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Landwirtschaft In der Börde im Ernte-Einsatz

Wenn grüne, monströse Maschinen auf den Straßen und Feldern der Börde unterwegs sind, dann ist wieder Erntezeit.

Von Uta Müller 24.07.2020, 11:36

Wanzleben/Großalsleben l Konzentriert schaut Gerd Ölhoff auf den Monitor neben ihm, während hinten das Korn in den Drescher fällt. Feuchtigkeit? Passt. Drehzahl? In Ordnung. Kornverlust? Im grünen Bereich. Zufrieden schaut der gelernte Maurer in seinem Führerhaus nach vorn, während er sich mit seinem Mähdrescher mit rund 5 Kilometern pro Stunde durch das Feld arbeitet. Ölhoff ist einer von acht Mitarbeitern in der Agrargenossenschaft Großalsleben. Und die haben momentan mit der Ernte alle Hände voll zu tun. Mehr als 2000 Hektar rund um Großalsleben, Kleinalsleben, Wulferstedt, Hordorf bis nach Kloster Gröningen bewirtschaftet das Unternehmen. Ein großer Teil der Fläche wird in dieser Saison für den Anbau von sogenanntem Durumweizen oder auch Hartweizen genutzt.

Der Hartweizen oder auch Durumweizen oder Glasweizen genannt, ist nach Weichweizen die wirtschaftlich bedeutenste Weizenart. Der Anbau erfolgt in der Regel als Sommergetreide. Der Betrieb baut außerdem Raps, Gerste, Weichweizen, Kartoffeln sowie Zuckerrüben an. Ein weiterer Teil ist ökologische Vorrangfläche, die am Feldrand oder auf einer Brache erfüllt wird. Auch Blühstreifen, die in Zusammenarbeit mit Imkern und Jägern am Feldrand angepflanzt wurden, gehören dazu.

Klaus Henning Kratzenstein, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft in Großalsleben, zieht im Gespräch mit der Volksstimme Zwischenbilanz zum Erntejahr 2020. „In dieser Saison ist der Ertrag bei der Gerste unterdurchschnittlich. Ich rechne mit 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Der starke Frost Anfang Mai hat den jungen Pflanzen stark zugesetzt“, sagt der Landwirt. Beim Raps könne der 64-Jährige noch keine genauen Angaben machen, da er erst noch geerntet wird. Allerdings gehe er davon aus, dass die Ernte hier besser ausfällt als im vorigen Jahr. Allerdings sei die Rapsernte 2019 auch extrem schlecht gewesen.

Das sieht Christian Apprecht vom Bauernverband Börde in Wanzleben ähnlich. Insgesamt sei die Ernte bisher sehr differenziert ausgefallen. „Bei der Gerste ist es nicht überraschend besser, als vergangenes Jahr“, so der Geschäftsführer des Bauernverbandes Börde. Die Schwankungsbreiten in der Börde seien in diesem Jahr extrem. „Es kommt wahrscheinicht darauf an, in welcher Region das entscheidende Tröpfchen Regen gefallen ist“, sagt Apprecht. Auch die Nähe zum Grundwasser spiele eine Rolle. Fest stehe bisher: Eine gute Durchschnittsernte wird es auch dieses Jahr wieder nicht.

Beim Raps habe die extreme Trockenheit im vergangenen Herbst Probleme bereitet. Der Frost Anfang Mai habe dazu geführt, dass die Ähren bei Gerste und Raps nicht so gut ausgeprägt seien. Auch der Wegfall der insektiziden Beize mache Klaus Henning Kratzenstein zu schaffen. Den Schädlingsdruck müsse man immer im Blick behalten. Deshalb müsse gegen den Rapserdfloh extra gespritzt werden. Das sei mit einem hohen Mehraufwand und nicht zuletzt mit Kosten verbunden. Ob er in Zukunft auf den Raps setze, wisse er noch nicht. „Solange für meine Mitarbeiter und mich noch etwas übrig bleibt, mache ich weiter, aber wenn nicht, dann ist die Zukunft ungewiss“, sagt er. Kratzenstein sieht es kritisch, dass die Landwirtschaft immer als der große Umweltsünder dargestellt wird. „Ich werde doch nichts tun, was meinen Abnehmern schadet. Dann kann ich zu machen“, so der Landwirt. Er setze sowieso nichts ein, was er nicht dringend benötige. Ein großer Teil seiner Ernte geht über einen Händler ins Nachbarland Dänemark. „Da sind die Bestimmungen sogar noch strenger“, so Kratzenstein. Der Anbau werde ständig kontrolliert. Zu Beginn die Halme, dann das Korn nach dem Dreschen und nicht zuletzt das Mehl in der Mühle.

Klaus Henning Kratzenstein ist neben Jürgen Roloff einer der Geschäftsführer der Agragenossenschaft. Seit 1982 – gleich nach Ende seines landwirtschaftlichen Studiums – arbeitet Kratzenstein im Betrieb. Damals sei der Anbau viel aufwendiger gewesen, als das heute der Fall ist. „Viele Anbauprozesse laufen mittlerweile viel mehr automatisiert“, erklärt Kratzenstein.

