1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oschersleben
  6. >
  7. Tierschützer und Jäger retten rund um Hornhausen Rehkitze vor den Mähmaschinen

Naturschutz Tierschützer und Jäger retten rund um Hornhausen Rehkitze vor den Mähmaschinen

Rehkitze werden im Mai und Juni oft Opfer von Mähdreschern. Nach der Geburt legen Ricken ihre Neugeborenen im hohen Gras ab, eigentlich zum Schutz vor Angreifern. Nur sind die Kitze dort so schwer zu sehen, dass sie bei Mäharbeiten häufig vom Schneidwerk erfasst werden. Ein junger Verein setzt sich für die Rettung der Tiere ein.

Von Josephine Schlüer Aktualisiert: 24.06.2021, 10:19
Vertreter der Wildtierrettung Sachsen-Anhalt und der Pächtergemeinschaften Hornhausen, Wulferstedt und Neuwegerseleben treffen sich in den frühen Morgenstunden, um mit Hilfe einer Drohne mit Wärmebildkamera Rehkitze aufzuspüren, die sonst womöglich vom Mähdrescher erfasst würden.
Vertreter der Wildtierrettung Sachsen-Anhalt und der Pächtergemeinschaften Hornhausen, Wulferstedt und Neuwegerseleben treffen sich in den frühen Morgenstunden, um mit Hilfe einer Drohne mit Wärmebildkamera Rehkitze aufzuspüren, die sonst womöglich vom Mähdrescher erfasst würden. Foto: Josephine Schlüer

Hornhausen - In den frühen Morgenstunden von 5 bis 7 Uhr, noch vor der Arbeit, sind die ehrenamtlichen Helfer von der Wildtierrettung Sachsen-Anhalt im Mai und Juni fast täglich auf den Beinen. Ihre Mission: Rehkitze und andere Wildtiere vor dem Mähtod bewahren. Die jungen Rehe sind im hohen Gras vom Mähdrescher aus oft kaum oder gar nicht sichtbar, weshalb sie dem bis zu neun Meter langen Schneidwerk häufig zum Opfer fallen.

Um organisiert etwas dagegen zu tun, gründete sich im August 2019 der Verein Wildtierretter Sachsen-Anhalt, der seit diesem Jahr vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt gefördert wird. Mittlerweile konnten die Wildtierretter fünf Drohnen mit Wärmebildkameras anschaffen, über die die Rehkitze im hohen Gras aufgespürt werden können.

Auch im Naturschutzgebiet Großes Bruch finden sich in diesen Tagen Vertreter der Tierrettung Sachsen-Anhalt sowie der Pächtergemeinschaften Hornhausen, Wulferstedt und Neuwegersleben regelmäßig für diese Aufgabe zusammen. Ronald Mnich, Teamleiter bei den Wildtierrettern Sachsen-Anhalt, ist selbst Jäger und leitet die Einsätze.

Im Gebiet des Großen Bruchs von Hornhausen bis Dedeleben seien laut Mnich seit Anfang Mai insgesamt schon 28 Rehkitze im hohen Gras rechtzeitig vor den Mäharbeiten aufgespürt und gesichert worden.

Sichern heißt: Erspäht die Wärmebildkamera ein Rehkitz, tragen die Helfer es mit Handschuhen an den Rand des zu mähenden Bereichs und platzieren es unter einem Wäschekorb, der so fixiert wird, dass das Kitz nicht davonläuft.

Nachdem die Fläche nach den Rehkitzen abgesucht wurde, ist es besonders wichtig, dass der jeweils verantwortliche Landwirt schnellstmöglich mit den Mäharbeiten beginnt. Denn unter den Wäschekörben kann es bei sommerlichen Temperaturen schnell stickig und heiß werden. „Wir möchten die Kitze dort nicht länger als nötig festhalten“, sagt Roland Mnich. Der Teamleiter weiter: „Wir hatten schon den Fall, dass ein Kitz über sechs Stunden unter dem Korb sitzen musste, weil der Bauer nicht zur vereinbarten Uhrzeit gemäht hat“, erinnert sich der Tierschützer. Das sei nicht nur wegen der Hitze problematisch, sondern auch weil eine Ricke ihr Kitz im Vier-Stunden-Takt säugt. „Darum ist die Kooperation mit den Landwirten, Pächtern und Flächenbesitzern besonders wichtig“, weiß Mnich. Die Zusammenarbeit mit den Pächtergemeinschaften Hornhausen, Wulferstedt und Neuwegersleben funktioniere allerdings top, da gebe es kaum Probleme.

Die Arbeit der Wildtierretter Sachsen-Anhalt beschränkt sich hauptsächlich auf die Monate Mai und Juni. In diesem Zeitraum legen die Ricken die frisch geborenen Kitze zum Schutz vor Angreifern im hohen Gras ab. „Bis die Kitze einen eigenen Fluchtinstinkt entwickeln und sich selbst vor den Mähdreschern oder anderen Gefahren in Sicherheit bringen, können etwa zwei bis drei Wochen nach der Geburt vergehen“, erklärt Björn Löffler von der Pächtergemeinschaft Hornhausen, der ebenfalls Jäger ist. Auch er betont, wie wichtig es ist, dass Pächter, Landwirte und Jäger in Sachen Rehkitzrettung gut zusammen arbeiten. Allein in der Gemarkung Hornhausen müssten 400 Hektar Wiese gemäht werden, so Löffler. Er nennt Landwirt Heiko Röder als Vorreiter unter den Landwirten, der sich als einer der ersten für die Rettung der Rehkitze eingesetzt habe.

Ronald Mnich schätzt, dass im gesamten Bundesland Tausende Rehkitze jährlich dem Mähtod zum Opfer fallen. Allein während der Einsätze im Naturschutzgebiet Großes Bruch hätten die Tierschützer in den vergangenen zwei Monaten auf einigen Wiesen manchmal an nur einem Morgen bis zu fünf Jungtiere gerettet.

Teilweise setzen die Wildtierretter für ihre Arbeit sogar private Mittel ein, beispielsweise für einen extra Akku für die Kameradrohnen, sagt der Teamleiter. Auch nutzen sie ihre privaten Autos, um zu den entsprechenden Stellen zu gelangen und bezahlen das Benzin selbst. „Darum würden wir das Anliegen der Kitzrettung gern in den Versammlungen der Jagdgenossenschaften vortragen“, sagte Björn Löffler. Er hoffe, dass über die Genossenschaften weitere finanzielle Unterstützung für die Wildtierretter Sachsen-Anhalt generiert werden kann.

Ein Rehkitz wird  vor den Mäharbeiten aus dem hohen Gras von der Wiese getragen.
Ein Rehkitz wird vor den Mäharbeiten aus dem hohen Gras von der Wiese getragen.
Foto: Pächtergemeinschaft Hornhausen