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Ostalgie-Kabinett Sandmann, Konsum und "Präsent 20"

Im Ostalgie-Kabinett Langenweddingen beginnt am Wochenende die Sommersaison. Im DDR-Museum gibt es wieder neue Dinge zu entdecken.

Von Sebastian Pötzsch 27.04.2017, 01:01

Langenweddingen l Mit einem Staubwedel geht Erika Grüner durch jedes der vielen Zimmer ihres DDR-Museums. Emsig wischt sie über die Germina-Turnschuhe in der Sportabteilung, die HMK-Hifi-Anlage im Technikraum oder das große Sandmännchen im Spielzimmer. Auch das Kahla-Kaffee-Geschirr im Wohnzimmer oder die Spirituosenflaschen im Konsum müssen sauber sein.

Zeitgleich prüft Sohn Dirk die Funktionstüchtigkeit des ersten und einzigen Koffer-Grammophons der DDR-Marke „Weltklang“. Ein bisschen an der Kurbel gedreht und die Nadel auf die alte Schellackplatte gesetzt, und schon ertönt die Stimme von Werner Schmah: „Glaube mir.“ „Das hört sich doch gut an“, befindet Dirk Grüner, selbst gelernter TV- und Rundfunkmechaniker.

Auf eine weitere Neuheit weist Mutter Erika hin. „Dieser Herrenanzug war vor 40 Jahren sehr schwer zu bekommen“, sagt sie stolz. Es handelt sich dabei um den „Präsent 20“ aus dem VEB „Herrenmode Dresden“, gewebt aus dem Material Grisanten. Auch Socken gibt es im „Ostalgie-Kabinett“, „aber nicht irgendwelche“, erzählt Erika Grüner und zeigt ein Paar zum EVP für 19,50 Mark. „Die waren so teuer, weil da ein silberner Luvex-Faden verwebt wurde“, weiß Dirk Grüner.

Dann geht es ins Treppenhaus. Hier zeigen Mutter und Sohn auf die sogenannten „ewigen Kalender,“ oft auch als Dreh-Kalender oder „Hundertjähriger Kalender“ bezeichnet. „Die sind oft von Kombinaten als Werbegeschenk für die Leipziger Messe in Auftrag gegeben worden“, erzählen die Beiden wie im Chor.

Gern würden sie eine Sonderausstellung auf die Beine stellen, die ausnahmslos diese Kalender mit ihren so unterschiedlichen Motiven zeigen, und rufen jene Menschen, die solch ein Objekt noch besitzen, dazu auf, diese dem DDR-Museum zur Verfügung zu stellen. Dann putzen beziehungsweise testen Mutter und Sohn weiter ihre Ausstellungsstücke.

Am kommenden Wochenende muss alles geprüft und gesäubert sein. Am Sonnabend pünktlich um 10 Uhr sollen sich die Pforten des „Ostalgie-Kabinettes“ öffnen. „Die Ausstellungsstücke aus 40 Jahren alter Republik und aus allen Bereichen des Lebens lassen die Besucher in eine längst vergangene DDR-Alltagsgeschichte eintauchen“, verspricht Dirk Grüner. Seit mehr als 15 Jahren sammeln er und seine Eltern Erika und Bernd typische Ost-Produkte und machen sie seit 2004 auf mittlerweile über drei Etagen und mehr als 300 Quadratmetern der Öffentlichkeit zugänglich. Für ihr Engagement zur Dokumentation von Geschichte erhielten sie im Jahr 2010 sogar die „Ehrennadel des Landes Sachsen-Anhalt“.

„Da es nach über zehn Jahren nach der Wende noch kein DDR-Museum in unserer Nähe gab, dachten wir uns, dieses ins Leben rufen zu können“, erinnert sich Dirk Grüner. Dass aus dieser Idee, gepaart mit viel Akribie, zeitlicher Hingabe und Enthusiasmus, ein so großes Hobby und damit das einmalige Museum entstehen würde, hätten sich die Grüners bis dahin niemals träumen lassen. In der Anfangszeit haben sie all ihre Fühler ausgestreckt und sämtliche Kollegen, Bekannte und Familienmitglieder aufgerufen, in Kisten, Kellern und auf Böden nach alten Relikten zu suchen, um das Projekt mit DDR-Exponaten zu füllen, erzählen die Grüners. Von den etlichen DDR-Einzelstücken hätten Vater, Mutter und Sohn mehr als 50 Prozent teils auf Trödelmärkten und teils über Internet-Auktionshäuser gekauft oder ersteigert. „Jetzt, wo es echt auch eine Platzfrage ist, benötigen wir nur noch wenige Dinge, die über die ‚Suchliste’ auf unserer Website www.ostalgie-kabinett.com  eingesehen werden können“, ruft der Ostalgie-Experte zum Mitmachen auf.

„Viele Tausend Interessierte haben seit der Öffnung unser Museum besucht und unzählige durchweg positive Erfahrungs- und Lobesworte hinterlassen“, sagt Dirk Grüner und zeigt stolz die im Museum ausliegenden Gästebücher. „Das macht uns sehr stolz und spornt an, in Zukunft noch besser zu werden, dieses Kulturgut für die Nachwelt aufzubewahren.“

Das Ostalgie-Kabinett öffnet vom Sonnabend, 29. April, bis Montag, 1. Mai, täglich in der Zeit von 14 bis 18 Uhr. Zusätzliche Besichtigungen und Führungen ab acht Personen sind nach telefonischer Voranmeldung unter 039205/21485 möglich. Der Eintritt ist kostenlos, um eine Spende wird gebeten.