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Waldschaden Der Wald gibt sich die Blöße

Extremwetterlagen, Stürme, Trockenheit, Pilzbefall und Borkenkäfer haben ihre Spuren im Hohen Holz in Oschersleben hinterlassen.

Von Yvonne Heyer 09.03.2020, 00:01

Neindorf l Erholungssuchende, die sich aufmachen, um im Hohen Holz bei Neindorf und Hubertushöhe einen Waldspaziergang zu starten, werden schnell feststellen: Das Bild des Waldes hat sich seit 2018 drastisch gewandelt. Die Auswirkungen der Klimaveränderungen, Extremwetterlagen, Sturmschäden, die Niederschlagsdefizite der vergangenen zwei Jahre sowie Borkenkäfer- und Pilzbefall haben ihre Spuren hinterlassen.

Auf großen Flächen mussten Bäume eingeschlagen werden. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Die schadhaften Bäume werden „fängisch“ und sind damit noch anfälliger gegenüber Wind, Käfer- und Pilzbefall. Insekten wie der Borkenkäfer werden von den absterbenden Bäumen regelrecht angelockt. Deshalb müssen die schadhaften Bäume so schnell wie möglich raus aus den Beständen. Bisher konnten die Insekten mit Feromonfallen weggefangen werden oder durch sogenannte gefällte Fangbäume angelockt werden. Das funktioniert in der derzeitigen Situation nicht mehr, da die Insekten in Massen auftreten. Betroffen vom Insektenbefall sind vor allem Fichten und Kiefern. Unter Pilzbefall leiden vor allem Kiefern und Buchen.

Mit dem radikalen Holzeinschlag entstehen im Wald Blößen, wie sie Thomas Roßbach, Leiter des Betreuungsforstamtes Flechtingen und damit zuständig für den sogenannten Körperschaftswald bei Neindorf und Hubertushöhe, sowie Revierförster Jens Strebe, in diesen Tagen nahe Hubertushöhe zeigen. Ein großer Buchenbestand stirbt, beinahe 200 Jahre alte Bäume können der Trockenheit und dem Pilzbefall nichts mehr entgegensetzen, sie sterben und müssen durch junge Bäume ersetzt werden. Während rund um die kranken Bäume andere Baumarten ausgesamt haben, besitzen die Buchen nicht die Kraft, sich zu verjüngen. „Das nennen wir Vitalitätsschwäche“, erklärte Jens Strebe. Die Blößen werden mit natürlich vorkommenden Bäumen aufgeforstet.

Weiter geht es durch den Landkreiswald. Nahe Hubertushöhe künden große Holzstapel davon, dass auch hier viele Bäume gefällt werden mussten. Der Borkenkäfer hat sich durch einen Fichtenbestand gefressen. „Die Bäume hätten noch gut und gerne 30 bis 40 Jahre stehen bleiben können. Das Fällen der toten Fichten ist ein großer ökologischer wie ökonomischer Wertverlust, hat Auswirkungen auf das gesamte biologische System des Waldes, auf Vögel und Insekten und den Boden. Mit dem Aufforsten geben wir vielen Pflanzen- und Tierarten wieder einen neuen Lebensraum“, so Thomas Roßbach. Aufgeforstet wird an dieser Stelle mit fünf verschiedenen heimischen Baumarten.

Das Gesetz schreibt eine Dreijahresfrist für das Aufforsten der abgeholzten Flächen vor. „Eine schwierige Aufgabe angesichts trockener Herbste und Frühjahre. Mit der Trockenheit ist alles ins Stocken geraten. Wir mussten feststellen, dass die jungen Bäume die Trockenheit nicht überstanden haben oder wir konnten gar nicht erst pflanzen, weil es zu trocken war. Schon Jens Strebens Vorfahren, er ist Förster in der vierten Generation, wirkten im Hohen Holz. Er kennt die Standort-und Bodenverhältnisse sehr genau, weiß, wo die verschiedenen Baumarten die besten Bedingungen vorfinden. Und dennoch ist es in diesen Zeiten nicht einfach, die richtigen Baumarten auszuwählen, schließlich werden die Bäume in der Regel für die nächsten 100 bis 200 Jahre gepflanzt“, erklärt Thomas Roßbach.

Aufgabe ist es, Bäume zu pflanzen, die Vielfalt in den Wald bringen, die aber zugleich künftige Schadensereignisse wie schwere Stürme und Trockenheit „überleben“.

Hinsichtlich des Saatgutes gibt es Engpässe bei den Baumschulen. Der Landkreis hat vor drei Jahren in den Beständen Eichensaatgut „gesammelt“, das er jetzt als Pflanzen auf die Blößen bringen kann. Die meisten Standorte im Hohen Holz sind Eichenwaldgesellschaften und so können die Blößen mit der Licht liebenden Baumart Eiche aufgeforstet werden.

Die in diesem Jahr bereits gefallenen Niederschläge machen Hoffnung, dass bessere Bedingungen für das Setzen der Sämlinge herrschen.

Thomas Roßbach und sein Kollege Jens Strebe sind aber weiterhin überzeugt: „Wir können den Wald wieder herstellen. Auch wenn nach dem Abräumen der toten Bäume Blößen entstehen, niemand müsse Angst haben, dass der Wald verschwindet. Der Wald wird seine Funktionen wie Schutz des Klimas, Verhinderung der Bodenerosion sowie Erholungs- und Nutzfunktion weiterhin erfüllen können. Der Wald sorgt auch für Lärmschutz, ist Luft- und Wasserfilter, schützt unseren Boden. Das wird auch in Zukunft so sein.“