Ein gutes Beispiel dafür sind die modernen Mähdrescher des Unternehmens. Dank eines elektronisch-optischen Sensors mit einer Genauigkeit von rund zehn Zentimetern bleibt kaum ein Halm bei der Ernte zurück. Anders als früher sind die Mähdrescher zudem angenehm klimatisiert und staubdicht. Technische Fortschritte wie diese können bei einem Problem allerdings nicht weiterhelfen: Dem Wetter. Gegen Mittag macht sich Klaus Henning Kratzenstein auf den Weg zu einem der Weizenfelder des Betriebs. In zwei Tagen soll es regnen und das hat Folgen für den Ablauf. Der Vorsatz mit den Hochleistungsschneidwerken wurde von Raps für den Weizen umgebaut. Die Mitarbeiter, die heute wieder für die Ernte zuständig sind, warten bereits auf das Signal des Chefs. Denn es darf nicht eher losgehen, bis die Feuchte des Weizens getestet wurde.

Gerd Ölhoff startet auf dem Feld zu einer kurzen Testrunde. Mittels eines Feuchtemessers nimmt Kratzenstein danach eine Probe vom Durumweizen. Der Landwirt hat ein gutes Gefühl. Der Wert liegt bei 14,2 Prozent. Eine ideale Ausgangslage, denn die Feuchte sollte bei 15 bis 16 Prozent liegen – zu feucht will der Händler das Korn nicht haben.

Langes Warten ist jetzt nicht angesagt, denn die Gruppe hat heute noch einige Hektar zu mähen. Meistens passiert dies im Juli und August. In dieser Zeit sind die Arbeiter oft auch bis spät abends auf den Feldern. „Die Arbeitstage können da schon mal ganz schön lang werden. Aber es macht Spaß, wenn alles klappt“, sagt Ölhoff, während er mit dem Mähdrescher seine Bahnen auf dem Feld zieht. Über Funk meldet sich der vierte Mähdrescher-Fahrer. Dann bekommen Ölhoff und sein Team Unterstützung. Ungefähr 20 Tonnen wiegen die grünen Ungetüme und haben eine Arbeitsbreite von sieben Metern.

Als er langsam losfährt, wirbelt hinter dem Mähdrescher Staub auf. Das ist das Zeichen, dass das Getreide trocken ist. Ölhoff ist eigentlich gelernter Maurer. Bereits sein Vater war im Betrieb angestellt. „Und ich bin dann immer mitgefahren. So ist meine Begeisterung für die Landwirtschaft und große Maschinen entstanden“, verrät er.

Gerd Ölhoff dreht sich um und schaut durch eine kleine Scheibe im Fahrerhaus in den Kornspeicher des Mähdreschers. Durch die kann er sehen, wie viel Korn sich bereits darin befindet. Schon jetzt ist er gut gefüllt. Sein Kollege mit dem Traktor ist bereits unterwegs zu ihm. Per Joystick gibt er den Befehl zur Entladung. Sofort fällt das Korn über die Förderstrecke in einen der Anhänger am Trecker. Das dauert gerade mal ein paar Minuten. Und: während der Mähdrescher entlädt, muss er nicht anhalten, sondern drischt weiter – das spart wertvolle Zeit. Der Trecker fährt das Getreide dann ins Lager. Von dort aus werden die Erträge an den Großhändler weitergeleitet. Nach ganz Deutschland und sogar bis nach Dänemark.

„Seit über 20 Jahren produzieren wir schon für den dänischen Markt“, sagt Kratzenstein. Der Durumweizen von den Äckern des Bauernverbandes in Wanzleben werde sogar bis nach Italien verschickt. Wenn die Italiener für ihren berühmten Nudelteig auf den Hartweizen aus der Börde setzen, spreche das für Qualität, so Apprecht vom Bauernverband Börde in Wanzleben.

Egal wie gut oder schlecht die Ernte ausfalle, am Ende sei der Preis entscheidend, den der Landwirt für seinen Ertrag bekomme. Und das sei die letzten Jahre zunehmend zum Problem geworden, da die Preise nicht nachgezogen haben. Letztlich entscheide der Verbraucher. „Der Verbraucher muss erkennen, wie wichtig ihm die Herstellung ist“, sagt Apprecht und was er bereit ist dafür zu bezahlen.

Klaus Henning Kratzenstein aus Großalsleben und Christian Apprecht aus Wanzleben bitten die Bevölkerung und die Landwirte in dieser Zeit um gegenseitige Rücksichtnahme: „Wir hoffen auf das Verständnis, wenn durch große Maschinen in diesen Tagen der Verkehr hier und da ein wenig zähflüssiger läuft – die Landwirte müssen das gute Wetter nutzen, um das Getreide trocken einzufahren.“