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Neues Konzept Handel zwischen Chance und Risiko

Neue Untersuchung in Oschersleben zeigt, wie es um Kaufkraft, Angebot und mögliche Chancen bestellt ist.

Von André Ziegenmeyer 28.02.2020, 00:01

Oschersleben l „Oschersleben ist nicht gerade durch Kaufkraftstärke gesegnet“, erklärte Mathias Vlcek von der BBE Handelsberatung. Die Bevölkerung nehme ab und damit auch die Nachfrage. Das waren einige der negativen Punkte, die der Experte vor dem Bau-, Wirtschafts- und Umweltausschuss ausführte.

Aber es war nicht alles. Die Stadt sei auch für junge Menschen interessant. Sowohl mit dem Auto als auch mit dem Zug sei Oschersleben gut erreichbar. Es gebe Branchen, in denen Kaufkraft derzeit noch in andere Städte abfließe. Aber das lasse sich ändern.

Im September 2018 hat der Stadtrat beschlossen, ein kommunales Einzelhandels- und Zentrenkonzept für Oschersleben und seine Ortsteile erstellen zu lassen. Der Auftrag ging an die BBE Handelsberatung. Das Unternehmen hat sechs Büros, unter anderem in München, Erfurt und Leipzig. In einer Ausschusssitzung stellte Mathias Vlcek jetzt den ersten Teil des Konzepts vor. Darin hat sein Unternehmen vor allem den aktuellen Sachstand erfasst und ausgewertet.

Unter anderem stellte der Experte eine Bevölkerungsprognose vor. Ihr zufolge wird Oscherslebens Einwohnerzahl weiter sinken - und zwar auf rund 17.900 Bürger im Jahr 2028. Aber: Laut Mathias Vlcek handelt es sich zwar um eine negative Entwicklung. Allerdings liege Oschersleben damit im Landesdurchschnitt, während es anderen Regionen noch deutlich schlechter gehe. Auf den demographischen Wandel hätten sich die Einzelhändler teilweise bereits eingestellt und müssten es auch weiterhin tun.

Schlechte Nachrichten gab es bei den Berufspendlern. Wie Mathias Vlcek darlegte, gab es 2008 noch ein positives Saldo. Das bedeutet: Die Zahl der Menschen, die zur Arbeit nach Oschersleben hineinfuhren, war größer als die Zahl derer, die aus der Stadt herausfuhren. Das hat sich laut dem Fachmann mittlerweile gedreht. Jetzt überwiege die Zahl der Auspendler um rund 1100 Personen.

Auf der anderen Seite habe die Zahl der Beherbergungen um 18 Prozent zugelegt, und zwar auf 35.000 pro Jahr. Wie Mathias Vlcek erklärte, liege das wahrscheinlich zu großen Teilen an der Motorsport Arena und ihren Veranstaltungen.

„Der Arbeitsmarkt ist relativ stabil und deutet nicht mehr auf strukturelle Probleme hin“, führte Mathias Vlcek weiter aus. Allerdings liege die Kaufkraft der Oschersleber bei 84,6 Prozent des Bundesdurchschnitts. Damit hat die Stadt auch im regionalen Vergleich einen relativ schwachen Wert. Der Landkreis Börde als Ganzes liegt laut Vlcek bei 92,7 Prozent.

Bezogen auf einzelne Branchen fällt dieser Wert jedoch unterschiedlich aus. Bei Bau- und Gartenmärkten sowie bei Blumen liege die Oschersleber Kaufkraft bei 91,2 Prozent, bei Schmuck und Uhren dagegen nur bei 64,7 Prozent. Auch im Bereich Apotheken und Sanitätswaren liegt der Wert laut Mathias Vlcek über dem Oschersleber Durchschnitt. In gewisser Hinsicht seien diese Zahlen ein Spiegel der Demographie. Ebenfalls auffällig: Wie der Fachmann darlegte, ist die Discounter-Dichte in Oschersleben überdurchschnittlich groß. „Schicke Supermärkte“ wie Rewe oder Edeka gebe es dagegen nicht.

