am Jahresende lädt uns Rosemarie Große immer zu einer Weihnachtsfeier ein, die von dem gesammelten Geld bestritten wird. Da sind wir dann meist bis zu zwölf Leute.“

An den Sonnabenden geht es richtig hoch her im SG Nahkauf. Dann kommen nicht nur Krottorfer, sondern auch Hordorfer hierher, um sich mit frischen Brötchen einzudecken. Dann werden die Gespräche schon einmal „international“ und die Einheimischen erfahren die neuesten Nachrichten aus den Nachbarorten.