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Vor 77 Jahren Erinnern an die Pogromnacht

Eine Gedenkstunde anlässlich des 77. Jahrestages der Novemberpogrome fand am Sonntagabend in der katholischen Kirche Seehausen statt.

Von Walter Schaffer 09.11.2015, 18:00

Seehausen l Nicht nur in den Großstädten brannten im November 1938 Synagogen, Betstuben, Versammlungsräume oder Geschäfte von Juden. Auch in Seehausen hatte der staatlich verordnete Antisemitismus Wurzeln geschlagen.

In der Chronik der Stadt (Kurt Maaß) ist dazu zu lesen: Am 24. August 1935 wurde ein ,Stürmer-Kasten‘ vor dem Denkmalplatz der Post aufgestellt und feierlich eingeweiht. Die darin befindliche ,Stürmer-Zeitung‘ trug die Überschrift ,Die Juden und unser Unglück. Wer von einem Juden kauft, ist ein Volksverräter‘.

Schon am 1. April 1933 war ein Aufruf der NSDAP, Ortsgruppe Seehausen, zum Boykott jüdischer Geschäfte im Seehäuser Wochenblatt veröffentlicht worden. Darin hieß es wörtlich: „Deutsche Männer und Frauen in Stadt und Land: Wehrt euch! Heute setzt in ganz Deutschland ein Boykott der jüdischen Geschäfte, Händler, Ärzte und Rechtsanwälte ein. Wir warnen besonders vor dem Betreten jüdischer Geschäfte. Niemand kauft noch bei einem Juden. Schimpf und Schande über denjenigen, der es wagen sollte, in diesem Abwehrkampf unserem Volk in den Rücken zu fallen“.

Vom gleichen Tage an standen SA-Leute mit Karabinern ausgerüstet vor den jüdischen Geschäften. Im Zuge der Novemberpogrome wurde der jüdische Friedhof, der Ende des 19. Jahrhunderts in der Nähe des Schillerhains errichtet worden war, verwüstet. 1988 wurde dieser zu einer Gedenkstätte mit Gedenktafel umgestaltet.

In der ökumenischen Gedenkstunde wurden mit einer Vielzahl von Lesungen (Susanne Netal, Reiner Krainz, Levi Netal, Friedemann Nitsch, Stephan Jambor) persönliche Schicksale in Erinnerung gerufen und zum Nichtvergessen der Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes aufgerufen. Musikalisch umrahmten diese Gedenkstunde mit teils solistischen Beiträgen oder im Duo Ralph Netal (Klavier), Matthias Netal (Akkordeon), Susanne Netal (Gesang), Gisela Freuer (Geige), Anja Mersiowski (Querflöte) und Andreas Kornak (Klarinette). Sie brachten vorwiegend Klezmermusik zur Aufführung. Auch das Publikum war einbezogen. Zusammen mit Ralph Netal wurde versucht, das hebräische Volkslied „Hevenu shalom aleichem“ (Wir wollen Frieden) gemeinsam zu singen. Tänze wie der Schwiegerelterntanz waren in das Programm aufgenommen.

„Die jüdische Religion beruht auf dem Alten Testament, die christliche auf dem Neuen. Die Schnittmenge beider Religionen sind die Psalmen“, so Krainz, der zu diesem Thema sprach. In die Fürbitte wurden die Flüchtlinge, die zur Zeit zu Tausenden Schutz in Deutschland suchen, einbezogen.