Insgesamt liegt der Einzelhandelsumsatz laut Vlcek in Oschersleben bei rund 110 Millionen Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Haldensleben liegt laut Vlcek bei 127 Millionen Euro, Halberstadt bei 310 Millionen und Wanzleben bei 55 Millionen.

Ein positiver Punkt: Wie der BBE-Mitarbeiter ausführte, reicht das Einzugsgebiet des Oschersleber Einzelhandels über das Stadtgebiet hinaus und umfasst 27.320 Personen. Kaufkraft von außen fließe in die Stadt hinein. Zumindest in den meisten Branchen. In den Bereichen „Sportartikel/Camping“ und „Elektro/Unterhaltungselektronik/PC/Foto“ sei die sogenannte „Bindungsintensität“ dagegen klein. Das heißt, dass viele Kunden solche Artikel lieber in anderen Orten kaufen. Laut Vlcek liegt das teilweise aber auch an fehlenden Angeboten in Oschersleben.

Wie Mathias Vlcek weiter informierte, gibt es in Oschersleben 120 Einzelhandelsbetriebe mit einer Gesamtverkaufsfläche von 42.920 Quadratmetern. Dabei sei allerdings Folgendes zu beachten: Viele Geschäfte, gerade im Bereich der Innenstadt, seien sehr klein. Erfahrungsgemäß gebe es in diesem Bereich ein gewisses „Gefährdungspotenzial“. Oft gestalte sich zum Beispiel die Suche nach Nachfolgern schwierig.

Auf der anderen Seite umfasse die „Fachmarktagglomeration“ an der Anderslebener Straße zirka 43 Prozent der Verkaufsfläche. Gemeint ist damit das Gelände rings um Marktkauf, Toom und Repo. Sobald der Lidl eröffne, werde der Anteil an der gesamten Verkaufsfläche in der Stadt bei 50 Prozent liegen, so Vlcek. Das sei für die Entwicklung Oscherslebens „nicht ganz gesund“. Denn: „Wenn ich dort alles bekomme, brauche ich nicht mehr in die Innenstadt“, betonte der Fachmann.

Positiv sei dagegen, dass es im Zentrum noch 58 Geschäfte gebe. Das sei „ein relativ guter Wert“. Es handele sich damit um fast die Hälfte der Handelsbetriebe. Auch städtebaulich sei die Innenstadt attraktiv.

Ein weiteres Thema war die sogenannte Nahversorgung mit Lebensmitteln. In diesem Zusammenhang hob Mathias Vlcek hervor, dass fast von jedem Punkt innerhalb der Kernstadt ein entsprechender Markt zu Fuß gut zu erreichen sei. Das sei nicht zuletzt für ältere Menschen von Bedeutung. Ein Umzug des Lidl-Marktes an die Anderslebener Straße mache vor diesem Hintergrund allerdings „versorgungsstrukturell überhaupt keinen Sinn“, so Vlcek. Probleme damit, einen Markt zu Fuß zu erreichen, gebe es zum Beispiel an der Anton-Harborth-Straße sowie der Schillerstraße oder im Bereich der Friedensstraße.

Das Fazit des Experten lautete: „Die Ausgangslage ist grundsätzlich keineswegs schlecht.“ Er kündigte an, bei einer weiteren Sitzung des Ausschusses den nächsten Teil des Einzelhandelskonzeptes vorzustellen. Dabei solle es unter anderem um sinnvolle Neuansiedlungen und Entwicklungsmöglichkeiten gehen.

Ratsherr René Herbert (FUWG) erkundigte sich bei Mathias Vlcek, wie sinnvoll in seinen Augen ein Citymanager sei. Die Antwort: „Das macht auf jeden Fall Sinn.“ Mathias Vlcek verwies darauf, dass es in jedem Einkaufszentrum eine Werbegemeinschaft mit einem entsprechenden Manager gebe. Für Oschersleben könne möglicherweise eine Teilzeitstelle ausreichen. Allerdings sei es kein beneidenswerter Job. „Es muss wirklich jemand sein, der sagt: Ich brenne dafür“, so Mathias Vlcek.