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Krankenhaus Kliniktreue seit vier Generationen

Seit 125 Jahren gibt es in Oschersleben ein Krankenhaus. Die Familien Petsch und Duderstadt sind eng mit ihm verbunden.

19.08.2019, 23:01

Neindorf (vs) l „Ich werde heute noch auf meine Großtante angesprochen“, lacht Jonas Duderstadt. Der heute 21-Jährige wurde 1997 in Neindorf geboren und führt eine ganz besondere Familientradition fort: Schon sein Urgroßvater Franz Petsch arbeitete im Neindorfer Krankenhaus! 1947 begann der gelernte Konditor mit Kochzusatzausbildung seinen Dienst in der Klinik, damals noch in dem erhaltenen Klinikteil in der Triftstraße.Gerichten. Bekannt war er vor allem für seine leckeren böhmischen Knödel.

Aus Mähren mit der Familie nach Deutschland gekommen, fand er eine Kochanstellung und rettete mit seinen Kochkünsten viele Leben. „Mein Vater war sehr akkurat, vor allem aber hat er es geschafft, aus dem Wenigen, was da war, sehr viel zu machen“, erinnert sich seine Tochter Edeltraud Petsch. Gemeinsam mit dem Gärtner und einem ortsansässigen Schlachter bewirtschaftete er den Küchengarten, erntete und kochte ein und verarbeitete die im Stall gehaltenen Schweine zu unterschiedlichsten

Als seine Tochter Edeltraud Petsch 1959 in der Klinik ihre Ausbildung in der Pflege begann, traf Schwester Helene Stachowski eine folgenschwere Entscheidung: „Du gehst in den OP.“ Schwester Traudel, wie sie dann liebevoll genannt wurde, prägte eine ganze Generation Pflegekräfte mit ihrem Enthusiasmus und ihrem Fortschrittsdenken. Als Stationsschwester im OP war sie die rechte Hand von Jürgen Bien, Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Klinik.

„Früher hat eine Krankenschwester alles gemacht. Wenn es im OP gerade nichts zu tun gab, half man auf Station. Eine fachliche Trennung wie heute gab es nicht“, erzählt die 79-Jährige. Erst unter ihrer Führung entsteht ein noch heute gültiges Dienstsystem mit Anästhesie-schwester, steriler und unsteriler Schwester und sogar einer vierten Bereitschaft für die sogenannte „Dringliche Medizinische Hilfe“ (DMH), denn auch die hat Schwester Traudel mit etabliert.

Besonders nachhaltig ist aber vor allem die Einführung der Intubationsnarkose 1974. Dafür reist sie nach Magdeburg, wo man sie gleich abwerben will. Dort lernt sie das neuartige Verfahren kennen, um es in Neindorf einzuführen. „Die Äther-Narkose hatte ausgedient und war auch nicht mehr zeitgemäß. Viele andere hatten das bereits, also war es nur richtig, dass wir das hier auch machen“, erzählt sie.

Wenn Traudel im OP stand, kam auch oft ihre Nichte Beate Duderstadt zu Besuch. „Unter dem Balkon am Westflügel kamen wir ins Schloss und halfen dort als Kinder beim Tupfer drehen und Mullplatten legen“, erinnert sie sich. Ihre Mutter war Schwester in der chirurgischen Abteilung der Poliklinik und da lag es fast auf der Hand, dass auch Beate Duderstadt in die Pflege geht.

1982 begann sie ihre Ausbildung in der Klinik, arbeitete dann auf der chirurgischen Station im Schloss. Da kam es schon mal vor, dass ihre Tante Traudel aus dem OP anrief und um Hilfe bat. Heute ist Schwester Beate Stationsleitung auf der S2 und hat auch ihren Sohn von der Arbeit in der Pflege begeistern können. Jonas Duderstadt hat einen Tag nach seiner Großtante Geburtstag. „Am 3. November abends habe ich noch Geburtstag bei Traudel in Neindorf gefeiert und bin dann in der Nacht mit Wehen zur nahe gelegenen Entbindung gelaufen“, erinnert sich Schwester Beate lachend.

Schon als kleiner Junge spielt Jonas im Schlossgarten und besucht seine Mutter auf der Station. „Wenn es geklingelt hat, wollte er unbedingt mithelfen und die Patienten haben sich sehr darüber gefreut“, sagt Beate Duderstadt. Auch Großtante Traudel holte er oft von der Arbeit ab. 2017 schloss er seine Pflegeausbildung in Neindorf ab.

„Dann war ich sechs Monate hier und bin dann in eine große Klinik nach Magdeburg gegangen. Doch dort hatte ich oft allein Dienst, keiner grüßt dich. Das kannte ich von hier nicht. Nach elf Monaten bin ich deshalb wieder hierher gekommen“, erzählt er. Heute arbeitet er auf der Intensivstation der Klinik – nur wenige Meter von der Arbeitsstelle seines Urgroßvaters im Schloss entfernt. Die Geschichte der Familie Petsch/Duderstadt steht stellvertretend für viele Familien, die in zweiter, dritter oder vierter Generation in der Neindorfer Klinik arbeiten. Etwas Besonderes, das es so nicht oft in deutschen Krankenhäusern gibt.